Valorich

Wohl ein sehr gros und mächtig Land hatt' sich erobert, mit kühnen und männlichen Thaten, Ermanerich, der ist gewest ein König über die Ostgothen; doch hätt' er das nicht vollbracht ohne Zuthun seines Schwertes Siegheim, das war gar ein gut Schwert, das Ermanerich immerdar höchlich ehrte. Wie aber die Hunnen gezogen kamen mit mehr denn viel tausend rüstigen Kriegern und Ermanerichs Königreich eroberten, fiel das gut Schwert Siegheim, nachdem es vielerlei Schicksal gehabt, in die Hand von Fiediger. Dieser war ein Enkel Ermanerichs, und nit wenig freut ihn der Degen, denn er wust sein Tugend wohl. Doch was wollts ihm helfen, das Volk der Gothen war zerstreut hie hin und dort hin, von Illyrien an bis zum Nordmeer und viel Stämme hatten sich erwählt eigne König' aus ihnen selber, andre dienten fremden Kriegsfürsten um schnödes Gold. Als Fiediger dies bei sich selbst bedacht, macht es ihn fast traurig. Da rief er sein jüngern Bruder Valorich und sprach zu ihm: Wißt Bruder, ich hab ein gut Abendtheuer bestanden, daß ich eins fährlichern Kampfs werth acht, denn seht! gewonnen hab ich dies alt Schwert, das unser Vater so fleisiglich suchte sein Lebenlang, aber es geziemt dem Schwert ein mächtigerer Herre,[59] denn ich bin, und so ich ein Flüchtling soll bleiben, der kein Erb hat noch Gut, noch größer Ehr denn bis itzo, so möcht ich mich fast des Fundes schämen. Das verhüt der Himmel! entgegnet Valorich, daß wir uns schämen sollten unsers Erbguts, oder uns geringer achten als unser Ahnherrn; was Einer noch gethan hat, und wär's auch fast schwer, so gedenk ich nit an kühnlichem Wesen hinter ihm zu bleiben. Weil ihr aber der älst seyd, Bruder, so sucht euch aus das unserer nit unwürdig sey, und ich will euch dienen und es euch erwerben helfen, das bin ich festiglich gesinnt.

Wie sie noch so mit einander redeten, kam des Wegs ein junger Gesell gegangen, der trug ein Harpfen in der Hand, wie die Spielleut pflegen, er grüßt sie freundlich und setzt sich zu ihnen nieder. Als er mocht geruht haben sagt Valorich: »Ich bitt euch Herr Spielmann, wenn's euch nit entgegen ist, so singt mir ein Lied, denn ich liebe der Harpfen und Cittern lustig Weisen.«

Ich will es thun, sagt der Liedersinger, und mein bestes Lied euch spielen, weil ihr mir so ehrlich zusprecht. Und nun nahm er die fein Harpfen von Elfenbein und schlug in die Saiten und sang dazu.


Zwei Augen wie Sterne

Die sähen so gerne

Das wonnige Licht,

Und dürfen es nicht;[60]

Die hellen Karfunkeln

Die könnten verdunklen

Das sonnige Licht,

Und dürfen es nicht.

O Liebesverlangen!

In Kerker gefangen,

Sind die Augen so minniglich,

Die Lippen so wonniglich,

Die Worte die milden,

Die Locken so gülden,

Es bricht mir das Herz

Vor Leidmuth und Schmerz.

Ich sehe bis an den Tod

Die Lippen rosinroth

Und sollt ich nimmer genesen,

Dächt ich doch an ihr minniglich Wesen,

An ihr Blicken so mild,

An das schönste Frauenbild,

Und sollt ich Schmach und Tod erwerben

Das Mägdlein minnt ich und sollt ich sterben.


Das ist ein gar jämmerlich und herzig Lied, sagt Valorich, wo lebt die schöne Magd, von der ihr gesungen? oder habt ihr sie nur in Gedanken gehabt wie die Liedersinger wohl pflegen.

Mit nichten, entgegnet der Spielmann; wenns euch gefällt auf mich zu achten will ich euch nit verhalten was ich von dem Jungfräulein weis. Sigismunda ist sie benannt, und ihr Vater ist gewest Herr Sigemar, ein König der Bojaren, die[61] herum wohnen an dem Strom Danubis, Frau Irmengard ihre Mutter ist bald verblichen, und hat ihren Ehherrn allein gelassen und ihr unmündig Kind Sigismunda. Wie die aber heranwuchs, gediehe sie in so wunderlicher Schönheit, daß sie jedermänniglich höchlich ergötzte, und wer sie einmal gesehn der mocht nimmer von ihr scheiden; so gar anmuthig war sie. Derhalben kamen auch viel Fürsten und Herrn weit und Breit her, und freiten um die königliche Magd Sigismunda, aber Herr Sigemar mocht sie nit von sich lassen, denn er war ihr gar mächtig zugethan. Einsmals mußt er einen Kriegsritt thun in ferne Land. Da war sein Tochter fast mißmuthig, und konnt ihn nit lassen vor großem Leid; auch Sigemar war mehr betrübt wie oft, und er gedacht im Herzen, er hätt wohl ehr sollen ein wackren Eheherrn erkiesen für sein Kind, der ihr Obacht nähm in fährlichen Zeiten. Er rief deshalb sein Bruder Odho, und sprach zu ihm: »Odho ich laß' mein Tochter in eurer Gewahrsam, und wann ich nit sollt wieder heim ziehn, so gebt ihr einen Gemahel wie sie will und ihr geziemt.« Das versprach Odho mit sein Handschlag, und Sigemar zog beschwichtigt von dannen. Da war Sigismunda lang viel betrübt bis ihr Botschaft käm, und oftmals stand sie auf dem Söller, und sah um nach der Heerstraß, und einsmals sah sie etzliche Reuter des Wegs sprengen. Sie stieg hurtig hinab in den Hof zu erkunden von wannen die Reuter kämen,[62] da trat ihr Herman entgegen Herr Sigemars Edelknecht, und bracht ihr Botschaft mit vielen Thränen, wie der König verschieden sey in der Schlacht. Da ward die Jungfrau unmächtig, und da sie erwacht konnt sie von Thränen und Seufzen kein End finden. Aber Odho war froh in seim Sinn, er vermeint die Jungfrau zu gewinnen, denn ihre übermäßige Schönheit thät ihm das Herz gänzlich bestricken, und er wußt sich kein Rath, als sie zu ehlichen. Derhalben ging er viel zu ihr und wollt sie beschwichtigen mit ehrlichen und herzigen Reden; aber sie mogt ihn nit gern hören, und antwort spärlich auf sein Kosen. Das verdroß ihn, denn er war hohen Sinns und stolzirend, und als er eins-


(Weiter ward nichts gedruckt.)


Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 3, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922.
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