Die Fünffte Abhandelung.

[103] Cassandra. Serena. Das FrauenZimmer.

Die Verschnittenen.


CASSANDRA.

O seelig die der Fall Armeniens bedecket!

O seelig die der Perß an einen Pfahl gestecket!

O seelig die im Brand von Gurgistan verfil!

Die in dem Dampff erstickt! der nicht das trübe Zil

Bis auff den Tag verruckt / wol dir wo du erblichen!

Weh! wo der matte Geist auff kurtze Zeit entwichen[103]

Vnd auff den Hencker Platz / auff diser Thränen Fluß

In dise Marter See sich wieder finden muß!

JUNGFRAUEN.

Hilff ewig hoher Gott! welch Elend ist vorhanden!

CASSANDRA.

Die bey der rauhen Pein der Königin gestanden

Verlor Verstand vnd Sinn als sie die Flamme sah

Vnd die bleibt unverzagt / die zwar dem Tode nah

Doch noch nicht sterben kan.

JUNGFRAUEN.

Bringt Essig / helfft sie kühlen

Bringt Balsam! sie begint die frische Lufft zu fühlen.

Seren!

SERENA.

O Königin!

CASSANDRA.

Seren! Sie kommt zu sich!

Der Himmel / Ach Seren! helt leider mich vnd dich

Zu grösserm Vnheil auff / dem mehr bestimt zu leiden;

Den läst entsetzen nicht in leichter Ohnmacht scheiden.

JUNGFRAUEN.

Wie hält die Königin in jhrer Marter stand?

CASSANDRA.

Sie pocht den frechen Tod / Gott beut jhr selbst die Hand /

Halt mich nicht fragend auff. Euch kan Seren erzehlen

Wie schrecklich Persen sey; wie grimmig Chach heist quälen/

Ich eile den Beschluß von disem Kampff zu sehn.

SERENA.

Wo bin ich? wie ist ihr! Ach wie ist mir geschehn?

O meine Königin! darff noch die Sonne stehen

Vnd blitzt der Himmel nicht? Wenn wird die Welt vergehen

Wenn nun kein Donner schlägt? wenn reist die Erd entzwey/

Vnd schluckt die Felsen ein? wenn sie von zittern frey

Bey disem Traur-Spiel bleibt? wenn wird die Rach' erwachen

Wenn nun dein Stral nicht wil durch alle Lüffte krachen

Printz aller Printzen Fürst? das Wunder diser Zeit

Die vnbefleckte Fraw / die schon die Ewigkeit[104]

In jhrem Mutt beherscht / tratt mit behertzten Sinnen

Entgegen Pein vnd Tod. Sie fühlte Glut von jnnen

Durch die sie gantz entbrand / man fand sie unverzagt /

Ob schon die Mordschar selbst jhr herbes Leid beklagt.

Der bebt ob jhrem Geist / vnd der schaut jhr gesichte

Mehr denn erstarrend an. Das gleich der Sonnen Lichte

Wenn es nun untergeht weit angenehmer schin.

Der Augen Majestet / die Persen zwang zu flihn /

Der Stirnen Alabast / die Rosenweisse Wangen

Deß reinen Halses Schnee / vnd was den Chach gefangen

Der wolberedte Mund lockt' aller Thränen vor;

Sie dacht auff jhren Gott / vnd schlug mit taubem Ohr

Deß Fürsten Anred auß / der sich sie zu bewegen

Mitleidend vnterstund. Als jhr deß Pristers Seegen

Vnd Anspruch wurd erlaubt; entwich sie auff die Seit

Vnd bracht in Andacht zu was die genaue Zeit

Der engen Frist nachliß. Der sie zu stärcken dachte;

Ward starck durch jhren Mutt; so nah jhr Tod sich machte;

So freudig wurd jhr Hertz / so stig sie auff den Thron

Vnd griff den Zepter an / wenn sie deß Landes Hohn

In Ehr vnd Macht verkehrt; so hab ich sie gesehen

Wenn sie zu Felde zog / wenn sie der Persen schmähen

Mit mildem Blut abwusch vnd siegend wieder kam /

Vnd den gekrönten Sohn frisch in die Arme nam.

