Erste Szene

[225] Platz vor dem Dome in Palermo, Ottangelo genannt.

Kaiser Heinrich, Constanze, Diephold, Achmet und viele andere Ritter und Herren, deutsche und sarazenische Krieger, halten auf ihm zu Pferde.


KAISER HEINRICH.

Wie heiter diese Luft!

CONSTANZE für sich.

Und wie so düster

Sein Sinn!

KAISER HEINRICH.

Der Usurpator Tancred tot,

In meiner Macht die Schurken alle, die

Ihn unterstützten – Nirgends Widerstand!

– Wie auch die Scylla, die Charybdis heulten,

Die Wächterhunde von Sizilien,

Nichts half es, kein Verteidger sprang

Hervor, mich abzuwehren. Mein

Das Reich, das täglich aus der eignen Asche

Mit immer größrer Schönheit sich erneut,

Der echte Phönix von Europa! Mein

Das Gold des Königs Richard, schwer genug,

Noch andre Stückchen Erde aufzuwiegen.

CONSTANZE.

Sei nun zufrieden.

KAISER HEINRICH.

Nimmer – Hätt ich auch

Die ganze Welt – Schaut nicht der Himmel dort,

So tief und sehnsuchtsvoll, ein blaues Auge

Der Liebe, auf uns nieder, daß die Busen

Hoch klopfen müssen, auch, zu ihm zu stürmen,

An ihm zu schlagen?

CONSTANZE.

Führt nicht Christi Religion

Den Frommen sanft und ruhig nach dem Tode

Dahin?[225]

KAISER HEINRICH.

Mag sein – Doch besser wärs, wir hätten

Ihn schon im Leben. –

Ha, der Griechenkaiser,

Der mir auf seinem halb verfaulten Thron

Mit leeren Titeln Romas Kaiserrang

Streitig zu machen wagt, soll jetzt es büßen! –

Wie eine Zunge streckt Neapel lechzend

Ins Mittelmeer sich aus, berühret dicht

Die griechschen Küsten – Dummheit, schleckt

Es nicht den Trank und Fraß, der ihm so nahe –

– Schickt nach Byzanz, und meldet dort dem Weichling,

(Auf dessen Stirn der kaiserliche Name

So leicht gedrückt wird, wie der Hufschlag auf

Den Kot), daß bei Bari und Messina

Die Flotten Heinrichs warten, zu erfahren:

Ob er auch meinem Kreuzheer freien Durchzug

Nach Palästina, und mir selbst 'ne Steuer,

Die meiner Macht und seinem Hochmut angemessen,

Gewähren wolle?


Einige des Gefolges ab.


Sind die nötgen Stellen

Der Stadt besetzt?

DIEPHOLD.

An jeder Eck und Straße,

Wo nur der Aufruhr atmen könnte, stehn

Schon deutsche Treue, bei der Kehle ihn

Sofort zu fassen, zu ersticken.

KAISER HEINRICH sich umschauend.

Wahrlich,

Palermo ist 'ne stolze, prächtge Stadt,

Wohl wert, mit etwas Blut sie zu erobern.

Die Straßen breit und lang, und Marmorschlösser

Daran gereiht, wie Perlen an den Faden.

Der Platz hier vor dem Dom, geräumig, groß

Nach allen Toren hin die Aussicht bietend.

– Haltet! Er ist das Herz der Stadt – es laufen

Die Gassen von ihm aus wie ein Gewebe

Von Adern –


Zu Diephold.


Fürst, besetz ihn stark! – Wir halten

Palermos Leben in der Hand, so lang

Er unser ist –


[226] Wieder sich umschauend.


Hohe Häuser, mächtge Fenster,

Der Dom beian – die beste Stelle, ein

Schafott da aufzurichten –

Schlagt es auf! –

– – Weswegen so viel Fenster und Balkone,

So viele Märkt und Straßen, und so wenig Menschen?

CONSTANZE.

Die Furcht hält die Bewohner wohl zurück.

KAISER HEINRICH.

Sie fürchten? Müssen doch wohl schuldbewußt

Und feig sein, – denn sonst pflegt die Menge

Bei jeder Staatsveränderung zu hoffen.

DIEPHOLD.

Der Graf Acerra, welchen meine Leute

Einfingen bei Neapel, und mit ihm

Den Erzbischof Matthäus, harren beide,

Daß deinen Richterspruch sie hören.

