Zweite Szene

[458] Rom. Saal im Hause des Gouverneurs, mit der Perspektive auf mehrere andere festlich erleuchtete Säle, in denen große Gesellschaft und Tanz ist. Musik.

Signor Rubio und Signor Negro kommen.


SIGNOR RUBIO. Wie man zu sagen pflegt, gibt sich der Gouverneur viel Mühe, seiner Tochter Hochzeit glänzend zu machen.[458]

SIGNOR NEGRO. Er ist ein Narr, wie die Spanier alle. Nichts, gar nichts ist mit ihm zu beginnen. Drück ich seine Hand, so drück ich seine Ehre. Ehre! Ehre! ist das erste, zweite, dritte und letzte Wort bei ihm. Er hat sie nötig, wir Römer haben von ihr Vorrat genug geerbt.

SIGNOR RUBIO. Ja, wir sind Römer und Christen dazu, wie man zu sagen pflegt.

SIGNOR NEGRO. Hört, die Ballmusik, wie bestialisch, wie spanisch! – Wie schleppend! wie matt! – Kein Leben, kein Feuer, nichts Göttliches, keine Figur, keine Melodie! – Zwei Gläser Punsch!

SIGNOR RUBIO. Verschont mich, Signor, – ich bin, wie man zu sagen pflegt, schon etwas benebelt.

SIGNOR NEGRO. Benebelt? Ihr? Hilf Himmel! Seid Ihr nicht Polizeidirektor? Wer soll hier am Ende Ordnung halten, wenn Ihr trunken seid?

SIGNOR RUBIO. Ach – Ordnung! Ist die Ordnung einmal da, so wird sie sich von selbst halten. Schlechte Ordnung sonst. Ihr kennt meine Polizei noch nicht. – Selbst in der Betrunkenheit bleibt sie möglichst nüchtern – Seht, auf einem Beine kann ich nicht mehr stehn.

SIGNOR NEGRO. Jesus Christus, Herr Polizeidirektor, nehmt Vernunft an, macht keine Kunststücke, und freut Euch, wenn Ihr Euch auf beiden Beinen erhalten könnt.

SIGNOR RUBIO. Was? soll ich doppelt umfallen? Jeder Fuß ist betrunken, und steh ich auf zwei Füßen, so fiele ich auch zweimal um. Man wird sich hüten!

SIGNOR NEGRO. Trinkt Tee – eßt Eis –

SIGNOR RUBIO. Noch ist die Braut nicht da, und der Ball hat erst eben angefangen – Herr, was soll aus uns werden, wenn der Ball zu Ende ist? – Ei, wie sie tanzen – um, um, – rundum – didelum – sie strecken die Beine zu gleicher Zeit nach Morgen und Abend, – 's macht wirblig – Und wie sie sich drehen, – dreht euch zum Henker, mir wirds zu kraus.


Er wirft sich in einen Sessel.


SIGNOR NEGRO. Der Saufaus! Er schläft! Und ist Polizeidirektor! – O wär ich Er! – He, Diener, tragt ihn ins Bett!

SIGNOR RUBIO. Ins Bett? Warum? Noch bin ich ganz nüchtern, wie man zu sagen pflegt.


Er wird weggetragen.
[459]

SIGNOR NEGRO nachdem er in die Tanzsäle gesehen.

– Wo bleibt die Braut? Nicht richtig ist es hier!


Don Juan und Leporello treten ein.


Wer sind denn die? Der große ist der Herr,

Der ausgedörrte, magere, der Knecht –

Und wieder Spanier –


Den Don Juan betrachtend.


Am wilden Blick,

Und an der Nas, krumm wie ein Adlerschnabel,

Spür ich den Don!

DON JUAN zu Leporello.

Erst Wein, dann Tanz, dann Mord!

LEPORELLO.

So sei 's! Das wird ein wüster Abend!

DON JUAN.

Sind

Die Braut, Octavio, schon da?

LEPORELLO.

Noch nicht

DON JUAN.

Nun, Wein!

LEPORELLO holt aus dem nebenan befindlichen Büfett mehrere Flaschen.

Rheinwein, Burgunder und Champagner!

DON JUAN.

Hinweg damit – da kommt die Donna!


Der Gouverneur, Donna Anna und Don Octavio treten ein.


DER GOUVERNEUR.

Am Altar

Seid ihr durch Priesterhand vereint – So bleibt

Euch treu bis in den Tod!

DON JUAN für sich.

'Ne kurze Treue!

Denn für den baldgen Tod will ich schon sorgen.

DER GOUVERNEUR.

Fahr wohl, o Tochter, lebe glücklich! Du

Bist jetzt nicht mehr die meine.

DONNA ANNA.

Vater, Vater,

Du weinst?

DER GOUVERNEUR.

Wer weinte nicht, wenn er sein Kind

Beglückt sieht? – – Doch auch du bist finster?

DONNA ANNA.

Macht

Denn großes Glück nicht immer finster? –


Für sich.


Ach

Ich Heuchlerin!

DON OCTAVIO.

Zu groß ist stumme Freude –

Laßt sie uns dämpfen mit Musik und Tanz!

DONNA ANNA erblickt zusammenschreckend den Don Juan.

Ja, Tanz! Musik! Mein Herr und mein Gemahl,[460]

Mit Euch eröffne ich den neuen Reigen.

DON OCTAVIO.

Du Teure! komm!

DON JUAN für sich.

Er tanzt wie ein Tanzmeister,

Und nicht als der Gemahl des schönsten Mädchens! –

SIGNOR NEGRO zum Gouverneur.

– Mein Herr, ich gratulier Euch, Eure Tochter

Ist eine Göttin, Don Octavio ein Gott!

DER GOUVERNEUR.

Ich dank in beider Namen.

SIGNOR NEGRO.

Nie erblickte

Die Sonne etwas Ähnliches.

DER GOUVERNEUR.

Ihr schmeichelt.

SIGNOR NEGRO.

Wer sieht das Paar dort tanzen, und kann schmeicheln?

Hinter der Wahrheit bleibt er, macht er auch

Die größten Worte!

DER GOUVERNEUR.

Kommt mit in den Saal.


Der Gouverneur und Signor Negro gehen nach den Tanzsälen.


DON JUAN.

Sie hat mich bemerkt:

Sie zittert, und sie tanzt vor Schrecken. Wo

Ich schrecke, da erobr ich Liebe – – Wie

Ein Engel schwebt sie auf der Woge der

Musik, ein Blitz der Schönheit zuckt sie durch

Die Tanzreihn, bald vertauchend, bald verschwindend,

Und meines Herzens Schläge sind die Donner,

Die sie begleiten! –

LEPORELLO.

Ists Euch nun gelegen,

Daß ich mit Don Octavio anbinde?

DON JUAN.

Noch nicht! Erst mach ich ein paar Tänze mit,

Doch gleich nachher!

LEPORELLO.

Wie Ihr wünscht. – Wir können

Losbrechen, wann Ihr wollt – denn Pferd' und Wagen

Und Helfershelfer stehn bereit.

DON JUAN.

Gut das! –


Geht fort und mischt sich unter die Tanzenden Leporello tritt beiseite.

Der Ritter und Faust, letzterer verjüngten Gesichtes und in prächtiger Kleidung, treten auf.


DER RITTER.

Nicht Einer wird dich jetzt als Faust erkennen.

Du warst von je ein kräftger Mann – doch jetzt –[461]

Ganz unvergleichlich, – infernalische

Schwermut umzuckt dir Antlitz und Gestalt –

Da stehst du, wie die Tann, in der

Es lodert, und um die es brennt – Glaubs sicher,

Mit solchem Feuer von Empfindsamkeit

Und Wissenschaft, von Winters Ofenglut

Und Sommers Hitze, wirst du jedes Weib

Zu deinen Füßen sehn, besonders da

Du wie Apollo in den Muskeln blühst

Und glühest! – Schau, sie blicken schon nach dir –

Nur Donna Anna nicht – bei der hälts schwer –

Sie ist die echte Tochter des Don Gusman! –

FAUST der kaum auf die Worte des Ritters gehört hat, im Anschaun des Tanzes.

Ein Hochzeitsball! Wie festlich glänzt der Saal,

Und wie den Lenz die Blüten, füllen ihn

Die Damen!

DER RITTER.

Ja, mein Doktor, abends auf

Den Bällen, auf Hochzeits- und Siegesfesten,

Da ist es, wo die Menschheit glänzt – beim Schein

Der Lampen oder der Raketen!

FAUST.

Freude

Wohnt auf den Wangen, und in ihrer Glut

Erwachsen zarte Rosen augenblicklich!

DER RITTER.

Die heißen Rosen auf der Weiber Wangen

Gehören Mir! Das sind der Hölle feinste

Und schlimmste Flammen – Keine Brust so tief,

In die sie nicht zu dringen wüßten!

FAUST.

Schau!

Und da ist Sie! Stell mich ihr vor!

DER RITTER.

Es ist

Just Zeit dazu, – der Tanz scheint zu pausieren.


Er tritt mit Faust in den Ballsaal. Der Gouverneur, Signor Negro und andere stürzen heraus in den Vordergrund.


DER GOUVERNEUR.

Ha, was ist da geschehn?

ERSTER HERR.

Ein Schrecken zuckt

Durch die Versammlung!

ZWEITER HERR.

Und die Herzen kehren

Sich um!

DER GOUVERNEUR zu einem Diener.

Was gibt es in der Stadt? Ist Feuer?[462]

Ist Aufruhr?

DER DIENER.

Herr, die Stadt ist ruhiger

Als je – Nichts Neues ist drin vorgefallen.

DER GOUVERNEUR.

So hat ein blinder Schrecken sich um uns

Verbreitet.

SIGNOR NEGRO.

Schwerlich das, Herr Gouverneur.

Ich schwöre, jenes leichenähnliche Gesicht,

Das eben in den Saal trat, erregte dies

Entsetzen.

DER GOUVERNEUR.

Jener Ritter, der den Grafen

Von Mezzocampi meiner Tochter vorstellt?

SIGNOR NEGRO.

Den Unhold mein ich – Und der wilde Graf,

Der mit dem Angesicht, in dem es brennt und zuckt,

Als wären Flammen alle seine Mienen,

Zur Seit ihm steht, scheint wahrlich auch etwas

Von Höllenschönheit an der Stirn zu tragen! –

DER GOUVERNEUR.

So wäre alles denn ein läppsches Schrecknis! Schaut:

Mit beiden Leuten redet meine Tochter

Besonnener als wir! Was sagt denn auch

Ein böses oder furchtbar wildes Antlitz?

Nicht heuchelt es, wie manches zartre tut!

Ihr Herren, laßt das Fest uns wieder neu

Beginnen.

SIGNOR NEGRO halb für sich.

Hm, ganz richtig ist es doch nicht!

Das war nicht Schreck allein vor furchtbar wilden

Gesichtern – Gott weiß, was mich überfiel,

Als ich den totenköpfigen Kavalier

Und seinen funkensprühenden Gefährten

Erblickte.


Sie gehen alle wieder in die Tanzsäle – Faust und der Ritter kommen daraus zurück.


FAUST.

Nein, unmöglich ists, daß ich,

Der Faust, dem alle Welt zu eng gewesen,

In einem Augenblick im kleinen Raum

Von eines Mädchens Antlitz, im Gelispel

Von ein paar Mädchenlippen mich verliere!

Und doch, so ists![463]

DER RITTER.

Hab ichs nicht prophezeit?

Die Pflanze, die vom Boden sich empor

Will schwingen, muß mit Kot gedüngt erst sein,

Bevor sie frei kann wurzeln und aufschießen.

Der Kot – Ihr nennt ihn Leidenschaft, sei's Geiz,

Sei's Ruhm, sei's Aberglaube, sei es Liebe.