DIE JUNGFRAUEN.

Sie wird mit neuem Sig vor Gottes Antlitz prangen!

Ihr JEsus wird sie nun wie sie gewündtscht vmbfangen!

SERENA.

Die Mörder filen sie als grimme Leuen an.

DIE JUNGFRAUEN.

Wer ist der sonder Angst diß Mordstück hören kan?

SERENA.

Man riß die Kleider hin. Die vnbefleckten Glider

Sind öffentlich entblöst / sie schlug die Wangen nieder

Die Schamröht' vberzog; vnd hilt für höchste Pein[105]

Vnkeuscher Augen Zweck' vnd Frevel Spiel zu seyn.

DIE JUNGFRAUEN.

So hat jhr Heyland selbst entblöst erblassen müssen.

SERENA.

Man hiß die zarten Händ vnd Füß' in Fessel schlissen /

Vnd zwang Arm Leib vnd Kny mit Ketten an den Pfahl.

DIE JUNGFRAUEN.

Ihr König schied' am Holtz' auß disem Jammerthal.

SERENA.

Sie stund gleich einem Bild von Jungfern-Wachs bereitet

Das Har fil vmb den Hals nachlässig ausgebreitet /

Vnd flog theils in die Lufft / theils hing als in der Wag

In dem man auff der Brust spürt jeden Aderschlag.

Der Hencker setzt in sie mit glüend-rothen Zangen /

DIE JUNGFRAUEN.

Hat der gelinde Gott so grause That verhangen?

SERENA.

Vnd griff die Schultern an / der Dampff stig in die Höh

Der Stahl zischt in dem Blut / das Fleisch verschwand als Schnee

In den die Flamme felt. Doch sie / in dem man zwickte

Vnd von der Armen Röhr die flachen Mausen rückte

Rief;

DIE JUNGFRAUEN.

Himmel steh vns bey!

SERENA.

Erlöser gib Geduld!

Ich nehme dises Pfand der ewig-treuen Huld

In tif'ster Demut an / Ich / die mit offnen Sünden

Die Flammen / die dein Zorn vnendlich heist entzünden /

Durch meine Schuld erwarb / bin nicht der Gnade werdt

Zu leiden für dein' Ehr: Es ist ein schärffer Schwerdt

Mit dem dein ernster Grimm pflegt Laster abzustraffen.

Was fühl'te nicht dein Geist als du vor mich entschlaffen/

Als deine Seel in Fluch vnd Todes Angst verfil[106]

Vnd sich verlassen fand? mein Schmertz ist Kinderspil!

DIE JUNGFRAUEN.

So läst sich Gottes Krafft in Gottes Kindern mercken.

So pflegt der starcke Geist das schwache Fleisch zu stärcken.

SERENA.

Die Stücker hingen nu von beyden Schenckeln ab;

Als man jhr auff die Brust zwey grimme Züge gab.

Das Blut sprützt vmb vnd vmb vnd leschte Brand vnd Eisen/

Die Lunge ward entdeckt. Der Geist fing an zu reisen

Durch die / von scharffem Grimm new auffgemachte Thor.

Mich stiß entsetzen an. Das klingen in dem Ohr /

Der Stirnen kalter Schweiß / das zittern aller Glider

Nam plötzlich überhand. Die trüben Augenlider

Erstarten nach vnd nach. Ich nam nichts mehr in acht

Vnd bin / ich weiß nicht wie / auff disen Platz gebracht.

DIE JUNGFRAUEN.

Auff! last vns da erlaubt die Leiche zubegraben/

Sie mit dem letzten Kuß vnd Thränen Dinst begaben;

Kommt / hüllt was übrig ist / die auffgedeckten Bein/

Vnd den zerfleischten Leib in reine Seyden ein.


Der Blutrichter. Salome. Catharina. Der Priester. Die Hencker.

Der Schau Platz verändert sich in den Vorhoff deß Palasts.


DER BLUTRICHTER.

Eilt setzt den Holtzstoß auff. Bringt Pech / bringt Holtzgebünder

SALOME.

Ach! wüttet höher nicht.

BLUTRICHTER.

Ich muß.

SALOME.

Ach geht doch linder

BLUTRICHTER.

Ihr! holt die sterbende / noch eh Sie gantz vergeh!

SALOME.

Gott der du alles sihst / sihst du nicht vnser Weh!

Ach! last zum minsten vor die Königin erblassen![107]

Was hat der Zangen Brand dem Feuer vberlassen?

Als halb verzehrte Bein? Ach gönt die letzte Ruh

So hoch-gebornem Blut. Last der Princesse zu

Was nie ein Feind dem Feind auß Vbermut versaget /

Vergönt daß sie von vns zu guter Nacht beklaget

Erlang ein schlechtes Grab.

BLUTRICHTER.

Es muß nicht anders seyn!

SALOME.

O Hertzen von Metall! O vbergrimme Pein!

Princessin! Ach mein Licht! Ach vorhin meine Wonne!

Princessin! gutte Nacht! O scheint vns noch die Sonne

Vnd bricht die Erden nicht.

CATHARINA.

Willkommen süsser Tod!

DER PRIESTER.

Princesse! Sie gedenck an JEsus letzte Noth.

SALOME.

Princesse! noch ein Wort!

CATHARINA.

Wir haben überwunden /

Wir haben durch den Tod das Leben selbst gefunden.

Ach JEsu kom!

PRIESTER.

Er komm't! Er reicht jhr seine Händ

Er beut jhr seinen Kuß!

BLUTRICHTER.

Was start jhr! macht ein End.

SALOME.

Ach halt noch etwas inn!

BLUTRICHTER.

Eilt / werfft sie auff die Flammen

SALOME.

Ach warumb sterben wir Princesse nicht zusammen?

PRIESTER.

Princesse! Sie ist hin! traur't ferner nicht vmb sie /

Die nun der Höchst erquickt / die auß der strengen Müh

In süsse Ruh versetzt. Muß gleich der Leib verschwinden

Gibt man die übrig' Asch' als Staub den tollen Winden;

Glaub't daß dem HErren nichts auß seiner Welt verderb/

Die vnser schönstes Grab. Ein seel'ger Himmels-Erb

Schläft sanfft / so in der See / als in den tif'sten Gründen;

Vor denen / die in Gold vnd Marmorstein sich finden.

Wo wird der eitle Pracht der grossen Grüffte stehn

Wenn diser Erden Baw in Flammen muß vergehn /

Vnd Gott einbrechen wird?

SALOME.

Brich Richter aller Sachen[108]

Brich Rächer! Ach brich an!

PRIESTER.

Indessen last vns wachen.

SALOME.

Ach warumb schlaff ich nicht vielmehr mein Heyland ein?

PRIESTER.

Man muß / wie / wenn / vnd wo Gott rufft / bereitet seyn.

BLUTRICHTER.

Von hir! euch ist nicht mehr erlaubet zu verzihen.

Diß winseln ist vmbsonst. Wolt jhr dem Zorn entflihen

Der euch diß Schauspiel gibt / so nembt was mehr in acht

Deß grossen Königs Hand die Tod vnd lebend macht.


Chach Abas. Seinelcan. Imanculi.

Der Schau Platz verändert sich in den Königlichen Sal.


CHACH.

Laufft! rettet! steht jhr? eilt / eilt wo noch Zeit zu eilen!

Wofern es nicht zu spät! wo noch der Schlag zu heilen!

Heb't Straff vnd Vrtheil auff! vntreuer hast du nicht

Vns / vnd dich selbst bedacht!

IMANCULI.

Was hab ich mehr verricht

Als was Chach Abas mir außdrücklich hat befohlen?

CHACH.

Sol ich dir nicht das Hertz auß deinem Busen holen?

Dein vnbedachtes Hertz? das gantz nicht überlegt

Das heisser Eyversucht / wenn sie zu herschen pflegt

Nicht jeden Augenblick so blind sey nachzukommen?

IMANCULI.

Wer hat den Fürsten sich zu richten unternommen?

Er schaft. Wir können nichts als was er heist vollzihn!

CHACH.

Mus denn mit disem Tag all' vnser Lust entflihn![109]

Mus vnser Hertz durch dich Blutgiriger vergehen?

Mus vnsre Schmach durch dich auß diser Flamm entstehen?

Vnd trit der Hencker noch vns vnter das Gesicht?

Sind keine Kercker mehr? sind keine Ketten nicht?

Stracks Haly! mach jhn fest!

IMANCULI.

O frembder Fall der Dinge!

Indem ich / was der Fürst so scharff befahl / vollbringe;

Fällt diser Sturm auff mich. Er reumet was er kan

Durch vnser Hände weg / vnd greifft vns selber an

So bald die That vollbracht / wir freveln jhm zu gutte:

Er wäscht von eigner Schuld sich rein mit vnserm Blutte!

SEINELCAN.

Du hast in disem Stück dich mercklich vbereilt.

IMANCULI.

Er hat bey Straff deß Kopffs mir den Befehl ertheilt.

SEINELCAN.

Der Fürsten Regeln sind sehr frembd' vnd schwer zu fassen.

IMANCULI.

Vnd wer sie nicht versteht muß so sich binden lassen.

SEINELCAN.

Geduld! noch diß ins Ohr: man thut offt vil zum Schein

Du weist was Reussen sucht! diß kan dein Glücke seyn.

Man kan dem Fürsten trew' auch in den Ketten dinen

IMANCULI.

Wer so verfinstert wird hat nimals mehr geschinen.


Der Gesandte auß Reussen. Procopius. Demetrius.

Der Prister mit dem verbrannten Haubt der Königin.

Der Schauplatz verändert sich in deß Gesand. Gemach.


DER PRIESTER.

So ists! wie ich erzehlt! der Frauen Blum ist hin!

Die Sonn Armeniens vnd Gurgistans Gewin.

Das Wunder aller Zeit! sie hat nun vberwunden /[110]

In dem sie vnterging. Sie hat die Cron gefunden

Indem jhr Fleisch verfil. Diß Thränenthal die Erd

Diß Angsthaus war nicht mehr deß grossen Geistes werd.

Drumb sucht er eine Bahn durch so viel grimme Risse

Vnd drang durch beyde Brüst'. Ihm ward die Flamme süsse!

Er hat sich ob der Qual der Zangen nicht entsetzt /

Die zwar den zarten Leib doch nicht den Mutt verletzt.

Wer so gesegnen kan / verdint kein kläglich Weinen /

Wer so mit Blut gefärbt vor JEsu kan erscheinen

Acht eurer Thränen nicht. So pocht man Welt vnd Tod

Vnd trotzt die Ewigkeit / vnd höhnt die grimme Noht!

DER GESANDTE.

Ist diß denn Abas Wort? ist Persen so zu trauen?

Luft! Himmel! Erden! See! wem wird davor nicht grauen?

Geht denn kein Donner an / der dise Mörder trifft?

Die die Verrätherey! Diß Mordspiel angestifft.

Pflegt Persens Boden nicht gerechter Gott zu zittern /

Wenn solche Grausamkeit vnmenschlich sich wil wüttern?

Ist Abas bey Vernunfft? blutgirig Tygerthier

Stelst du dir deinen Eyd vnd hoch Versprechen für?

Hat jemals ein Tyrann so auff ein Weib gewüttet?

Ist eine Königin je mit der Qual beschüttet?

Die ärger als der Tod? wer strafft so einen Knecht?

Gilt Schönheit /gilt Vernunfft / gilt Jugend / gilt Geschlecht

Gilt königlicher Stam / gilt meines Czaren bitten

Nichts bey den Bestien? auff! last die Mörder-Hütten

Der tollen Hencker stehn! ist diß das neue Band /

Das Zeichen warer Gunst / das starcke Frieden Pfand?

Armseelige! muß ich / weil ich dich wil befreyen /

Zum Werckzeug deiner Qual mich selbst unwissend leihen?

Mein bitten / Königin! mein bitten hat gemacht

Daß man dich so in eyl! so schändlich vmbgebracht!

Printz Tamaras! bring ich dir so die Mutter wider?[111]

Auch nicht die edle Leich' vnd abgekränckte Glider?

Nichts als ein scheußlich Haubt / das sonder Zung außspricht

Wie schlecht in Persen ich dein wündtschen außgericht!

Ach mit was Thränen wirst du diß Geschenck' empfangen!

Die Stirnen sonder Fleisch! die eingeschrümpfften Wangen!

Die nicht mehr schönen Zähn! die Lippe von Rubin /

Deß Güldnen Hares Pracht / der Augen Glantz ist hin/

Wirst du betrübter Fürst / wirst du mir auch wol glauben

Daß Chach so grimmig dich der Mutter liß berauben

Daß Persens Haubt so leicht mit Mund vnd Eyde schertzt /

Daß man hir weder Stand noch Freund noch Feind behertzt?

Nein! nein! Ach man wird mir die gantze Schuld aufflegen /

Mir wird dein seufftzend Hertz / mir wird dein Thränen Regen

Verweisen was nicht ich / was Chach verbrochen hat /

Auch ich / der unbedacht den tollen Leuen bat.

Du numehr heil'ge Seel! die du nun ander Reiche

Mit höher Macht behersch'st! du Haubt der heil'gen Leiche

Du selbst der du diß Haubt mit Ehren-Cronen schmückst

Vnd den erfreuten Geist auff deinem Thron erquickst;

Entdeckt wer hiran Schuld / jhr auch Gurgistans Helden

Helfft eurer Königin erschrecklich Vrtheil melden /

Vnd zeugt im Angesicht der Völcker stets vnd frey;

Daß weder Redligkeit noch Trew in Persen sey.

PRIESTER.

Zeugt liber; mit was Mutt die Königin gesieget

Die sterbend / von Qual / Angst vnd Lust vnd Tod bekriget /

Doch herrlich vberwand. Zeugt daß sie alle Pracht

Vnd die geheuffte Pein der Parthen hat verlacht.

Mißgönt jhr doch jhr Glück nicht mit so herben Thränen.

Sie ruht in disem Port nach dem sich alle sehnen!

Sie ist wohin wir gehn / vnd lacht vons Himmels Hauß[112]

Der Erden Eitelkeit vnd Abas wütten auß.

Glaubt auch daß euer Reich darfür diß Blut geflossen/

Als ein verbranntes Feld vom Regen vbergossen;

Vnd die bedrängte Kirch die diser Taw genetzt

Mehr Früchte tragen wird / als da sie unverletzt.

Glaubt daß wofern die Lust in welcher sich befinden

Die (wie der werthe Geist) standhafftig vberwinden /

Wofern die Lust zuläst daß man von vnserm Weh

Noch etwas wissen mag; die Fürstin in der Höh

Auch euer indenck sey vnd Gott vor Augen trage

Eur vberherrtes Land / vnd hochgehäuffte Plage /

Daß sie.

GESANDTE.

Wer da?

DIENER.

Mein Herr der Haubtman spricht jhm zu

GESANDTE.

Woll gönt man vns auch nicht zu wenig Thränen / Ruh?

Sucht man vns noch auffs new vmbs Licht herumb zu führen!

Sucht man wie vns zu Mutt boßhafftig außzuspüren?

Er kom' er wisse was die Seele mir verzehrt /

Vnd mehr denn er villeicht zu wissen hat begehrt.


Seinelcan. Der Gesandte.


SEINELCAN.

Nach dem Chach Abas hört / daß nach vollbrachten sachen /

Sich der Gesandt' entschleust nach Reussen heim zu machen!

Wündtscht er zu solchem Zug' jhm so beständig Glück

Als dessen Tugend werth der die verknüpfften Strick

Der Zwitracht / durch Verstand vnd Arbeit auffgebunden /

Der für die Länder Frid' vnd für sich Ruhm gefunden/[113]

Vnd schenckt zum Abschid jhm / für angewandten Fleiß

Die Zeichen seiner Gunst.

GESANDTE.

Seinelcan glaub / ich weis /

Daß ich durch Gaben nicht von jemand zuerkauffen /

Ein Geist durch Ruhm entbrand acht keiner güldnen Hauffen /

Doch daß mit seiner Gunst mich Abas ehren wil

Vnd diß zu Pfande schickt; ist warlich was zu vil.

Ich wündtsche nur allein mir dise zu gewehren

Die Czar so embsig mich von Persen hiß begehren:

Die Abas mir noch heut' / als ich inständigst batt

Ja vnserm Czaren selbst durch mich versprochen hat.

SEINELCAN.

Wir wündtschten / möcht es seyn! euch dise Fraw zu geben

GESANDTE.

Wie? warumb mags nicht seyn?

SEINELCAN.

Sie ist nicht mehr bey Leben

GESANDTE.

Was sagt der Fürst? Ist diß was Abas mir verhiß?

SEINELCAN.

Chach ist auff den erhitzt der sie verbrennen liß.

GESANDTE.

Wie? dürft jhr Königin die Chach loß gibt verbrennen?

SEINELCAN.

Wer schuldig; wird wie vil er darff im Tod erkennen.

GESANDTE.

Kan Chach zu disem Stück' euch durch die Finger sehn?

SEINELCAN.

Es ist jhm vnbewust / durch frembden Haß / geschehn.

Der Fürst dem Schiras-Burg vom König anbefohlen

Hat auß vergifften Neid in eyl / wie wol verholen /

(Zu rechnen seinen Sohn der für Gurgistan blib /

Als man den Tamaras auß seinem Thron vertrib)

Diß freche Stück gewagt / mit Vorsatz stracks zu weichen

In Osmans nahe Zelt / ehr die entseelte Leichen[114]

Verraucht auff jhrer Glut. Doch nein! es ist entdeckt.

Wie heis deß Fürsten Zorn durch disen Brand entsteckt

Weist schon sein Kercker auß. Vnd sein erschrecklich Ende

Wird darthun mit was Ernst die höchstergrimmten Hände

Deß Fürsten sich gefas't das Rach-Schwerdt außzuzihn

Auff die / die seine Macht zu pochen sich bemühn.

GESANDTE.

Es blickt ja mehr denn vil wie leicht sich Chach erhitze;

Es blickt ja hir wie man die Seel im Blut außschwitze

Der Fürstin Holtzstoß zeugt daß strenge Tyranney /

Durch Gaben / Bitt vnd Nutz nicht zuerweichen sey.

Laß ich in dem ich Perß vnd Reussen sol versöhnen

Der Reussen Haubt in mir durch euren Trotz verhönen?

Besigelt jhr den Bund mit diser Frauen Tod

Vmb die man Friden schloß? wozu versprechen Noth

Wem sol man vnd auff was in Ispahan vertrauen:

Wenn man auff Abas Wort nicht mehr darff feste bauen?

Recht so! schertzt mit dem Eyd vnd speyt den Himmel an

Doch denckt daß dise Flamm das Reich anzünden kan!

SEINELCAN.

Es fält mir gantz nicht schwer den Wahn zu widerlegen

Den der Gesandte schöpfft; doch laß er sich bewegen

Mehr durch die Werck als Wort. Der Fürst ist ja verstrickt/

Der Stat voll neuer Furcht. Chach der mich zu ihm schickt

Beklagt den herben Fall. Ich darfs außdrücklich sagen;

Ich! der jhn selbst gehört die Königin beklagen.

Wie? oder meint man nicht daß er was Bund versteh?

Daß sein versprechen jhm nicht zu Gemütte geh?

Nein sicher! es lest sich mit Printzen so nicht schertzen.

Die Fürstin ist entleibt! vnd zwar durch herbe Schmertzen!

Ist denn der Mörder frey? ists bey euch vnerhört[115]

Daß (Trotz deß Czaren Wort) die heisse Rach versehrt.

Die / den der Reussen Haubt liß volle Freyheit geben?

Selbst die er neben sich hiß in Palästen leben

Fil offt der Frevel an! man fragt nicht obs gescheh;

Nur ob man / wenns geschehn / auch durch die Finger seh!

Wil der Gesandt' jhm diß für eine Schmach anzihen;

Wil er / nun man schon siht / den güldnen Friden blühen

Vmbstossen was man schloß; so richte Gott vnd Welt /

Ob Vrsach / daß auffs New das Leichen-volle Feld

Vns all' in Eisen seh. Wo Chach das Recht lest schlaffen;

Vnd nicht diß Mordstück eilt nach würden abzustraffen;

So schreit die Wolcken an / so reist den Bund entzwey /

Vnd ziht die Sebel aus. Doch steht euch beydes frey!

Denckt nur ob man hirdurch die Todte werd' erwecken /

Vilmehr gehts vber die / die noch im Kercker stecken.

Sie / war ein frembdes Weib. Eur eigen Nutz ist groß.

Man gibt für eine Fraw vil tausend Reussen loß!

Auch / daß er ja was wir gesonnen / könne spüren;

Läst jhn Chach Abas die mit sich auß Persen führen

So noch von Gurgistan vnd Tefflis vbrig sind.

Schlagt nicht eur eigen Glück so ruchloß in den Wind!

GESANDTE.

Die Sach ist überlegt! was wir vor Nutz zu hoffen;

Steht euch so vil als vns. Sind eure Länder offen:

Die vnsern sind euch frey! eur Kercker ist nicht ler;

Die vnsern sind gefüllt. Ist eure Wage schwer;

Der Reussen ist nicht leicht. Wer schuldig / muß es fühlen.

Wo Abas disen Brand nicht wil mit Blut abkühlen;

So sind die Wort vmbsonst.

SEINELCAN.

Noch heute sols geschehn;

Daß er deß Mörders Kopff sol auff der Taffel sehn.


[116] Chach Abas. Catharina.

Der Schau Platz verändert sich in den Königl. Saal.


CHACH.

Ist Catharina Tod vnd Chach ist noch bey Leben!

Vnd wil der Himmel nicht /

Gewaffnet mit der Glut von Schwefel-hellem Licht

Feuer nach dem Kopffe geben?

Hat Chach / Princessin! sich / hat Chach sich so vergriffen?

Vnd sein selbst eigen Hertz durch deine Qual zurissen?

Was hilffts daß Thränen vns von disen Wangen flissen

Als die gefärbten Ström' auß deinen Wunden liffen!

Princessin räche dich! entzünde diß Gemütte

Mit jmmer-neuer Rew vnd Schmertzen!

Trägt Abas Marmer in dem Hertzen?

O Zarte! könte nicht deine mit Thränen gesellete Bitte/

Die rasend tolle Flamm deß Eyfers zwingen?

Warumb doch können wir nicht durch den Abgrund dringen.

Vnd dich auß dem harten Kercker deß ergrimmten Todes reissen /

Ach wir selbst! wir sinds! Princessin! die den Tod dich kerckern heissen.

Du Wunder der Natur! du Ehre deiner Zeit!

Ward dein freundlich Angesichte[117]

In der heissen Glut zu nichte!

Verging im Rauch die schöne Libligkeit?

Princessin / nicht die grimme Glut /

Hat deiner Glider Schnee so ungeheuer auffgezehret;

Nur dise Flamme die den Mutt

Mit ewig-heisser Rew beschweret.

Der süssen Liebe Fackel hat nie dises harte Hertz berühret!

Die Rach in ihrem Schein hat vns verführet /

Auch Rache nicht / die Scharen auß der Hellen

Gehäret mit Schlangen / gerüstet mit Plagen /

Die haben Holtz zu diser Glut getragen /

Vnd vns gesucht ins Grab durch deinen Tod zu fällen!

O Greuel! O! was trit vns für Gesichte!

Bist du es / vorhin dises Hertzens Lust?

Wie schrecklich hängt die abgezwickte Brust!

Tagen deine bluttige Thränen den Himmel auff vns zu Gerichte!

Rauff doch! rauff doch nicht ab

Die versengten Hare

Wir wündtschen vnser Grab /

Vnd lauffen nach der Bare /

Schauet wie sie die entblösseten Arme zu dem gestrengen Richter streck' /

Höret doch wie sie die schlaffende Rache mit vnablößlichem ruffen erweck'.

Schauet! schaut! der Himmel bricht!

Die Wolckenfeste reist entzwey /

Das rechte Recht steht ihrer Sachen bey!