KAISER HEINRICH.

Der

Matthäus auch gefangen? Gott sei Dank,

Das ist die Spinne, welche in der Stille

Die Fäden spann, mit denen sie Neapel

Wie eine Fliege dachte zu umfangen –

– Der Tor – Er sah nur seine arme Fliege,

Und dachte nicht der starken Männerhand,

Die sich nur auszustrecken brauchte, sein

Gewebe zu zerreißen. – So die Narren,

Die sich nur selbst, ihr kleines, enges Gut

Nur sehen, und die Wetter nicht bemerken,

Die sich von außen darum türmen.

Führt

Die Buben vor!


Erzbischof Matthäus und Graf Acerra werden gefangen hereingeführt.


O welche falsche, schändliche,

Von Leidenschaft verzerrte Fratzen! Wein

Wird sauer, siehet so ein Schuft ihn an! –


Zu den Beiden.


Willkommen! Wie der Graf Aversa jüngst

Und Ophamilla vor euch standen, steht

Ihr heut vor mir – Du echter Erzbischof

Jedoch der Hölle, nicht des Himmels, – was

Sagst du dazu?[227]

ERZBISCHOF MATTHÄUS.

Verflucht seist du, verflucht

Sei ich, verflucht die ganze Welt, und möchte

Sie untergehn mit mir und so wie ich!

KAISER HEINRICH.

Acerra,

Sagst du dasselbe?

GRAF ACERRA.

Amen, Kronendieb!

KAISER HEINRICH.

Zum Glück ist das, was unverbesserlich erscheint,

Doch auch vertilgbar! – Bischof, Priesterblut

Ist allzu heilig, daß ich es vergösse,

Und diese schöne Stadt damit befleckte –

In Feuer will ich es verklären, und

Vorm Tor, auf dem Schindanger solls verbrennen –

Hinweg mit ihm, und macht den Balg zu Asche! –

– Acerra, du liebst ja die edlen Rosse, –

So fesselt ihn lebendig an den Schweif

Des edelsten und wildesten der Hengste,

Und jaget mit ihm durch Palermos Straßen,

Daß er darin mit blutgen Zeilen schreibe,

Wie ich Rebellen strafe!

– Sarazenen,

Sprengt nebenan, und wenn sich etwa Pöbel

Wehklagend, Aufruhr drohend, sammelt, treibt

Wie Staub ihn auseinander! –

Wo der Bohemund?

DIEPHOLD.

Wie du befahlst, gefesselt und geblendet,

Liegt er auf seinem schönen Gute bei

Tarent.

KAISER HEINRICH.

Für ihn die rechte Strafe. Liegen

Auf seinen Schätzen soll der Schwelger, aber

Sie doch nicht sehen, nicht berühren dürfen.

Ein beßres Los erwarte keiner der

Normannen.

– Was ist das?

EIN DEUTSCHER HAUPTMANN auftretend.

Lärm im Hafen!

Die Flotten Genuas und Pisas, welche

Uns dieses Land erobern halfen, rüsten

Einander gegenüber – Wurfgeschütze

Erfüllen die Verdecke – wilde Augen

Drohn neben ihnen, wie entbranntes Eisen –[228]

KAISER HEINRICH.

Und, Freund, warum?

DER HAUPTMANN.

Die Genuesen rufen,

Du hättest ihnen, als du sie ersucht,

Mit ihren Schiffen zur Bezwingung

Neapels und Siziliens dir Hülfe

Zu leisten, alle Häfen dieser Lande

Zum ewigen Besitz versprochen, und darunter

Palermo. Aber die Pisaner schreien, nicht

Den Genuesen, den Pisanern sei's versprochen.

– Du lächelst?

KAISER HEINRICH.

Ists mir doch, als stritten beide

Um Kaisers Bart! – Palermo ist besetzt

Von meinen Truppen. Eh den Kopf mir weg

Als diese Stadt.

DER HAUPTMANN.

Doch dein Versprechen –?

KAISER HEINRICH.

Hab

Ich dumm versprochen, kann ich dadurch nur

Es bessern, daß ich so gescheut bin, um

Es schlecht zu halten!


Genueser und Pisaner stürzen in die Szene.


EIN GENUESE.

Recht, o Kaiser, Recht!

EIN PISANER.

Recht, Kaiser, Recht!

KAISER HEINRICH.

Was ist?

DER GENUESE.

Hast du Palermo

Nicht uns versprochen, wenn wir treu dir dienten,

Und waren wir für dich zu Land und See

Nicht eifrig?

DER PISANER.

Waren wir das minder?

Und hast du uns nicht diese Stadt gelobt?

KAISER HEINRICH.

Zuerst versöhnt euch, wie es Kriegsgenossen

Geziemt, – und dann mein Wort: aufrührerisch

Und wider Kriegszucht ist der Kampf, den ihr

Da führet zwischen euch.

DER PISANER.

Die Genuesen

Begannen ihn.

DER GENUESE.

Und ihr habt uns, statt redlich

Zu streiten, im Gewühle des Gefechtes nur

Beraubt.

DER PISANER.

Beraubt! – Euch war auch viel zu rauben![229]

Hier dieser Schild und der Pechkessel – zehn

Flachsbrechen, und der Korb mit ein paar Zwiebeln

Und Galgant, ist ja alles, was wir fanden,

Als wir eur Admiralschiff stürmten.

DER GENUESE.

Diebe!

– Auf! Genua!

DER PISANER.

Auf! Pisa!

KAISER HEINRICH.

Deutsche auf

Und Sarazenen – Nieder jedermann,

Der sich zu rühren wagt mit seiner Waffe!

– Wo eure Podestas?

DER GENUESE.

Der unsre fiel

Ja im Gefechte vor Messina.

DER PISANER.

Und

Der unsre konnte, wie du weißt, nicht mit

In diesen Feldzug ziehn.

KAISER HEINRICH.

Urkunden zeigt,

Worin ich einem von euch diese Stadt

Gelobt.

DER GENUESE.

Sie liegen im Archiv zu Genua –

DER PISANER.

Zu Pisa –

KAISER HEINRICH.

Und ihr glaubt, ich könnte ohne

Die Oberhäupter eurer Städte, ohne

Selbsteigne Ansicht eurer Dokumente,

Mit euch hier unterhandeln? – Tapfer, brav

Habt ihr für mich gestritten, und eur Lohn

Sei eurer Dienste wert. Doch meinet ihr,

Ich könnte unter allen den Geschäften,

Die wie Gewölke des Aprils mein Haupt

Umfluten, auch die Kleinigkeit behalten,

Ob ich


Zu dem Pisaner.


an euch Palermo schenkte,


Zu dem Genuesen.


oder

An euch? – Denkt ihr, ich wäre Gott, allwissend?

– Die Sache soll nach Recht entschieden werden,

Sobald ihr sie der Form gemäß mir vortragt.

– So lange geht! –


Die Genueser und Pisaner ab, aus dem Dome schallen Orgelklänge.


– Ein Strom Musik[230]

Braust aus der Kathedrale auf uns ein.

Wie eine ausgerißne Blume auf

Den Wassern schaukelt sich das Herz

Auf diesen mächtgen Orgeltönen. Was

Geschah?

CONSTANZE.

Weihnachten ist. Christ ward geboren,

Und brachte der mit Schuld beladnen Welt

Vergebung von dem Vater – Engel fielen,

Wie Blütenregen aus des Waldes Dunkel,

Vom Himmel nieder, – arme Hirten sangen,

Und Kön'ge beteten zum Stern, der über

Der Krippe leuchtete zu Bethlehem –

Die Welt war glücklich, neugeboren – Ahme

Dem Heiland nach.

KAISER HEINRICH.

Gemahlin, Gott nachahmen

Ist leicht gesagt, doch schwer getan. Er, der

Allwissende, Allmächtige, kann gut

Verzeihn, – wer kann ihm schaden? Aber

Bei schwachen Menschen ist es anders, – wir

Bedürfen der Verräter, der Spione,

Der Henker und des Schwertes, uns zu schützen.

– – Heut Weihnacht! Wer vermöchte das zu ahnen,

Wenn er wie ich aus Deutschland eben kommt?

Da sieht es heute anders aus – Die Berge

Vom Laub entblößt, beschneiet, kahle Glatzen –

Eis allethalb, und an der Blumen Stelle

Nur Kerzen – Hier die Aloen entfaltet,

Weithin in grünenden Alleen, wie Kelche

Der Wonne, übergroß, selbst wenn Titanen

Draus schlürften, – dort die Berge, schwarzumblättert,

Wie lockge Negerhäupter schauend in

Die Gassen!

CONSTANZE.

Feierst du das Fest nicht?

KAISER HEINRICH.

Ja,

Ich feire es, und da es gut, wenn man

Ans Heilige das Irdsche knüpft, so soll

Zugleich mit diesem Fest gefeiert werden,

Daß ich, der wahre, der rechtmäßge Oberherr,

Neapel und Sizilien, so rasch

Und glücklich durch die Fügung Gottes wieder

Errungen habe.


[231] Eine alte Sizilianerin mit ihrem Sohne tritt auf.


DER SOHN.

Mutter, Mutter, – tu's nicht – Bleibe

Zurück – Er läßt dich töten. –

DIE ALTE SIZILIANERIN.

Mag er, mag er!

Ich muß ihn sehen, den Tyrannen, muß

Auf seiner Stirn sein Schicksal lesen, immer

Stehts auf der Stirne.

KAISER HEINRICH.

Was will die Person?

Wer ist sie?

EINER AUS DES KAISERS GEFOLGE.

Eine Zauberin, Prophetin

Val Demonis – Wenigstens gilt sie im Volk

Dafür.

KAISER HEINRICH.

Und das mit Recht. Ein häßlich Weib,

Ist eine Hexe oder nicht viel besser –

Und gelb genug sieht dieses Scheusal aus.

DIE ALTE SIZILIANERIN.

Ha, Bube, Bube, der sich Kaiser nennt,

Mit Blut dies heitre Land besudelt, wie

Ein Knab ein schönes Bild zur Unstalt macht –

Sieh dich nur um – sieh um, sieh um! – Der TOD.

Steht hinter dir, hoch wie Monte Gibello!

Nur ein paar Tage, und bist sein! – Noch blickst

Du wild und feurig, deine Wangen glühn noch,

Und deine Zähne schimmern, – Narr, der Blick,

Die Zähn und Wangen sind nur Sargbeschläge, –

Du bist ein Sarg, Mensch, und die Leiche

Liegt in dir schon!

KAISER HEINRICH.

Nach römischen Gesetzen,

Die ich als römscher Kaiser ehre, brennt

Man Hexen auf im Feuer. – Mit ihr fort

Zum Holzstoß, würdige Nachfolgerin

Bischofs Matthäi!

DIE ALTE SIZILIANERIN.

Du stirbst in zwei Tagen,

Und keiner deiner Pläne wird erfüllt.

KAISER HEINRICH.

So trifft mich denn das Los des Irdischen.

DER SOHN.

O Mutter, Mutter, Mutter! Warnte ich

Dich nicht? Wie wird der Vater jammern, wie

Die Schwester? – Kaiser, Gnade für die alte,[232]

Die arme, mitleidswerte Frau!

KAISER HEINRICH.

Sie stirbt

In dieser Stunde – Wenn sie prophezeit, muß

Ich ja zum Dank es auch tun – Und ich tue

Noch mehr, denn ich erfülle, was ich wahrgesagt.

DER SOHN.

O Gnade! Gnade!

KAISER HEINRICH.

Weg den Jungen, – sein

Geheul belästigt mich.


Die alte Sizilianerin und ihr Sohn werden fortgeführt.


CONSTANZE.

Wäre ich doch Bäurin,

Statt Kaiserin – Und doch muß ich ihm folgen,

Wie jener Sonne diese Erde, – er ist zu

Gewaltig.

KAISER HEINRICH.

– Irr ich, oder wehte da nicht Seeluft?

ACHMET.

Du irrest nicht, ich spüre sie schon lange.

Das Meertor dort weht mit entfalteten

Gewaltgen Flügeln sie bis in die Mitte

Der Stadt.

KAISER HEINRICH.

Nun in den Dom, und dann

In Ätnas Waldungen 'ne Falkenjagd.


Er will vor die Domtür sprengen, auf einmal stutzt sein Pferd, und er sieht in die Höhe, voll Erstaunen.


Was da?

ACHMET.

Das ist das Riesenhaupt des Ätna, –

Hoch aus dem Äther blickt er auf die Insel,

Umwallt von seiner ewgen Wolke Rauchs.

KAISER HEINRICH schaut an dem Ätna hinauf.

Wie klein sind wir – Nichts Größres doch als die

Natur – Auf jenem Berge muß ich stehen,

Daß er mich trage an des Himmels Höhen!


Alle reiten vor den Dom, steigen ab, und treten, die Sarazenen ausgenommen, hinein.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 225-233.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon