Dritter Auftritt.


[131] Hotham. Dann der König. Grumbkow. Eversmann.


HOTHAM allein. Die Wachen lassen einen weißen Domino passieren aus Rücksicht auf den Prinzen von Wales, der gar nicht existiert? Und in das Kabinett des Königs trägt man in der Tat einen weißen Domino? Hier sind zwei Tatsachen. Der König selbst hat ein nächtliches Abenteuer vor, wobei er von seinen Wachtposten nicht gestört sein will. Seine Günstlinge, die alles zu erfahren suchen und doch nur alles halb wissen, bringen den Schloßbefehl mit dem Gespenst, genannt Prinz von Wales, in Verbindung und setzen eine Schonung des jungen Abenteurers vielleicht aus verwandtschaftlichen Rücksichten oder wohl gar aus politischen Absichten voraus. Unbezahlbar! Setzt sich, um im Portefeuille etwas zu schreiben. Da könnt' ich unter dem Vorwande,[131] den Prinzen von Wales einzuführen, den aus Berlin und dem Schloß verbannten Erbprinzen wieder ungehindert bald zu seiner gefangenen Prinzessin, bald zur Königin – ei, das wird Sonnenlicht! Aber erst noch Sturm. Der König kommt.


König zum Ausgehen bereit. Grumbkow.

Eversmann.


KÖNIG spricht schon draußen. Wer, sagten Sie?

GRUMBKOW. Der Ritter von Hotham.

KÖNIG eintretend. Sagen Sie ihm, ich ließe mich ihm und seinem englischen Preiskurant bestens empfehlen – Wir wären hier in Berlin nicht baumwollisch gesinnt –

GRUMBKOW zeigt auf Hotham, der sich verbeugt. Herr von Hotham wünscht Ew. Majestät persönlich aufzuwarten.

KÖNIG. Sagen Sie ihm, Preußen nähme sich zusammen. Die deutschen Fabrikanten müßten Luft haben, um den Engländern das nachzuhaspeln und nachzuweben, was die uns schon voraus sind.

GRUMBKOW. Herr von Hotham ist im Begriff, sich von Ew. Majestät selbst die Entlassung zu erbitten.

KÖNIG nicht achtend. Die Angelegenheit ist abgetan. Nur durch meine Minister! Ich ziehe die üblichen Formen vor. Setzt sich.

GRUMBKOW in der Mitte. Sie sehen, Herr von Hotham –

HOTHAM zu Grumbkow. Sagen Sie Sr. Majestät, Herr General, daß ich unendlich bedaure, den Zweck meiner Reise verfehlt zu haben. Sagen Sie ihm –

GRUMBKOW. Se. Majestät sind zugegen!

HOTHAM. Sagen Sie ihm, daß die Industrie eines Landes jahrhundertjährige Vorbereitungen bedarf, um den Preiskurant so niedrig zu stellen, wie ihn der englische Kaufmann stellt. Sagen Sie ihm –

GRUMBKOW. Wollen Sie nicht Sr. Majestät persönlich –?

HOTHAM. Ich ziehe die üblichen Formen vor.

KÖNIG sitzend und sich mit Notizen in seiner Brieftasche beschäftigend. Ganz schön! Und dann, Grumbkow, melden Sie ihm auch von wegen dem Prinzen von Wales, ich wollt' erst noch in Berlin ein paar neue Tore bauen lassen, jetzt müßt' er schon, um sich aus dem Staube zu machen, mit den alten vorliebnehmen.

GRUMBKOW. Sehr wohl.

HOTHAM. Und fügen Sie gefälligst hinzu, Herr von Grumbkow, da man annehmen dürfte, daß die Prinzessin die gleichen Empfindungen für ihren Vetter, den Prinzen von Wales, hegt –[132]

KÖNIG. Darauf gehen Sie gar nicht ein, Grumbkow, sondern erklären Sie ihm, daß meine Kinder gewohnt sind, meinen Willen zu erfüllen, und die Sache mit Wien auch schon so gut wie in Richtigkeit ist. Verstanden?

GRUMBKOW. Sehr wohl, Majestät.

HOTHAM. Fügen Sie auch hinzu, Herr von Grumbkow, daß ich beim Abschied von Sr. Majestät mir hätte eine Gnade ausbitten wollen.

KÖNIG. Grumbkow, Sie müssen ihn dann auch so beiläufig fragen, was das für 'ne Gnade sein soll.

HOTHAM. Herr General!

GRUMBKOW. Herr von Hotham!

HOTHAM. Wenn sich der König geneigt zeigt, die bittere Art, wie er einen Bewunderer seiner militärischen Größe entläßt, aus ihm angeborenem Edelmut wieder gutmachen zu wollen, dann sagen Sie ihm, ich hätte einen schöngebauten kräftigen jungen Mann, einen nahen Bekannten von mir, aus guter Familie, der es sich zur Ehre anrechnen würde, unter den ruhmvollen Fahnen Sr. Majestät von unten auf zu dienen.

KÖNIG. Grumbkow! Sie können dann auch dem Herrn von Hotham sagen, daß mir sein Wesen, seine Manieren recht wohl gefallen haben und daß ich von Herzen wünschte, die Engländer wären alle von seinem Schlage. Was den jungen Mann anbelangt, so ließ' ich ihn fragen, ob sich der Rekrut selbst equipieren wollte?

HOTHAM. Fügen Sie auch hinzu, Herr General, daß sich der junge Mann bei Sr. Majestät Armee einstellen würde, vorschriftsmäßig angetan, Haar und Herz auf der rechten Stelle, und daß er auch einen artigen Mutterpfennig mitbringt.

KÖNIG immer angenehmer berührt. Von einem geborenen Engländer nicht anders zu erwarten. Grumbkow, fragen Sie ihn auch, den Ritter, ob der junge Mann, der ohne Zweifel in England das preußische Exerzitium einführen soll, besser zu Fuß oder zu Pferde wäre?

HOTHAM. Er bittet um eine Stelle bei den Gardedragonern in Potsdam.

KÖNIG. Potsdam! Das geht nicht. Alles will zur Garde! Nein, nein, er kann eintreten – vorläufig in – in Pasewalk bei den Glasenappschen Füsilieren. Auch ein schönes Regiment.

HOTHAM. Drücken Sie Sr. Majestät meinen innigsten Dank aus. In einigen Tagen wird der junge Rekrut die Ehre haben, sich Eurer Majestät vorzustellen.

KÖNIG. Hören Sie, Grumbkow, wenn man aus Freundschaft[133] dem Ritter Hotham anböte, bei uns als Werbeoffizier einzutreten?

HOTHAM. Die Ehre würde er ausschlagen, sich dafür aber eine zweite Gnade erbitten –

KÖNIG. Die wäre?

HOTHAM. In allen Zeitungen, in allen Reiseberichten liest man von einer Gesellschaft in Berlin, die jede Vorstellung übertrifft, die sich ein Engländer von Klubs und geschlossenen Gesellschaften nur machen kann.

KÖNIG. Das sollte bei uns in Berlin die Polizei dulden? Da bin ich doch neugierig.

HOTHAM. Ein gemütlicher Mann versammelt wöchentlich einige Male in einem kleinen niedrigen Zimmer des Schlosses eine kleine auserlesene Gesellschaft von Männern, denen er sein nächstes Vertrauen schenkt. Auf hölzernen Schemeln sitzend, oft mit ausgezogenen Röcken, den Bierkrug vor sich auf dem groben Tisch von Eichenholz, die dampfende holländische Tonpfeife im Munde, unterhält man sich daselbst trotz der hohen Stellung, welche diese Männer alle in der Welt einnehmen, auf die ungebundenste Weise. Einige, die nicht rauchen können, halten, um das Ensemble nicht zu stören, die Pfeife kalt im Munde. Den Stoff zum Lachen bietet gewöhnlich ein Mitglied dar, und es geht förmlich nach dem Lose. Das Stichblatt der lustigsten Satire zu werden, kann an jeden die Reihe kommen. In eine Sitzung dieser sonderbarsten aller Hofassembleen eingeführt gewesen zu sein, wäre für mich eine der denkwürdigsten Erinnerungen, die ich von Berlin mit hinwegzunehmen wünschen könnte.

KÖNIG. Alle Wetter, Grumbkow, ich glaube gar, er meint unsere – Tabagie?

HOTHAM. Das weltberühmte preußische Tabakskollegium!

KÖNIG. Und davon hätten Sie – hätte der Ritter – Nein – Steht auf. jetzt brauch' ich die üblichen Formen nicht mehr. Ritter Hotham, Sie haben von meiner Tabagie gehört, Sie haben Gutes von ihr gesprochen, das söhnt mich mit Ihnen aus! Können Sie rauchen?

HOTHAM. Leichten holländischen Varinas.

KÖNIG. Hab' ich, auch Portorico, auch ungarischen Tabak. Ja, ich lasse jetzt sogar in der Mark Brandenburg einen trefflichen Knaster ziehen.

HOTHAM. Für diesen würde ich danken.

KÖNIG. Geben Sie mir die Hand, Ritter! Kommen Sie heut in unser Kolleg. Bei einem Trunk Bier spülen wir unsern diplomatischen[134] Ärger hinunter, und in den blauen Dampfwolken verpuffen wir alle unsere Ränke, Pfiffe und Kniffe.

EVERSMANN. Aber, Majestät, wer soll denn heute den Stoff um Lachen abgeben?

HOTHAM. Nehmen Ew. Majestät heute mich zum Stichblatt!

KÖNIG. Oho! Herr Ritter, da geht's scharf her! Wer so von einem Dutzend alter Soldaten geprellt wird, der erholt sich in ein paar Wochen nicht wieder!

HOTHAM beiseite. Angenehmes Schicksal, da den Fuchs zu machen.

KÖNIG. Wir finden aber schon einen, den wir heut in die Mitte nehmen. Lachen sollen Sie, lachen und dann – dann erzählen Sie uns auch etwas von den Hahnenkämpfen und von den Boxern in England. Sehen Sie, solchen Spaß, den hätt' ich für mein Leben gern und wollt' ihn auch gern hereinlassen ins Land, ohne Zoll, ohne Akzise. Also um acht Uhr Tabagie! Pardon für die sonderbare Abschiedsaudienz. Bringen Sie einen guten Durst mit. Im Trinken – da halten wir uns dann auch nicht an die üblichen Formen! Ab. Die übrigen, außer Hotham, folgen.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 131-135.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf Und Schwert; Lustspiel In Fünf Aufzügen. With A Biographical And Historical Introd., English Notes, And An Index (German Edition)

Buchempfehlung

Bjørnson, Bjørnstjerne

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.

70 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon