7.

[96] Ist heut der Ent' und Wälschhuhns jüngster Tag,

Daß rings ihr Krächzen schreit aus Hof und Hag?

Der Pflanzer rückt zur Wachtparad' von Haus

Und rupft sich einen Federbusch erst aus!


Der Festtag ist's der Unabhängigkeit!

Vor Pittsburgs Thoren stehn ins Glied gereiht

Des Pflugs, der Werkstatt Söhne, kriegrisch bunt,

Der Glatzkopf hier, dort Jüngling Rosenmund!


Kopfschüttelnd wallt der Hauptmann durch die Reihn

Durch Weiß und Kupferfarb' und Groß und Klein!

Die Jacke hier, daneben der Talar,

Perückenhaupt und wehend Lockenhaar!


Daß Gott erbarm'! Ei, Nachbar lieb und werth,

Ihr tragt ein gar zu rostig, schartig Schwert!

»Bei Saratoga trug's mein Vater schon,

Den Pfirsichbaum stutzt jetzt damit der Sohn!


So trägt es stolz, von Sieg und Lenz erwählt,

Des Kriegs und Friedens Scharten schön vermählt,

Wie auf des wahren Helden Angesicht

Der Schlacht und Schenke Narb' in Eins sich flicht!«
[97]

He, Freund, dein Helmbusch spielt gar selt'nen Glanz!

Ich mein', er wuchs auf eines Hahnen Schwanz!

»Ei, ist der Hahn mir doch kein übler Bot',

Sein Ruf und Flügelschlag bringt Morgenroth!«


Den Bauch zurück, Gevatter, wenn du's kannst!

Die ganze schöne Front verdirbt dein Wanst!

»Er ist nur eine Festung mehr dem Land!

Vertheid'gen soll sie mannlich meine Hand!«


Der trägt die Whiskyflasche angeschnallt,

Wie das Osagenweib ihr Kind im Wald!

»Wohl eines schönen Kornfelds guter Geist

Wohnt drin, der mich der Heimat denken heißt!«


He, Flügelmann, dein Zopf erschreckt mich fast,

Steif und gespenstisch, wie ein kahler Ast!

»Und ist's ein Ast, hüpft wohl ein Vöglein drauf

Und spielt ein hübsches Lied von Freiheit auf!«


Heda, weß ist das Füllen, das dort läuft,

Und an des Fähnrichs brauner Stute säuft?

»Zürnt nicht! Wer wäre doch so schlimm gesinnt,

Zu trennen gar die Mutter von dem Kind!«


Die weiße Schärpe, Alter, läßt dir fein,

Doch paßt sie wirklich nicht in Glied und Reihn!

»Des Kindleins Bahrtuch ist's, das mir erblich,

Und mahnt geweihter, heil'ger Erde mich!«


Der Regenbogen, der doch farbenreich,

Ganz farblos, Kinder, ist er gegen euch!

»Zwängt, Vater, nicht den Leib in spröde Norm,

Sind unsre Herzen doch in Uniform!«
[98]

Zerfetzt ist das Panier, drum ihr euch reiht!

Zu Mess' und Predigt kein Kaplan bereit!

»Fahn' ist ja jeder Baum im Vaterland,

Gott selbst hat ihm gestickt das Fahnenband!


In unsichtbarer Priesterhand erhöht,

Schwebt hoch, vom blauen Baldachin umweht,

Die Sonne durch der Wolken Opferduft,

Der Lieb' und Freiheit Hostie, in der Luft.«

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 96-99.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schutt
Sämtliche Werke 6: Schutt. Hg. von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]
Schutt (German Edition)

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Robert Guiskard. Fragment

Robert Guiskard. Fragment

Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon