Der fünffte eingang.


[37] Nicander. Michael. Die trabanten. Exabolius.


NICANDER.

Gib dich.

MICHAEL.

Was habt ihr vor?

NICANDER.

auffs käysers wort gefangen!

MICHAEL.

Verräther!

NICANDER.[37]

Scheub auf uns, was Michael begangen!

MICHAEL.

Wie?

NICANDER.

Reißt den degen hin!

MICHAEL.

Mir?

NICANDER.

alsobald!

MICHAEL.

Mein schwerdt,

Das euren leib beschützt?

NICANDER.

Und unsern tod begehrt.

MICHAEL.

Hilff himmel! was ist diß!

NICANDER.

Was du dir vor genommen,

Ist nunmehr, zweifle nicht, zu letztem ziele kommen.

Bringt ketten!

MICHAEL.

Ketten? mir?

NICANDER.

Dir, mörder!

MICHAEL.

Ketten? nein!

Ich wil, und ob ich sterb, auch ungebunden sein.

NICANDER.

Dein wollen hat ein end.

MICHAEL.

Ha! diener des tyrannen!

Geht henker!

TRABANTEN.

Mörder komm!

MICHAEL.[38]

Wolt ihr in fessel spannen

Den, der für euer blut und freyheit hat gewacht?

TRABANTEN.

Er ringt nun mit dem schlaff.

MICHAEL.

Ach! werd ich hier verlacht,

Vor dem die erd erbebt? Wisst ihr, wen ihr verhönet?

TRABANTEN.

Den, welcher selbst zu früh sich in Bizantz gekrönet.

MICHAEL.

Was hetzt euch auf mich an?

TRABANTEN.

Dein ungerechte pracht,

Dein eigen mund.

MICHAEL.

Verflucht, der sich zum sclaven macht,

Dafern er herrschen kan! Du führst mich in die bande,

Durchaus vergällte seel! Abgrund der ärgsten schande!

Hof-heuchler! Doppelsinn! Mordstiffter! Lügenschmied!

Was hindert mich, dass ich nicht rasend glied von glied

Dir basilisce zieh und eyl in staub zu treten

Den schlauen natterkopff! Was hindert mich?

TRABANTEN.

Die ketten.

EXABOLIUS.

Die gruben zeigt ich dir.

MICHAEL.

Du zeigtest mir den tod!

EXABOLIUS.

Ich warnte, doch umsonst! Ich schreckte mit der noth;

Doch galt mein retten nicht.

MICHAEL.

Drum muss dein schelmstück gelten.[39]

EXABOLIUS.

Man kan, wenn lästern frey, die tugend selbst ausschelten.

Mich spricht die unschuld loß.

MICHAEL.

Ha! schweig tyrannen-knecht.!

Wo bin ich! Himmel hilff! Wo schläfft das große recht?

Gebunden, nicht verklagt! Verdammt, doch nicht verhöret!

Verrathen durch den freund. Den, den der barbar ehret,

Erwürgt der blut-fürst! Ach!

TRABANTEN.

Fort, fort!

TRABANTEN.

Hier gilt kein fliehn!

MICHAEL.

Doch bleib ich allzeit mein! Man soll mich ehr zerziehn,

Als ziehn, gieng ich nicht selbst.

TRABANTEN.

Stoß zu!

MICHAEL.

Ja stoß den degen,

Stoß hencker durch mein hertz! weil sich die glieder regen,

Ist Michael noch frey. Schleifft! würget! dringt und schmeißt!

Schlagt! bindet! ich bin frey. Druckt! martert! renckt und reißt!

Ich wil diß (stünd ich gleich in lichtem schwefel) melden:

Dass diß der tugend lohn und letzte danck der helden.


Reyen der höflinge.


Satz.


Das wunder der natur, das überweise thier,[40]

Hat nichts, das seiner zungen sey zu gleichen.

Ein wildes vieh entdeckt mit stummen zeichen

Des innern hertzens sinn; durch reden herrschen wir!

Der thürme last, und was das land beschwert,

Der schiffe bau, und was die see durchfährt,

Der sternen große krafft,

Was lufft und flamme schafft,

Was Chloris läst in ihren gärten schauen,

Was das gesetzte recht von allen völckern wil,

Was Gott der welt ließ von sich selbst vertrauen,

Was in der blüthe steht, was durch die zeit verfiel,

Wird durch diß werckzeug nur entdecket.

Freundschafft, die todt und ende schrecket,

Die macht, die wildes volck zu sitten hat gezwungen,

Des menschen leben selbst beruht auf seiner zungen.


Gegensatz.


Doch nichts ist, das so scharff, als eine zunge sey!

Nichts, das so tieff uns arme stürtzen könne!

O dass der himmel stumm zu werden gönne,

Dem, der mit worten frech, mit reden viel zu frey!

Der städte grauß, das leichen-volle feld,

Der schiffe brandt, das meer durch blut verstellt,

Die schwartze zauberkunst,

Der eiteln lehre dunst,

Die macht, durch gifft den Parcen vorzukommen,

Der völcker grimmer hass, der ungeheure krieg,

Der zanck, der kirch und seelen eingenommen,

Der tugend untergang, der grimmen laster sieg

Ist durch der zungen macht gebohren,

Durch welche lieb und treu verlohren.

Wie manchen hat die zung in seine grufft verdrungen!

Des menschen tod beruht auf iedes menschen zungen.


Zusatz.


Lernt, die ihr lebt, den zaum in eure lippen legen,

In welchen heil und schaden wohnet,[41]

Und was verdammt und was belohnet!

Wer nutz durch worte sucht, sol iedes wort erwegen.

Die zung ist dieses schwerdt,

So schützet und verletzt;

Die flamme, so verzehrt

Und eben wol ergetzt,

Ein hammer, welcher baut und bricht,

Ein rosenzweig, der reucht und sticht,

Ein strom, der träncket und erträncket,

Die artzney, welch erquickt und kräncket,

Die bahn, auf der es offt gefehlet und gelungen.

Dein leben, mensch! und todt hält stets auf deiner zungen!

Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 37-42.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
Leo Armenius

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon