[101] Cantores.

Cantores betriegen 1) Wenn sie ihre Untergebene in denen Sing-Stunden / darinnen solche in der Music sollen unterrichtet werden / mit Fleiß lange aufhalten /damit sie nur von ihnen desto mehr Lehr-Geld empfahen mögen. 2) Wenn sie diejenigen, denen sie wohl wollen / ehe sie noch eine Arie, geschweige denn eine Moutette, absingen können / ins Chor thun, andere aber / die tüchtiger darzu wären / unbilliger Weise davon abhalten. 3) Wenn sie bey Austheilung der Chor-Gelder nach Affecten handeln / und denenjenigen, deren Eltern etwa bemittelt sind / mehr Geld geben, als andern / die es besser meritirten / damit ihnen jener ihre Eltern es wiederum entgelten lassen mögen. 4) Wenn sie mit dem Chorago oder Præfecto Chori Musici einhalten / und mit diesem / daß er nicht so viel in die Rechnung bringe / als ersungen worden / sich verabreden, mithin aber von[101] dem gesammleten Chor-Geld denen armen Chor-Schülern etwas entwenden. 5) Wenn sie beym Umsingen des Neuen-Jahrs, Gregorii-Fests, und / wie an einigen Orten gebräuchlich / der Martins-Gans / das Geld, so ihnen etwa vors Singen ins Hauß geschicket wird /vor sich allein behalten / und solches mit den übrigen Schul-Collegen nicht behöriger massen partagiren /wenigstens das alte und gute Silber-Geld austauschen / oder nicht so viel / als sie bekommen haben, ansagen. 6) Wenn sie bey gedachtem Umsingen nicht zu behöriger Zeit anfangen, oder aber zu bald wieder aufhören / daß sie nur desto länger damit umgehen, und daher von denen Schul-Inspectoribus desto mehr Ferien bekommen mögen. 7) Wenn sie die zur Probe derer Musical-Kirchen-Stücke destinirte Sing-Stunden liederlich versäumen / und hernach, sonderlich bey annahenden Fest-Tagen, unter dem Vorwand, daß sie probiren müsten, die von ihnen zu haltende Schul-Stunden darzu anwenden, damit sie so dann ihre Frey-Stunden desto besser nach Commodité gebrauchen /und darinnen spatzieren gehen können. 8) Wenn sie dem Organisten oder einem andern Musicanten, auch wol den Sängern selbst, mit denen sie etwa in keinem guten Vernehmen stehen, mit Fleiß schwere Kirchen-Stücke und Concerten ohne vorherige Probe vorlegen, und diejenigen / so hernach fehlen, damit vor der gantzen Gemeinde zu prostituiren suchen. 9) Wenn sie selbst im Tact falliren / und / wie man zu reden pflegt, eine Sau machen / nichts desto weniger aber hernach die Schuld auf andere,[102] sonderlich auf die arme ihnen am nechsten stehende Discantisten / über welche sie ihre Auctorität am ersten ausüben können, verschieben. 10) Wenn sie bey Kind-Tauffen, Hochzeiten und Leichen ein mehreres, als ihnen von Rechts wegen gebühret und gebräuchlich ist / begehren, und /wo mans ihnen verweigert / den Choral- und Figural-Gesang darnach desto schlechter einrichten. 11) Wenn sie, da ihnen etwa eine Arie oder Cantata zu componiren vorgegeben wird / die Composition aus andern musicalischen Stücken heraus nehmen, und nur den ihnen vorgegebenen Text darunter setzen /gleichwol aber hernach sich selbst vor die Componisten sothanen Stücks ausgeben, und also Plagiarii Musici sind. 12) Wenn sie die Chor-Gelder nicht / der Gebühr nach / allzeit monathlich, oder quartaliter austheilen, sondern sothane Austheilung, weil sie etwa das Chor-Geld zu eigenem Nutzen verbrauchet und nicht beysammen haben, von Wochen zu Wochen verzögern, und dadurch manchen armen Schlucker von Choristen Noth leiden lassen. 13) Wenn sie bey solcher Austheilung allerhand böse Müntz-Sorten /womit sie etwa selbst von andern betrogen worden /in die Chor-Gelder mit untermengen, und bey der Gelegenheit, als ob sie in Fisco mit gewesen, an Mann zu bringen suchen.


Mittel: 1) Daß die Annehmung der Membrorum in dem Chor auf geschehene Probe eines Subjecti vom Rectore und Cantore approbiret / und der Chor-Fiscus von beyden zugleich administriret / dem Cantori aber die einseitige Austheilung der Chor-Gelder keines weges verstattet werde. 2) Daß zum Umfingen des Neuen-Jahrs[103] und dergleichen denen Cantoribus eine gewisse Zeit /nach deren Verfliessung auch die Ferien / sie möchten nun mit dem Umsingen fertig seyn oder nicht / aufhören /und hergegen die ordentliche Schul-Lectiones wieder angehen solten / von Schul-Inspectoribus gesetzet /bey denen Leichen aber / Hochzeiten und Kind-Tauffen ein mehrers / als sonst gewöhnlich gewesen / zu nehmen / von hoher Obrigkeit durch ein besonderes Edict unter Bestraffung gäntzlich verbothen werde.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 101-104.
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