99. Die Fundgrübner

[134] Die reichsten Berggänge pflegen von armen und geringen Grübnern entdeckt zu werden, darüber es mancherlei Sagen hat. In dem böhmischen Bergwerk auf der Eule war ein Bergmann,[134] des Namens der rote Leu, so reich geworden, daß er König Wenzel zu Gaste lud, ihm eine Tonne Goldes schenkte und dem König Karl hundert geharnischte Reiter ausrüstete. Dieser rote Leu hatte anfangs sein ganzes Vermögen zugesetzt und schon sein Weib ihren Schleier (ihr Eingebrachtes) verkaufen müssen. Eines Tages stieß sich die Frau von ungefähr blutrünstig in die Ferse an einem großen Knauer. Der Mann wollte ihn wegstufen und traf auf gediegenes Gold, wodurch er plötzlich reich wurde. Aber Stolz und Hochmut kamen über ihn, in seinem Hause mußte alles seiden, silbern und golden sein, und das Weib sprach, es wäre Gott unmöglich, daß sie wieder arm werden sollten. Nach und nach wurde der rote Leu bettelarm und starb auf dem Misthaufen.

Im Salzburger Werk zu Gastein und Rauriß lebte ein mächtiger Fundgrübner, genannt der alte Weinmoser. In der Stunde, wo er seinen Schuldnern entlaufen wollte und schon in der Tür stand, wurde ihm reicher Ausbruch und Handstein entgegengebracht. Die hielten Gold und Silber, wurden mit Macht geschüttet und gaben ihm und anderen bald große Reichtümer. Und da ihm auf seinem Sterbebette schöne Handsteine neuerdings aus der Grube getragen wurden, sagte er doch: »Der rechte und schönste Gang ist Jesus, mein Herr und Heiland, auf dem will ich bald eingehen ins ewige Leben.«

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 134-135.
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