[500] Rom. Prächtiger Saal im Hause des Don Juan. Mondschein und Sternlicht strahlt durch die Fenster.
Der Ritter erscheint.
DER RITTER.
Hier in dem Prachtsaal Don Juans schlag ich
Den Sitz der Hölle auf – Wo ich bin, thronet sie! –
– Nun beide mein: der Faust durch eignen Willen,
Der Don Juan durch fromme Geisterhände!
– Ha! endlich kann ich triumphieren –
O darum bin ich gekrochen – Kriechen
Und kriechen, immer kriechen – doch bloß deshalb,
Um desto furchtbarer vom Bodenschlamm
Mich wieder zu erheben – Jetzt erheb
Ich mich – Und sieh, die Stern erblassen, und
Die Nacht bricht ein, wie dunkle Meereswogen!
Es wird dunkel und Wolken ziehen auf.
– Weg mit Verkleidung!
Er reißt sich das schwarze Gewand und die Maske ab und steht rot gekleidet mit zornflammendem Antlitz da.
Wieder trag ich
Die Farbe meiner Elemente!
Furchtbarer Blitz und Donner.
Ah, erkennt
Ihr mich? Mit Jubel mich begrüßend, stürzt
Der Blitz zu meinen Füßen!
Seid gedankt! –
– Nichts ist das Recht, – Spaß ist die Hölle, – wenn
Am Ziel der Sieg nur blinkt! – Wer da siegt, hat recht! – –
– – Stunde, nach der ich strebe, wo ich Ihn,
Des angemaßten Namen ich nicht nenne,
Im Schutte seiner Herrlichkeit begrabe,
Statt seines Lichts, der Flamme Zunge leuchten
Und fressen lasse – muß ich dein gedenken?
Jedoch du kommst – ich fühls – ich werd dich schaun –
Ich bin unsterblich und bin unermüdlich! – – –
– – Der Don Juan mit seinem Diener kommt heran.
Unsichtbar weil' ich hier, bis daß für Faust,[500]
Und dann für ihn die Stunde schlagen wird!
Tritt in den Hintergrund und geht da auf und ab.
Don Juan und Leporello kommen.
DON JUAN.
Mir summt ein Spruch im Ohr, wie Wasser
Durchs Mühlrad:
»Nur frischen Sinns durchs Leben hin,
Vor nichts gebeugt den stolzen Sinn,
Mit Freude jede Maid geküßt,
Mit Hochmut jeden Narrn gegrüßt,
So wirst du glücklich, wirst du groß,
Und schaffest dir dein eignes Los!«
LEPORELLO.
Ach, merkt Ihr nicht, daß ein Gewitter aufgeht?
DON JUAN.
Was kümmern mich Gewitter?
LEPORELLO.
Wie unheimlich
Und schwül ists hier im Saal – Ists nicht, als wär
'Ne Donnerwolke drin versperrt –
DON JUAN.
Schaff Licht,
Und mach die Fenster auf!
LEPORELLO in den Hintergrund auf die Gegend deutend, wo der Ritter auf- und abgeht.
Bemerkt
Ihr nicht, wie dort die roten Funken zucken?
DON JUAN.
Licht, sag ich, Licht!
LEPORELLO.
Gleich, Herr, – gleich!
Ab.
DON JUAN.
Es ist wahr –
Schwül ists im Zimmer! Geisterhaft ists schwül!
– Doch mit Geruch des Bratens werd ich das
Verscheuchen. – Nichts Reellres in der Welt, als der
Geruch – Er zaubert uns im Augenblick
Ins Reich der Wirklichkeit – Riechst du in Eden
Den Duft von Speisen oder Grabesdunst –
Du bist aus Eden fort und glaubst dich
Zu einem Schmause oder in 'ne Gruft
Versetzt. –
Leporello kommt zurück mit Armleuchtern, auf denen die Kerzen brennen.
LEPORELLO.
Herr, auf der Treppe ist ein Lärm.
DON JUAN.
Die Gäste sinds gewiß, die ich geladen.
LEPORELLO.
Nein, nein, es ist kein bürgerlicher, es ist
Ein Polizeischritt!
DON JUAN.
Und woran kennst du den?[501]
LEPORELLO.
An würdevoller Grobheit.
DON JUAN.
Würd mit Grobheit
Ist Unsinn. – Laß herein die Polizei!
LEPORELLO.
Herr, wißt Ihr was Ihr tut?
DON JUAN.
Laß sie herein!
Signor Rubio und Signor Negro mit Polizeidienern treten ein.
SIGNOR NEGRO.
– Wie wird mir? Hier drückts grad so schwül aufs Herz
Wie auf dem Todeshall des Gouverneurs.
Ists Blut – , ists Feuer – Dunst? –
DON JUAN.
Was wollt ihr, Leute?
SIGNOR NEGRO.
Sprecht nicht von Leuten, Herr. Der da ist Rubio,
Der Polizeidirektor, ich bin Signor Negro.
DON JUAN.
Also nicht Leut und Menschen – Ihr ein Signor,
Der ein Direktor. Mein Direktor, was
Begehrt Ihr?
SIGNOR RUBIO.
Euch verhaft ich, Herr, wie man
Zu sagen pflegt, weil Ihr den Gouverneur
Und den Octavio ermordetet, wie man
Zu sagen pflegt.
DON JUAN.
Dir, Signor Negro, dank ich das!
Du drolliger Patron, der stolz ohn Kraft
Und Mut ist, und daher anstatt das Schlimme
Selbst auszuführen, nur ihm gierig nachspürt,
Anstatt den Dolch in eigner Hand zu schwingen,
Angeber wird, und mit Gericht und mit
Schafotten sucht zu quälen und zu würgen!
– Auf, Leporello, wirf den Signor da
Hinunter – tu's nur dreist – du kannst ihn zwingen –
LEPORELLO.
Mir spitzen sich die Finger. – Kann ich ihn auch zwingen?
DON JUAN.
Ohn allen Zweifel.
LEPORELLO zu Signor Negro.
Herr, was ich kann zwingen,
Das drück ich unter! unter!
DON JUAN.
Recht – Was hätte sonst
Das »zwingen können« auch für einen Nutzen?
SIGNOR NEGRO.
O Polizeidirektor! Signor Rubio!
SIGNOR RUBIO.
Helft
Ihm, Leute!
[502] Leporello wirft den Signor Negro aus der Tür und verfolgt ihn.
DON JUAN Signor Rubio und dessen Leute zurückhaltend.
Mein Direktor, an dem Negro üb
Ich Hausrecht. Nicht befugt ist er, frech wie
Ers tat, um Mordverdacht hier einzudringen.
Euch aber, als Beamten, alle Ehre.
– Ich bitt, laßt Eure Diener nur in Ruhe!
SIGNOR RUBIO.
Herr, Ihr erlaubt Euch –
DON JUAN.
Alles, was ich kann.
SIGNOR RUBIO.
Ihr seid –
DON JUAN.
Der, der ich bin!
SIGNOR RUBIO.
Ihr habt –
DON JUAN.
Getan,
Was mir gefiel!
SIGNOR RUBIO.
Ei, laßt mich doch zu Wort
Erst kommen!
DON JUAN.
Gleich! – Doch erst sagt an, wer seid
Denn Ihr?
SIGNOR RUBIO.
Habts ja längst gehört! Ich bin,
Wie man zu sagen pflege, die Polizei.
DON JUAN.
Habt Ihr 'nen Paß? habt Ihr Atteste?
SIGNOR RUBIO.
Wie? raset Ihr? Die Polizei soll Pässe,
Atteste haben?
DON JUAN.
Sie brachts schon so weit,
Daß man ihr selbst nicht ohne Paß traut.
SIGNOR RUBIO.
Wollt
Ihr mit mir spielen?
DON JUAN.
Nein, Ihr seid ein Blatt,
Auf das ich keinen Heller setzen möchte.
Wie alt seid Ihr?
SIGNOR RUBIO.
So sechsundfünfzig Jahr.
DON JUAN.
Wie heißt Ihr?
SIGNOR RUBIO.
Signor Rubio, wie man
Zu sagen pflegt.
DON JUAN.
Derselbe Rubio,
Der auf Octavios Hochzeitsfest
Betrunken war?
SIGNOR RUBIO.
Was habt Ihr mich zu fragen?
DON JUAN.
Warum habt Ihr mir geantwortet?
SIGNOR RUBIO.
Weil es[503]
So klappte!
DON JUAN.
Seht, das Klappen! – Unversehn
Ist leicht geschehn! – Jetzt merkt wohl! Es gibt
'Ne hohe Polizei und eine niedere –
Die hohe ist die klügste – denn die niedere
Beachtet das nur, was Vergehen ist,
Die hohe achtet nur auf das, was nützt.
Wahr ists, daß unter andern Mädchen ich
Der Donna Anna nachgestellt und nachstell,
Daß ich deshalb den Gouverneur, den Don
Octavio erschlagen habe – Wahr
Ists aber auch, daß ich ein span'scher Grande,
Der Neffe Gonzalos, des Kardinals,
Günstling des Papstes, bin. Herr, sprecht: was sagt
Ihr nun?
SIGNOR RUBIO.
Mein Gott, ein Grande! Neffe vom
Allmächtgen Gonzalo! – Don, verzeiht, ich irrte
In der Person mich!
Der verfluchte Negro,
Wie man zu sagen pflegt! – Nun gilts wahrhaftig
Nicht Polizei – nun gilt es Politik! –
– Sprach ich von Morde, Herr! Was will das sagen,
Wie man zu sagen pflegt? – So kleines Mördchen,
Und unter guten Freunden, wie sich das
Von selbst versteht, kann allzu leicht passieren –
Was ists denn weiter? Tot der eine, und
Der andere bleibt lebendig! Alles ganz
Natürlich; beim gemeinen Volk indes
Muß man auch das Gewöhnliche bestrafen,
Es kommt zu oft sonst vor, und wird deshalb
Leicht Recht. Sie morden nicht aus Ehr und Ruhm,
Sondern aus Haß.
DON JUAN.
Wir wären miteinander
Jetzt fertig. Packt Euch fort aus meinem Zimmer!
Verzeihet, ganz gewöhnlich und natürlich! –
Da, diesen Faustschlag nehmt mit auf den Rücken!
O alles ganz natürlich! – Wagt Euch nicht
Zurück mit Euren Lumpenhunden! – Ganz gewöhnlich,
Wie man zu sagen pflegt!
SIGNOR RUBIO.
Empfehl mich!
VON JUAN.
Hast[504]
Sehr nötig, daß du dich empfiehlst.
Signor Rubio nebst seinem Gefolge wird von Don Juan fortgetrieben. Leporello kommt zurück.
DON JUAN.
Ist der
Herr Negro tüchtig expediert?
LEPORELLO.
Kopfs über,
Kopfs unter!
DON JUAN.
Wohl, so bring das Essen!
LEPORELLO.
Herr,
Herr! – Schwarz, pechschwarz wie Mohren-Fäuste,
Die enger stets und fester sich bis zu
Der Sonn aufballen, in die Welt hineindräund,
Erheben sich Gewitterwolken!
DON JUAN.
Mags sich heben,
Und mögen Blitze zischen nach Vergnügen.
Ich will jetzt speisen, will jetzt trinken!
LEPORELLO.
Horcht!
Welch Windesbrausen!
DON JUAN.
Furchtbar tönts, doch schön!
LEPORELLO.
Es klopft! – Es ist doch nicht? –
DON JUAN.
Nur näher! – Wer
Da draußen?
Faust, bleich, entstellten Gesichts, tritt ein: der im Hintergrunde verweilende Ritter will auf ihn losstürzen.
FAUST zu dem Ritter.
Du! Zurück! Wart bis es Zeit ist! –
Mit jenem da, muß ich erst reden! –
DON JUAN.
Mit wem spricht man hier außer mir?
– – Ha, Faust! – Wie sieht er aus – Man sollte
grausen!
Zerschlagner Welten Trümmer schimmern so
Im Licht des Abends, wenn es sich vor Schmerz
Darüber bricht! –
FAUST.
