725. Die Brahejungfern.

[656] (S. Temme S. 244. Poetisch behandelt bei Ziehnert Bd. III. S. 89.)


Die Brahe ist ein Nebenfluß der Weichsel, in die er bei der Stadt Fordon im Reg.-Bez. Bromberg fällt. In diesem Flusse wohnen Nixen, welche sich, wenn sich in Vollmondsnächten Bittende, namentlich unglückliche Liebende an sie wenden, diesen gern hilfreich bezeigen. Nun lebte in der Ritterzeit in einer Mühle an diesem Flusse ein alter Müller, der eine sehr schöne Tochter besaß, ein junger Ritter hatte sich in sie verliebt, sie erwiderte seine Neigung und Beide waren einig, sich niemals zu trennen. Sie traten vor den alten Müller und baten ihn um seinen Segen, allein derselbe wollte von einer so ungleichen Heirath nichts wissen und verwies sie an den Vater des Jünglings, dieser aber, ein strenger und stolzer Mann, drohte seinem Sohne mit seinem Fluche, wenn er sich so vergessen werde, eine Müllerstochter heimzuführen. Da gingen die Liebenden in ihrer Herzensangst in einer Vollmondsnacht an den Brahefluß und riefen die Hilfe der Jungfrauen desselben an, sie erhörten auch ihr Flehen und traten im Traume den alten Ritter an und verkündeten ihm, wenn er in die Heirath willigen werde, werde ihm und seinem Hause Heil und Glück, wenn nicht, Verderben widerfahren. So abergläubisch er auch war, er schlug es ihnen rund ab, da suchten die beiden Unglücklichen ihre Vereinigung in den Wellen des Flusses, die Brahejungfern nahmen sie unter sich auf und vermählten sie tief unten in ihrem gläsernen Palaste, der alte Ritter aber starb verwaist im Elend, denn der Fluch der Brahejungfrauen hatte ihn von Stund an zum Unglück verdammt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 656.
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