Der Wolgebohrnen Fräulein /

Fräulein Catharina Regina von Greiffenberg /

gebohrnen Freyherrinn von Seyßenegg

[3] In Gebühr geliebte Fräulein Muhm. Sie weiß sich zu erinnern / was massen / als der allerhöchste GOTT /nach seinem allweisen Raht und Willen / Dero H. Vattern / weiland meinen geliebten leiblichen H. Brudern / Herrn Johann Gottfried von Greiffenberg /Freyherren auf Seyßenegg / durch den zeitlichen Tod seeliglich zu sich abgefordert / mir die Obligenheit gleichsam zugestorben / ihre Fr. Mutter und Sie (zumaln Sie der zeit sich noch in gar zartem und grünem Alter befunden) zubedienen und zu versorgen. Und dieser meiner Schuldigkeit habe ich zwar / nach meinem[4] wenigen Verstand / mich möglichster weiß befliessen: wiewol es meine Vermögenheit / wie auch der Zeit gelegenheit / nicht leiden wollen / Ihnen und mir selbst / nach Dero Würdigkeit / hierinn ein Genügen zu leisten. Und da ich ja etwas / wie gering es seyn mag / dißfalls gethan hätte / so wird mir solches allzuüberflüssig belohnet / durch die Ehre und Freude / so ich daraus geschöpft habe und noch schöpfe /indem ich Sie / meinst durch angebohrnen Trieb ihrer schönen Natur und edlen Geistes / an löblicher Gottes- und Tugend-Liebe / schönem Verstand und adelichen Sitten / von Tag zu Tag zunehmen sahe / und nunmehr / neben ihrer Person / zugleich auch ihr Gemüte zu seiner Vollkommenheit erwachsen sihe.[5] Gleichwie Sie nun võ ihrer Jugend auf / wie ich Ihr billich das rühmliche Zeugniß gebe / nichts unterlassen / was einem Adelichen / Gott- und Tugendliebendem Gemüt wol anstehet: Also hat Sie auch / da Sie ihre Zeit auf dem Land in weniger Gesellschafft bishero zugebracht / ihre Einsamkeit sonders wol und nützlich / nemlich zu Lesung guter Bücher / verwendet / und also / wie jener saget / in mangel der Lebendigen / sich mit den Todten besprochen. Insonderheit hat Sie / von erster Zeit an ihrer Leskündigkeit / zu der nunmehr in unserer Teutschen Muttersprache hochgestiegenen edlen Dichtkunst ein eiffriges Belieben getragen / und nicht allein dergleichen Bücher vor andern mit Lust gelesen / sondern auch endlich /[6] mit Zuwachs der Jahre / die Feder selber angesetzt / und zu ihrem Zeitvertreib / aus selbst-eigner Belehrung ihres schönen Verstands / ein und anders Gedichte zu Papier gebracht: welche denn von etlichen unsern guten Freunden / die von dieser löblichen Kunst -Ubung beydes Verstand und Ruhm haben / mehrmals beliebet und belobt worden. Weil nun ich meines theils an denselben auch meine sonderbare Ergetzlichkeit jederzeit gehabt / überdas bey andern eine Begierde / deren durch den Druck theilhafftig zu wer den / vielmals verspüret: als habe ich mich erkühnet /ohne meiner geliebten Fräul. Muhme Vorwissen und Erlaubniß / eine Anzahl derselben in den Druck färtigen zu lassen / und selbige allen[7] Gott-und Kunstliebenden mit zutheilen / nicht zweifflend / es werde diß mein Vorhaben zu Erbauung Christlicher Andacht und zu mehrung des Kunst-Reichs gereichen / und meine geliebte Fräul. Muhm werde mir solches / da es etwan wider ihren Willen geschehen / nicht verargen können. Will ich also Ihr hiemit dieses Büchlein /welches ohne das ihr eigen ist / wiederum überreicht haben / zu gutem Andenken / und damit Sie heut oder morgen / wann Sie / durch Gottes gnädige Verfügung / in mehrerm Glück und Vergnügung leben /auch vielleicht mit andern Sorgen und Geschäfften beladen seyn wird / sich erinnern könne / mit was Ubung und Zeitvertreib sie ihre Jugend zugebracht[8] /welches dann / weder von Ihr selbst / noch von jemands anders / wird können getadelt werden. Schließlich wünsche ich / daß meine geliebte Fräul. Muhm /ihre übrige / gebe Gott noch lange und glückseelige /Lebenszeit solchermassen / mit Gott- und Menschen-gefälligen Kunst- und Tugend-Ubungen / woran ich zwar im minsten nicht zweiffele / zubringen / und nach Endung derselben / in jenem allein- und recht-glückseeligem Freuden-Leben / was Sie hier angefangen / ewig fortsetzen / und die hochwürdigste / hochheiligste Göttliche Dreyeinigkeit / im Chor der Heil. Engel und Auserwehlten / mit himmlischem Lobgesang ehren und preisen möge.[9] Thue mich hiemit in Dero Gedächtniß / zu gebührlicher Gunst und Gnade empfehlen / und verbleibe in aller Gebühr /

Ihr allezeit getreuer

Vetter und Knecht


Hanns Rudolf von Greiffenberg /

Freyherr auf Seyßenegg.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. II2-X10.
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