[37] 49. Die weiße und schwarze Braut.

(Aus dem Meklenb. und Paderbörn.) Nach der einen Erzählung wird der Bruder nicht blos unter die Schlangen gesetzt, sondern wirklich umgegebracht[37] und unter die Pferde im Stall begraben. Die Ente kommt Abends ans Gitterloch geschwommen und singt:


macht auf die Thür, daß ich mich wärme,

mein Bruder liegt unter den Pferden begraben

hauet den Kopf der Ente ab


wodurch die Handlung des Königs, daß er ihr den Kopf abhaut, woran ihre Lösung gebunden war, besser begründet wird. Am Ende wird der Bruder im Stall ausgegraben und stattlich unter die Erde gebracht: vgl. den singenden Knochen I. 28. Das ganze Märchen liegt einer modernen schlechten Ueberarbeitung in den Sagen der böhm. Vorzeit. Prag. 1808. S. 14 – 185 zu Grund. Der Eingang ist von Blumen und Perlenkämmen, wie sonst auch vorkommt. Eigen ist, daß die begabte Schönheit vor freier Luft und Sonnenstrahl gehütet werden muß. Unterwegs nun bricht die böse Hexe das Kutschenfenster, daß Luft und Sonne eindringt, da wird sie in eine goldene Ente verwandelt. Im Pentamerone IV. 7. findet sich eine eigenthümliche, halb aus ihm, halb aus dem Gänsmädchen (oben Nr. 3.) zusammengesetzte Recension, wie denn auch unser gegenwärtiges Märchen genau an die Fabel von der Königin Berta wieder erinnert. Besonders ist der einfache Gegensatz von Schwärze und Weiße, für Häßlichkeit und Schönheit zu bemerken, da er an die Mythe von Tag und Nacht (und der Nacht Tochter) denken läßt und Berta (die weiße, biort) schon im Wort den Tag und des Tagesbrehen, Anbruch, ausdrückt. Indem die im Wasser gestoßene als schneeweiße Ente aufsteigt und fortlebt, erscheint sie als Schwanen- Jungfrau. Ebenso ist auch die nordische Schwanhild weiß und schön wie der Tag, im Gegensatz zu ihren raben- schwarzen Stiefbrüdern. Der Name Reginer ist vermuthlich schon alt in dieser Geschichte; aus den alten Marschällen, Stallmeistern und Wagenführer sind in der spätern Volksansicht Kutscher geworden, wie aus den Helden Soldaten. Darum daß der Bruder bei den Pferden ist und unter ihnen begraben wird, erinnert er an das Roß Falada, dessen Stelle er im Märchen vertritt. Der Küchenjung ist wie dort der Hirtenjung.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 2, Berlin 1812/15, S. XXXVII37-XXXVIII38.
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