Fünfte Szene

[165] Das erstürmte Bardewick.

Die Krieger Heinrichs des Löwen, unter ihnen Christoph, Wehrfried, Bernhard, Gottfried, dringen von jeder Seite herein. Überall Feuer, Rauch, Trümmer und Leichen. Bardewicker jammernd dazwischen.


ERSTER BARDEWICKER. Meine Frau erschlagen, meine Tochter geschändet!

WEHRFRIED. Das letzte war freilich nicht nötig, sie war schändlich genug.

ZWEITER BARDEWICKER. Verbrannt alles! Alles Asche! Haus und Möbeln, Pferd' und Kuh!

CHRISTOPH. Spottest du nun noch des Herzogs?

ZWEITER BARDEWICKER. Ich heule, schreie über ihn zum Himmel![165]

WEHRFRIED. Umsonst! der Himmel ist bekanntlich schwerhörig.

ERSTER BARDEWICKER. Gott, o Gott, gestern und heute!

WEHRFRIED. Heute ists besser; gestern lief hier schnödes Gesindel umher, heute ists fort.

HEINRICH DER LÖWE mit Gefolge, Fürst Borvin und Graf Borgholt darunter.

Brennt weiter! – brennt! – Ein Brandmal werde dieses

Verräterische, undankbare Bardewick!

BARDEWICKER.

Gnade!

HEINRICH DER LÖWE.

Ihr jämmerlichen, unverschämten Buben,

Nur eure übermäßge Feigheit kann

Es wagen, Stirn und Hand emporzuheben

Und mich um Gnade anzuflehn! Ich wars,

Der euch begüterte, beschützte, – heuchelnd

Krocht ihr um meinen Fuß, solang ich Macht

Besaß, – doch seit ich sie verloren, wicht

Ihr von mir, wie die aufgescheuchten Vögel,

Und da mein Haar nun weiß, mein Auge dunkel

Geworden ist, lacht ihr mich aus! – Seid ihr so elend,

Daß ihr den Nutzen, ihr den schlechten Wucher

Der Ehr und eurem Herzog überschätzt,

Den Kaiser mehr als ihn scheut, weil der Kaiser

Der Stärkere jetzt scheint, so hättet ihr

Vor mir doch Ehrfurcht fühlen, aber nicht

(Was Barbarossa selbst nicht tat, und was

Sein Sohn, so wild er ist, gewiß nicht tun wird)

Mich höhnen sollen, – ihr kurzsichtgen Krämer,

Die ihr nicht weiter seht als eure Elle,

Die ihr gut wisset, was das Gold bedeutet,

Doch nicht, was ein empörter Geist will sagen! –

– Jetzt lache ich und eure Häuser brechen ein!

BARDEWICKER.

O Elend! Jammer!

HEINRICH DER LÖWE zu seinen Kriegern.

Barmherzig seid! Kürzt den Rebellen ihr

Gewinsel, ihren Jammer ab, und schlagt

Sie tot!

BARDEWICKER.

Wehe! Wehe!


Sie werden erschlagen.

Zwei sächsische Gewaffnete kommen.
[166]

ERSTER GEWAFFNETER.

Die Stadt ist jetzt Ruine.

ZWEITER GEWAFFNETER.

Hier der Dom nur

Steht noch. Läßt du ihn niederreißen?

HEINRICH DER LÖWE.

Nein,

Als ewges Zeichen des, was diese Stadt

Einst war, soll er in fernste Zukunft ragen!

– Holt einen Eisenhammer –

Graf von Borgholt,

Kannst du Latein?

GRAF BORGHOLT.

Ich kanns mein Fürst.

HEINRICH DER LÖWE.

So will

Ich diese Trümmer, diesen Feuerqualm

Durch dich in die Weltsprache übersetzen,

Und jedem Fremdling sollen sie verständlich werden.


Der eiserne Hammer wird gebracht und Heinrich der Löwe übergibt ihn dem Grafen Borgholt.


Nimm ihn, und hau (denn daß du hauen kannst,

Sah ich soeben noch an deinen Schwerterschlägen)

In diese Platte über dem Portal

Des Doms, was ich diktiere:

Vestigia –

Hast du's?

GRAF BORGHOLT.

Da stehts.

HEINRICH DER LÖWE.

– leonis.

EIN REICHSHEROLD tritt auf.

Bin

Ich hier im welfschen Lager?

HEINRICH DER LÖWE.

Ja, Reichsherold.

DER REICHSHEROLD.

Du kennst mich?

HEINRICH DER LÖWE.

O der Rock, den du da trägst,

Ist mir so gut bekannt, wie einst der Roßtrapp.

DER REICHSHEROLD.

Heinrich der Sechste ruft dich vor Gericht

Als Friedensbrecher, und gebietet dir

Bei Doppelstrafe Bardewicks zu schonen.

HEINRICH DER LÖWE.

Des Unsinns! Es gibt ja kein Bardewick!

DER REICHSHEROLD.

Herzog, treib keinen Scherz – Der Kaiser liebt

Ihn nicht.

HEINRICH DER LÖWE auf Bardewicks Trümmer deutend.

Ist dieses Scherz?[167]

DER REICHSHEROLD.

Gewiß nicht.

HEINRICH DER LÖWE zeigt auf die Platte am Portale des Domes.

Also lies!

DER REICHSHEROLD.

Vestigia leonis.

HEINRICH DER LÖWE.

Mensch, das war

Einst Bardewick, so heißt es jetzt!

DER REICHSHEROLD.

Entsetzlich!

Erschrecklich!

HEINRICH DER LÖWE kehrt dem Reichsherolde den Rücken, und wendet sich zu seinen Truppen.

Jetzt nach Braunschweig schnell – Noch einmal

Muß ich die Stadt sehn, wo ich bin geboren.

Ich kränkle und leicht könnt ich sterben, eh

Ich dort anlange, – aber dieser Zorn,

Der stärker ist als ich, bekommt mir wohl,

Und bis an Braunschweigs Tore möchten

Die Flammen Bardewicks noch wohl mein Blut

In Wärme halten –

Vorwärts! Vorwärts! Vorwärts!


Alle ab.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 165-168.
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