326. Das Hünenblut

[310] Zwischen dem magdeburgischen Städtchen Egeln und dem Dorfe Westeregeln, unweit des Hakels, findet sich in einer flachen Vertiefung rotes Wasser, welches das Volk Hünenblut nennet. Ein Hüne floh, verfolgt von einem andern, überschritt die Elbe, und als er in die Gegend kam, wo jetzo Egeln liegt, blieb er mit einem Fuße, den er nicht genug aufhob, an der Turmspitze der alten Burg hangen, stolperte, erhielt sich noch ein paar tausend Fuß zwischen Fall und Aufstehen, stürzte[310] aber endlich nieder. Seine Nase traf gerade auf einen großen Feldstein bei Westeregeln mit solcher Gewalt, daß er das Nasenbein zerschmetterte und ihm ein Strom von Blut entstürzte, dessen Überreste noch jetzt zu sehen sind.

Nach einer zweiten Erzählung wohnte der Hüne in der Gegend von Westeregeln. Oft machte er sich das Vergnügen, über das Dorf und seine kleinen Bewohner wegzuspringen. Bei einem Sprung aber ritzte er seine große Zehe an der Turmspitze, die er berührte. Das Blut spritzte aus der Wunde in einem tausendfüßigen Bogen bis in die Lache, in der sich das nie versiegende Hünenblut sammelte.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 310-311.
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