Weh mir, von Stund zu Stunde
Wächst meine Liebe! wächst mein Schmerz!
Zu Don Juan.
– Mann,
Hast du sie auch geliebt?
DON JUAN.
Meinst du die Anna?
FAUST.
Die Anna!
DON JUAN.
Fragst du? Ist sie denn nicht schön?[505]
FAUST.
Tot ist sie, tot! Hörs und verzweifle du
Mit mir!
DON JUAN.
Verzweifeln? Da wo Weh und Jammer,
Des Unglücks und des Herzbluts hohe Wogen
Auf uns einstürmen, – gilts die Flagge auf –
Zuziehn, die an des Lebens Masten flattert,
Gilt es für ihre Ehr, für ihren Ruhm
Zu streiten bis zum Abgrund des Verderbens!
– Ja, mich erschüttert Donna Annas Tod!
Die tiefste Brust bewegt er! – Doch ich spann
Die Segel wieder, fahr mit neuem Winde!
– Gibts nicht der schönen Mädchen tausend andre?
Wie sollt ich mich um Eine grämen? – Hab
Ich sie geliebt, so zeig ichs dadurch, daß
Ich nicht den Tod scheu, sie zu rächen!
– Du bists gewiß, der sie erwürgte! Ähnlich
Sieht dirs, der immer selber seine Himmel
Zertrümmerte! – Zum Zweikampf! Ein paar Gänge
Versuch einmal!
FAUST.
»Der seine Himmel selber
Zertrümmerte!« – Er wagts mir vorzuwerfen!
Und er hat Recht. Ich schlug das Herrlichste
Zu Trümmern, weil ichs nicht begriff! –
– – Du bist
Dahin für mich, o Donna Anna! Nie
Erblick ich deiner Augen Schimmer, nie
Bad ich in deiner Schönheit Glanz mich wieder,
Und niemals wird ein Wörtchen nur, verschönt
Durch deiner Stimme Zauber, zu mir klingen –
Doch ewig werd ich dein gedenken, und
Schon der Gedanke wird die Wirklichkeit
Der Höll zuschande machen!
Zum Ritter, der sich dem Faust wieder genähert hat.
Trotzend
Stürz ich in deine Arme – Wisse aber:
Wenn ich ein ewges Wesen bin, so ring
Ich auch mit dir von Ewigkeit,
Zu Ewigkeit, und möglich, daß ich siege,
Dich nochmals tretend, wie ich schon getan!
DER RITTER den Faust packend und sofort erdrosselnd.
Erwarten wollen wirs! – Mit ihm zum tiefsten Pfuhl![506]
Häuft brennende Ölberge, wär auch der
Von Zions Stadt darunter, Feuerberge
Häuft über seine Seel! – Den Körper laßt
Nur liegen! – Macht es gut, ihr Geister – Bald
Komm ich mit Don Juan ihm nach!
Er tritt wieder in den Hintergrund und bleibt während der ganzen Szene darin, den Don Juan fixierend.
DON JUAN.
Der Zaubrer
Wird wohl verzaubert? Spricht er mit der Luft?
LEPORELLO.
Er stürzt vom Stuhl – Ihr Heiligen, er stirbt –
Und kohlschwarz starrt sein Antlitz
Im Rücken ihm! – Hier in der Stube spukt
Ein Teufel!
DON JUAN.
Kerl, laß deine Fratzen! Schlagfluß
Hat ihn gerührt! Bring ihn sogleich von dannen!
LEPORELLO.
Wegbringen? Den? Anfassen ihn, den Gott
Gezeichnet?
DON JUAN.
Eben sprachst du ja vom Teufel!
LEPORELLO.
Das ist ganz eins – Gott zeichnet mit dem Teufel,
Wie Kinder mit der Kohle!
DON JUAN drohend.
Fort den Leichnam.
LEPORELLO schafft bebend den Leichnam des Faust beiseit und kehrt zurück.
– Ich schöpfe wieder etwas Luft. – Das Untier
Wär weggeschafft! –
DON JUAN.
Freund, was gelobtest du
Auf dem Montblanc? Du wolltst dich bessern, wolltest
Lisetten eh'lichen.
LEPORELLO.
O Don, bedenkt:
Versprechen ist was anders als das Halten:
Was ich verspreche, das versprech ich,
Und was ich halt, das halt ich. Auch vernahm
Ich nicht, daß mein Gelübde akzeptiert ward!
DON JUAN.
Decke
Den Tisch! – wo bleiben unsre Gäste?
LEPORELLO.
Gäste?
Hört Ihr nicht, daß der Wind gleich einem Besen
Vor dem Gewitter herfliegt, und die Straßen
Auskehrt von Staub und Menschen? – Können[507]
Noch Gäste kommen?
DON JUAN.
Deck den Tisch!
LEPORELLO.
Ich tu's!
Er deckt den Tisch und trägt Speisen auf und Wein.
DON JUAN sich Wein einschenkend.
– Die Donna Anna! – Überflut sie, Wein! –
Ah, der Franzose da: Champagner – Wildfang!
Bis an die Decke fliegt dein Schaum, mein Jubel
Soll aber trotz der Donna Anna, trotz
Des Jammers, an die Sterne schlagen! –
– Schuft,
Was machst du?
LEPORELLO.
Trank ich? Es war Eure
Gesundheit! Die erfleht Eur treuer Knecht!
DON JUAN.
Pasteten – Braten her – Salat!
Er ißt.
Erträglich
Ist alles zubereitet. – Hast du Musikanten
Bestellt?
LEPORELLO.
Herr, sie sind draußen. Dürfen sie
Eintreten?
DON JUAN.
So? daß ich säh, wie sie
Die Töne kratzten, pusteten? – Sie sollen
Aufspielen, aber laß mich sie nicht sehen!
Leporello ab und kommt gleich zurück. Dann Musik.
DON JUAN.
Beim Essen ist Musik ein guter Prüfstein –
Denn ist das Essen gut, so hört man die
Musik nicht!
Speisend.
Schön, ich hör sie jetzt nicht!
Zu Leporello.
Mensch, – was ißt du?
LEPORELLO.
Ich essen? Den Fasan probier ich, ob
Er gut gebraten. Essen und Probieren!
Ein großer Unterschied! – O wär die Welt
Doch ein gebratener Kapaun, und wär
Ichs doch, der ihn anfräß. – Schauderhaft
Laßt Ihr mich hungern!
DON JUAN.
Kerl, dir geb ich nichts,
Da ich doch weiß, daß du es stiehlst!
Wein, Wein[508]
Leer sind die Flaschen! –
Leporello setzt neue Flaschen auf.
DON JUAN trinkend.
Mahomet soll leben!
Den Wein verbot er, weil er ihn so sehr
Geliebt. Denn das Verbot, so schloß er richtig,
Verdoppelt den Genuß!
Blitze, Donner.
LEPORELLO am Fenster.
Herr, christlich! christlich!
Seht, seht die Wolken! – Regen – Blitz – und – Donner!
Kein Ende – Wie ein feuerspeiender
Vulkan hängt über uns der Himmel. – Da
Schlägts ein in den Palast des Erzbischofs!
DON JUAN.
Da capo! Alle Blitze mögen ewig flammen,
Besonders, wenn sie treffen!
LEPORELLO.
Gnade! Gnade!
Da blitzts, da donnerts wieder! – Ach wie tobts!
DON JUAN ein Glas Wein hinunterstürzend.
Hoch lebe
Der Donner, – mög er tausend Jahre rollen
Wie heute!
LEPORELLO.
Herr, das Gewitter – enger stets und enger
Umzieht es uns – Kaum kann ich atmen. – Herr,
Es ist auf uns gemünzt!
DON JUAN.
Den Saft der Traube
Schlürf ich – der macht mich heiß – Und Blitz und
Donner
Sind nichts als Schnee dagegen!
LEPORELLO.
Hab ich Eisen
An mir? Man sagt, der Blitz zieh sich darnach –
Schlüssel, Schuhe usw. wegwerfend.
Da! Schlüssel! – Schuh' mit Nägeln – Spangen,
Hinweg damit!
– O Gott, da kommt jemand, und stapft
Und stapft, daß man durchs Donnerwetter es
Vernimmt!
DON JUAN.
Es wird ein Gast sein!
LEPORELLO.
Ists nur nicht
Der steinerne, den Ihr habt eingeladen?
– Das sind nicht Menschentritte, – nein, es sind
Erdbeben, die herannahn!
DON JUAN.
Schwert! mein Schwert![509]
LEPORELLO.
Hier ists!
DON JUAN das Schwert entblößend.
Sei willkommen, meiner Freunde treuster!
Du, der den Feind erschlägt, und mich nicht eher
Verlassen wird, als bis die Hand mir abfällt!
– Mein Fühlhorn sei, mit deiner Spitze
Laß mich den Marmorgast befühlen –
Zu Leporello.
Öffne
Die Tür!
LEPORELLO.
Das Öffnen tut nicht not!
Man hat so angeklopft, daß schon die Tür
Von selbst einbricht.
DON JUAN.
Wer wagts, so unverschämt
In mein Gemach zu treten?
Die Bildsäule des Gouverneurs tritt in das Zimmer.
Ha!
LEPORELLO.
O Christus!
Die Bildsäule von dem Kirchhof! – Ich vergehe!
DON JUAN.
Entsetzlich oder auch wohl närrisch! – Still,
Still, Leporello!
LEPORELLO.
Hört ich einen Hahn
Nur krähen – einen dummen Entrich schnattern –
Die Erde fühlt ich wieder! – Doch dies ist
Das Reich der Geister!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Don Juan –
LEPORELLO.
O welche Stimme! Mark- und Bein-zerknirschend!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Du hast befohlen und ich bin erschienen!
DON JUAN.
Ists eine Bildsäul, ist es keine?
– Das Auge weiß – Kein Stern darin – Ich stürz
Zu Boden! –
Doch ich rufe meinen Namen,
Ist er auch blutbefleckt, so ist er doch
Voll Ehre! Und wie eine Feuerglocke
Die Städte aufregt und das weite Land,
So richten auch bei seinem vollen Schalle
All meine Kraft sich auf und all mein Mut!
– Ich heiße Don Juan und biet dir Kampf
[510] Und Trotz!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Ohnmächtiger, kein Lebender
Vermag mich zu bekämpfen!
DON JUAN sich an der Stirn fassend.
Welche Töne!
– Doch,
Vielleicht ein Gaukler! – Laßt uns prüfen,
Ob dieser Stein ein böhmischer, ob es
Ein echter, der den Stahl verträgt!
Er haut mit dem Schwerte auf die Bildsäule des Gouverneurs und das Schwert zersplittert.
Ein echter! –
– Noch hab ich einen Dolch – Zwar kürzer als
Das Schwert, doch näher, sicherer!
Er zieht den Dolch und schwingt ihn wild um das Haupt.
Noch bin ich
Gewaffnet, und wer zagte unter Waffen?
Zu Leporello.
Wo sind die Musikanten? Weshalb ließen
Im Spiele sie sich stören?
Donner und Blitz.
LEPORELLO.
Hört Ihr, Herr,
Es musiziert da, daß die Saiten reißen!
DON JUAN.
Herr Gouverneur, beliebts Euch, sich zu setzen?
Hier ist ein Stuhl –
LEPORELLO.
Der Stuhl wird unter dem
Zusammenbrechen, wie Korn unterm Mühlstein!
DON JUAN.
Hier Suppe von Schildkröten – Hier Wildbraten –
Auch Beefsteak – Rostbeef – Frikasséen –
Endiviensalat – Da Wein, Tokaier,
Champagner und Burgunder – Langt nur zu, Herr!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Ich komme von den Sternen. Irdscher Nahrung
Bedarf ich nicht.
DON JUAN.
Mit Sternenspeise kann
Ich dir nicht dienen, und zum irdschen Mahle
Lud ich dich ein. Narr, wenn du kamst in Hoffnung
Von anderen Genüssen!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Donna Anna[511]
Und Don Octavio, im Himmel jetzt
Im seligen Verein, den Erdenschmerz
In ihrem Antlitze zu leichtem Lächeln,
Zu Perlen ihre Tränen umgewandelt,
Gedachten dein in ihrer Wonne, und
Sie senden mich hernieder, daß ich dich
Zur Reu und Beßrung mahne.
DON JUAN.
Danke für
Den Gruß! – Doch nichts hab ich getan, weshalb
Ich Reue spürte! Alles, was ich tat,
Gefällt mir! Nicht bedarf ich Beßrung,
Denn mit mir selbst bin ich gar sehr zufrieden!
LEPORELLO.
Klein beigegeben, Herr, klein beigegeben!
Lügt ihm was vor! Es findet sich nachher! –
– Bedenkt, Ihr zieht dadurch mich Schuldlosen
Mit Euch aus diesem Elend!
Hu, der Marmor
Knirscht wieder!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Hast du Mut, gib mir die Hand
Darauf, daß du beteurst, dich nicht zu bessern!
DON JUAN.
Die Hand! die Hand! – Doch bin ich nicht in Rom? Hier reckte
Der Scävola die Rechte in das Feuer –
Ich tue mehr: ich strecke kühn auffodernd
Sie in das Reich der Unterwelt, und spreche:
Das Leben ist ein Nichts, wenn es nicht allem
Was ihm begegnet, Stirne bietet!
Da!
Er gibt der Bildsäule des Gouverneurs die Hand, welche sie einige Augenblicke festhält und dann losläßt.
DON JUAN.
O schnöder Schurke! Leichenkälte fließt
Aus deiner Hand in meine Adern! – Lohnst
Du so den Handschlag eines Spaniers?
O Niederträchtiger, du wärest wert,
Du lebtest nochmals, daß ich nochmals dich
Erschlüge!
Er greift die Bildsäule des Gouverneurs mit dem Dolche an.
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Weich!
Don Juan taumelt zurück.
– Schau, die dunkle Flamm dort hinten[512]
Kommt auf dich zu! Der Satan ists im Fest-
Gewand –
LEPORELLO.
Ach, meine Ahnung! Darum wars
So schwül im Zimmer – Satan, Herr! zu schlecht
Bin ich, daß Ihr mich holt. –
Auf den Don Juan deutend
Nehmt ihn, Ihr habt
Genug daran!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Er lauert schon, daß er dem Faust
Dich zugeselle. – Doch ich kann dich retten,
Wenn du bereuen willst – Zum letzten Mal
Frag ich dich mit der Gottheit Donnerstimme:
Willst du bereuen und dich bessern?
DON JUAN.
Was
Ich bin, das bleib ich! Bin ich Don Juan,
So bin ich nichts, werd ich ein anderer!
Weit eher Don Juan im Abgrundsschwefel
Als Heiliger im Paradieseslichte!
Mit Donnerstimme hast du mich gefragt,
Mit Donnerstimme geb ich dir die Antwort: Nein!
DIE BILDSÄULE DES GOUVERNEURS.
Wir sehen uns nicht wieder!
Sie versinkt.
DER RITTER seinen roten Mantel in die Höhe werfend.
Mantel, breit
Dich aus, entfalt den Stoff, aus dem du bist
Verfertigt, überflamm als Feuersbrunst
Dies Haus, samt den Bewohnern es verzehrend!
Feuer und Feuerregen.
– Dich aber, Juan, reiß ich mit mir, – schmiede
Dich an den Faust – Ich weiß, ihr strebet nach
Demselben Ziel und karrt doch auf zwei Wagen!
DON JUAN.
Noch jetzt ruf ich, als letztes Wort auf
Erden:
»König und Ruhm, und Vaterland und Liebe!«
Der Ritter versinkt, und reißt den Don Juan mit fort.
LEPORELLO.
Es brennt in jeder Eck, – ich muß verbrennen.
Gibts keine Hülfe? Weh, die Flammen kommen!
Sie kommen! Keine Flucht! Ich muß verbrennen!
Der Vorhang fällt unter Feuer, Donner und Blitz.
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