– – – Eh, stehst du endlich in der Region

Des Leben-Südens, wo der Hoffnung, wo

Der Sehnsucht Riesenbäume, mit den Wurzeln

Zum Tartarus hindringend, schnell und furchtbar

Zu Äthers höchsten Höhen sich erheben,

So daß die Sterne nur als goldne Früchte

In den belaubten Ästen schimmern, – wo

Das Wort, das einst die Welt, im Wahn, daß sie

Dadurch geschaffen, an dem Schöpfungstag

Noch halb im Traum geflüstert, voller Wohllaut,

Wie eine Silberglocke, schwebend in

Dem Himmelsdome, durch die Nähe tönt

Und Ferne: erste Liebe?

O auch ich,

(Myriaden Jahre sind seitdem verflossen)

War dieses Wortes voll!

FAUST.

Was? wird der Satan

Sentimental?

DER RITTER.

Leicht möglich, daß er ehdem

Es gewesen. Jetzt lacht er des Spaßes.

Wie könnt er so unsäglich hassen, hätt

Er früher nicht so ungeheur geliebt?

Weich glüht das Eisen, eh' es wird zum Schwert –

Den Glücklichen nur kann ein Unglück treffen –

Der Teufel liegt dem Gotte näher als

Die Milbe.

FAUST.

Don Juan tritt aus dem Tanzreihn,

Und naht mit seinem Diener – Er will schon

Sein blutges Werk beginnen. Höchste Zeit,

Daß wir gefaßt sind, ihm die Beute zu

Entreißen.

DER RITTER.

Du bist der Gewaltgere!

– Was will der Sperber? Gleich dem Adler

Schwebst du in weiten Kreisen ihn umgarnend

Über ihm![464]

FAUST.

Schnell! bau mir mit Flammenkraft

Hoch auf des Montblancs Alpenhorn

Ein Zauberschloß im Schnee und Eise auf,

So glänzend als die Welt noch nie eins sah.

Ein goldner Frühlingsduft soll es umweben,

Und Regenbogen liebend diesen Duft

Umschlingen – Und die Fenster sollen leuchten

Wie Donna Annas Abglanz – Purpur, feurger

Als Unschuldsrot auf jungen Mädchenwangen,

Soll alle Wände schmücken, – Teppiche,

Vor Wollust schwellend unter ihrem Tritt,

Den Boden küssen, – was der Schoß des Meers,

Der Erde Schachten, dir an Perlen bieten

Und an Juwelen, dort solls strahlen!

DER RITTER.

Während

Du sprachst, ist es vollzogen, und das Schloß

Steht da auf dem Montblanc!

FAUST.

Nur

Den Kleidsaum der Geliebten zu umglänzen,

Reiß ich Fixsterne los von ihren Sitzen,

Zu Weibes Dienern sie erniedrigend! –

DON JUAN mit Leporello in den Vorgrund tretend.

– Die Stunde schlägt – der Tanz ist aus – sie kommen

Hier in den Vorsaal – wollen schon zu Bett –

Tritt auf den Fuß ihm, Leporello!


Donna Anna, Don Octavio, Herren und Damen sind mittlerweile gleichfalls in den vorderen Saal gekommen.


LEPORELLO zu Don Juan.

Leicht

Ist das geschehen!


Zu Don Octavio.


Herr, verzeiht – ich trat

Euch auf den Fuß!

DON OCTAVIO.

Ist schon verziehn.

LEPORELLO.

Mein Gott,

Da tret ich Euch schon wieder; bitte sehr,

Entschuldigt!

DON OCTAVIO zu den Dienern, auf Leporello deutend.

Werft den trunknen Knecht hinaus!

LEPORELLO.

Hinaus wollt Ihr mich werfen? Herr, wißt Ihr,

Mit wem Ihr sprecht? Ich bin ein Edelmann,

Bin aus Biscaya, wo der Bauer grad[465]

So adlig ist, als nur ein Grande in

Sevilla!

DON OCTAVIO.

Diener, tut wie ich geboten!

LEPORELLO.

