Freuden-und Wunschgedanken / bey Lesung der H. Schrifft

[28] Es ist die Heilig Schrifft ein Himmel Thau der Seelen;

Sie kühlt / sie labt / sie frischt / die Geistverschmachtet Erd;

ietz grünt sie / blüht und lacht / ohn' einige Beschwerd /

als dieser Perlen Safft ihr lieblich kühlt die Kählen.

O Herr / wer wolte nicht diß edle Labsal wehlen /

und wollen / daß er stäts damit getränket werd?

Ach mit was Freudigkeit besieg' ich die Gefärd'!

auch alles Leid und Streit / kan ich zu frieden zehlen.

O süsses Nectar Trank! laß mich dein brunn-Chor seyn /

und flüsse durch die Röhr des Geistes in mich ein:

Laß' ein schön Wasserwerk aus diesem Brunnen springen /

den Garten dieser Welt zu wässern / daß er grünt /

und Tugend-Blumen zeugt' / auch Himmelsfrücht mög bringen;

dadurch Gott werd geehrt / dem Nächsten auch gedient.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 28-29.
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