693. Die Sprichwörter von Domnaw.

[632] (S. Frischbier S. 46.)


Man hat zwei Sprichwörter von der Stadt Domnaw. Das eine heißt: »In Domnau nach einem Düttchenbrode fragen.« Mit diesem geht es so zu. Einst wurde in Domnaw ein Dieb in Begleitung aller Rathsherrn zum Galgen geführt. Der Richtstätte nahe bat er um die Vergünstigung, sich noch vorn nächsten Bäcker ein Düttchenbrod kaufen zu dürfen. Die Bitte wurde ihm gewährt und der Bürgermeister schenkte ihm gnädig noch das Düttchen. Der Delinquent kaufte nun zwar bei dem zunächst am Thore wohnenden Bäcker das Brod, entwischte aber damit und rief den starrenden Rathsherrn nur noch zu: »Dank Domnauer, fer't Düttkebrot.« Seitdem nimmt es jeder Domnauer Bäcker übel, wenn man von ihm ein Düttchenbrod fordert; man muß ein Drei(silber)groschen-Brod verlangen.

Das zweite Sprichwort lautet: »Gute Nacht meine Herrn Domnauer!« Dies bezieht sich auf eine zweite Sage. Es hat nämlich ein zum Tode zu Domnaw verurtheilter Delinquent eidlich angeloben müssen, um der beschwerlichen Gefangenschaft eine kurze Zeit zu entgehen, sich an dem zur Execution angesetzten Tage wieder zu stellen. Als dieser nun zur Erfüllung seines Eides um die Mitternachtstunde an das Thor kam und sich meldete, daß er wieder da sei, hat man ihn nicht einlassen wollen, sondern ihm zur Antwort gegeben, daß er bei hellem Tage sich einfinden möge, welches aber der Dieb, weil sein Leben darauf beruhte, unnöthig erachtete, sondern er berief sich auf die Erfüllung seines Eides und ist mit den Worten: »Gute Nacht, liebe Domnauer« von der Stadt weg in alle Welt gegangen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 632.
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