Holla!

Wo ist mein Herr? O Don Juan, helft, steht

Mir bei!

DON JUAN tritt vor.

Ein Schuft, der meinen Diener hier

Beleidigt!

DONNA ANNA.

Wehe, dieser Wetterstrahl

Zuckt auf mein Haupt! – Wo ist mein Vater? – Ruft

Den Gouverneur!

EIN DIENER.

Der Gouverneur ist hinten

Mit Signor Negro beim Bankett!

DONNA ANNA.

Ruft, ruft,

Ruft ihn!


Diener ab.


DON OCTAVIO zu Don Juan.

Schuft selbst, der, ohne die

Veranlassung zu kennen mich so nennt.

LEPORELLO zu Don Juan.

Er will als einen Trunknen mich behandeln.

Ihr kennt mich Herr, ich bitte, sagt die Wahrheit:

Ists möglich, daß ich je betrunken werde?

Die Traube soll noch wachsen, die mich trunken

Kann machen!

DON JUAN.

Wer den Diener mir verletzt,

Verletzt mich! Zieht den Degen!

DONNA ANNA und MEHRERE ANDERE.

Haltet!

DON OCTAVIO zu Don Juan.

Ihr

Begehrt es!

DON JUAN.

Blut für die Beschimpfung!


Gefecht zwischen ihm und Octavio.


Schön!

Da hats getroffen!

DON OCTAVIO an den Boden stürzend.

Wehe mir – da sitzt es – o

Mein Blut – ich sterbe – Anna, denke dessen,

Der hier so frevelhaft zu deinen Füßen

Erwürgt ward!


Er verscheidet.


STIMME DES GOUVERNEURS UND DES SIGNOR NEGRO vom Bankett aus den Hinterstuben herschallend.

Tausend Jahre sollen leben[466]

Die Donna Anna und der Don Octavio!


Gläserklang und Tusch.


DON JUAN.

Vivant! Doch leider ist der Bräutigam schon tot,

Und mein ist seine Braut!

LEPORELLO.

Kommt, mein Fräulein!

FAUST tritt hinter Don Juan und klopft ihm auf die Achsel.

Du irrst dich, Freund, sie ist die meinige!

DONNA ANNA.

Nicht dir noch ihm gehör ich –


Auf Octavios Leiche deutend.


Dieser bleibt

Mein Herr!

VIELE ANWESENDE auf Don Juan und Faust losdrängend.

Die Mörder greift! die Mädchenräuber!

FAUST.

Ihr Herren, rührt euch nicht! – Ich bin der Faust, –

Die Hölle dient mir, ich kann euch zertrümmern

Und was ich kann, das will ich auch zuweilen!

– Fort mit der Braut!

DONNA ANNA.

O Hülfe! Hülfe! Rettung!

DER RITTER schnell dem Don Juan ins Ohr.

Ich seh Ihr seid erstarrt vor Zauberei –

– Doch denket dieses Worts, vergeßt es nicht:


Auf den Montblanc führt er die Donna Anna!

Für sich.


Und wenn ihm auch der Teufel dienen muß,

So kann er hinterrücks ihn doch verraten!


Faust und der Ritter mit Donna Anna ab.

Der Gouverneur, Signor Negro und andere Herren stürzen herein.


DER GOUVERNEUR.

Die Stimme meines Kindes schlug mein Ohr –

– Sprecht, wo ist meine Tochter?

DON JUAN.

Was ich log,

Das wird jetzt Wahrheit. – Faust hat sie entführt.

DER GOUVERNEUR.

Mein Kind ist fort – Was seh ich? – Eine Lücke

Gähnt für mich durch die Welt! –

Dem Zaubrer nach!

LEPORELLO.

Könnt Ihr die Luft durchschiffen, alter Herr?

SIGNOR NEGRO.

Und Don Octavio liegt blutend auf[467]

Der Erde!

DER GOUVERNEUR.

Weshalb ward ich achtzig Jahre alt?

Um dies zu schaun?

DON JUAN.

Leicht möglich!

DER GOUVERNEUR.

Ach,

Mein einzges Kind in eines Zaubrers Arme!

DON JUAN.

Nur ohne Sorg – daraus befrei ich sie!

DER GOUVERNEUR.

Wer wars, der diesen totschlug?

DON JUAN.

Ich! Im Zweikampf!

DER GOUVERNEUR.

Du?

DON JUAN.

Meinen Diener hatte er verletzt,

Und darum straft ich ihn, und rühm der Tat mich!

MEHRERE ANWESENDE.

Herr Gouverneur – glaubts nicht – der Bösewicht

Wollt gleichfalls Eure Tochter rauben, und

Der Streit des Knechts war abgemachter Handel –

SIGNOR NEGRO.

Ich will verwünscht sein, wenn ichs nicht gleich ahnte –

Die Polizei – O wär sie nun nur noch bei Sinnen!

Der Signor Rubio!

VIELE ANWESENDE.

Zieht Stilette! Zieht Stilette!

Octavio gerächt, und Don Juan getötet!

LEPORELLO.

Herr, Herr, laßt uns entfliehen!

DON JUAN.

Fliehen? weil

Ich siegte, ordnungsmäßig im Duell?

– Den Gouverneur kenn ich und seine Ehre –

In seinen Schutz tret ich vor diesem Haufen!

– Revanche geb ich jedem, der sie fodert. –

Doch nicht mit Häschern, Sbirren und Stiletten,

Mit seinem Schwert rächt sich der Edelmann!

DER GOUVERNEUR.

Er redet wahr und als ein Spanier –


Zu dem andringenden Haufen.


Zurück, ich nehm ihn auf in meinen Schutz!

– – O Gott, ganz Spanien gäb ich hin, wenn ich

Die Hand nur meiner Tochter wieder sähe! –

– Tief, tief bin ich gesunken! Selbst das Bild

Des Königs, welches mir so lange stolz

Als Pol-Stern vor dem Aug geschimmert,

Verdunkelt sich in dem Gedanken an

Der Anna Jammer! – Doch den Faust

Empfehl ich Gott, die Anna ihrer Tugend,[468]

Und Don Juan dich fodr ich vor mein Schwert!

LEPORELLO für sich.

Der Gouverneur hat seine letzte Glocke

Gehört!

DON JUAN.

Ich steh zu Diensten! – Leporello,

Sorg für das Nötige zu Kampf und Flucht.


Für sich.


Zwei Palmen waren es, die schützend um

Die Quelle in der Wüste standen – Don

Octavio und der Gouverneur – da liegt

Die eine, und die andere wird sofort

Gefällt – dann stürz ich (Faust der Gaukler wehrt

Mir nicht, – denn wär auch sein der Höllenthron,

Nicht hauset er in ihrem Busen) los

Auf sie, erringe sie, selbst vom Montblanc,

Und liebe sie, und –

LEPORELLO.

Und?

DON JUAN.

Herr Gouverneur,

Ich bin bereit!

DER GOUVERNEUR.

So kommt! – Wie viele Diener

Habt Ihr bei Euch?

DON JUAN.

Nur diesen einzigen.

DER GOUVERNEUR.

So nehm ich auch nur einen mit!


Er winkt einem Diener.


Gasparo,

Du folgst mir nach!

GASPARO.

In Tod und Leben, Herr!

DER GOUVERNEUR zeigt auf Octavios Leichnam.

Schafft fort die Leiche! –


Zu Don Juan.


Auf also zum Streite!


Der Gouverneur mit Don Juan, Gasparo und Leporello ab.


SIGNOR NEGRO.

Das sind nun echte spanische Manieren!

Statt durch die Hülfe der Gerechtigkeit

Den Mord zu strafen, oder mit dem Dolch

Den Mörder sicher treffen wollen, – Totschlag

Um Totschlag! – Könnt ich nur den Rubio

Erwecken! – Eine blutge Hochzeit!

DIE ANWESENDEN.

Schauerlich!


Alle fort.
[469]

Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 458-470.
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