Das Recht ists selbst das vns das endlich Vrtheil spricht.

Princessin Ach! wir sehn sie vor vns stehn!

Nicht mehr mit eigner Röt deß keuschen Bluts gefärbet/

Sie hat ein höher Reich ererbet /

Als dises das mit vns muß vntergehn.

Ihr liblich-zornig Antlitz wird verkehrt in eine lichte Sonne/[118]

Ihr Hertz vergist der rauhen Schmertzen vnd wundert sich ob neuer Wonne

Sie ist mit schönerm Fleisch vmbgeben /

Der zarten Glider edles Leben

Trotzt alle Schönheit die die grosse Welt /

In jhren Schrancken helt.

Sie prangt in Kleidern / darfür Schnee kein Schnee!

Ihr wird ein Thron gesetzt in der besternten Höh.

Sagt ferner nichts von Schütternden Gesteinen /

Die Cron / die Vnschuld jhr auff die beperlten Hare setzet /

Geht allem vor was Phrat vnd Tagus schätzet.

Princessin Ach! wer wil dein Glück beweynen?

Als Chach! auff welchen sich dein Grimm erhitzt /

Der vmb vnd vmb mit lichten Flammen blitzt /

Princessin Ach! Princessin! Ach wir brennen!

Feuer! Feuer! Feuer! Feuer! Feuer kracht in disem Hertzen!

Wir verlodern / wir verschmeltzen angesteckt durch Schwefel-Kertzen!

Princessin schau! Princessin wir bekennen

Entzeptert! auff dem Kny! vnd mit gewundnen Händen /

Daß wir vnrechtmässig dich betrübet /

Daß wir ein Stück an dir verübet /

Welches aller zeiten Zeit wird grausam nennen.

Princessin heische Rach!

Ach! Ach! Ach!

Laufft! bringt die Mörder vmb / die Hand an sie geleget!

Weg Zepter weg! Chach hat hir selber Schuld!

Vnd trägt der Himmel noch mit vns Geduld!

Start dise Faust die West vnd Ost beweget?

Komm komm mein Schwerdt! wir haben Macht vns selbst zu straffen!

Was hir! geht Schiras ein! wo knirschen dise Waffen?

Was für gerase der Trompeten?[119]

Wer zückt die Sebel vns zu tödten?

Der Erden Grund brüllt vnd erzittert!

Was ist das hinter vns sich wüttert

Wie? oder schreckt vns eitle Fantasy!

Princessin! Ach wir sincken auff die Kny

Wir vor dem sich gantz Osten niderbeuget!

Vergib dem welcher seine Rew mit ewig-bitterm Kummer zeiget!

CATHARINA.

Tyrann! der Himmel ists! der dein Verterben sucht/

Gott läst unschuldig Blut nicht ruffen sonder Frucht.

Dein Lorberkrantz verwelckt! dein sigen hat ein Ende.

Dein hoher Ruhm verschwindt! der Tod streckt schon die Hände

Nach dem verdamten Kopff. Doch eh'r du wirst vergehn;

Must du dein Persen sehn in Kriges Flammen stehn /

Dein Hauß durch schwartze Gifft der Zweytracht angestecket/

Biß du durch Kinder-Mord vnd Nächstes Blut beflecket

Feind / Freunden vnd dir selbst vnträglich / wirst das Leben

Nach grauser Seuchen Angst dem Richter vbergeben.

CHACH.

Recht so! Princessin! recht! greif vnsern Sigkrantz an.

Bekrige Persens Ruh! reiß was vns schützen kan /

Mit starcker Faust hinweg. Laß nun du schon erblichen

Den wackern Hohmut auß / dem Abas offt gewichen.

Laß auff dem Brand Altar / dem Schauplatz deiner Pein

Zu lindern deinen Grimm vns selbst ein Opffer seyn /

Doch ist wol herber Rach' vnd die mehr kan betrüben

Als daß Wir / Feindin / dich auch Tod stets müssen liben.



Ende.


Quelle:
Andreas Gryphius: Catharina von Georgien. Stuttgart 1975, S. 103-120.
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Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

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