Edel-Leute.

[129] Edel-Leute betriegen 1) Wenn sie sich vor ältere Geschlechte ausgeben / als sie sind. 2) Wenn sie nach dem ihnen etwa zukommenden Jure Patronatus untüchtige Subjecta zu ihren Pfarr-Herren vociren /damit sie von ihnen ungestrafft bleiben, oder sie über diese herrschen mögen. 3) Wenn sie mit ihren Zofen und Cammer-Mägdgen einhalten, und dadurch an ihren Gemahlinnen untreu werden / nichts desto weniger diese äusserlich ungemein zu caressiren[129] wissen. 4) Wenn sie ihre Zofen / bey vacanter Pfarr-Stelle, darüber sie das Jus Patronatus haben / zur Causa sine qua non machen, und die Pfarre an niemanden /er heyrathe dann das Zöfgen, übergeben. 5) Wenn sie ihren Lehn-Leuten an Sonn- und Fest-Tagen allerley Unfug auszuüben verstatten / nur damit sie bey sich ereignenden Excessen brave Geld-Bussen von ihnen erlangen mögen. 6) Wenn sie unter dem Deck-Mantel, die Gerechtigkeit zu handhaben / die Untersassen um geringer Ursachen willen, mit allzugrossen ungewöhnlichen Geld-Straffen oder schweren Frohn-Diensten belegen, und dadurch verursachen / daß diese ihre Güter verkauffen müssen, und folglich sie, die Lehen-Herren / davon ein Hand-Lohn bekommen. 7) Wenn sie in Bestraffung der Capital-Verbrechen / als Ehebruchs / Todtschlags / Dieberey / und dergleichen / mehr auf ihren Privat- als den gemeinen Nutzen sehen / und denen Missethätern die Leib- und Lebens-Straffen / unter dem Schein einer auszuübenden Barmhertzigkeit und Gnade, in eine Geld-Straffe verwandeln. 8) Wenn sie ihre Untersassen, ohngeachtet solche hart von ihnen tractiret worden / dennoch durch viele Drohungen abschrecken, daß sie nicht an höhere Gerichte appelliren dürffen. 9) Wenn sie ihre Untersassen durch gute und böse Worte beschwatzen / ihnen ihr umgeschlagenes oder gar verdorbenes Bier abzukauffen, und eben so theuer, als das gute und wohlgeschmacke zu bezahlen. 10) Wenn sie bey Jagen und Hetzen mitten durch die Saat und Getreide reiten / und unter dem Vorgeben / es wäre dergleichen ihnen zu thun unverbothen /[130] die Felder sehr verderben. 11) Wenn sie denen Benachbahrten heimlich in ihrem Gehäge hetzen oder jagen / und hernach es zu einer Possession anziehen. 12) Wenn sie denen Ihrigen aus dem Lande ziehenden, oder Fremden / in Erbschaffts-Fällen Abzug-Geld, dessen sie nicht befugt sind / abfordern / und / damit sie nur in die Possession dieser Einnahme kommen mögen / von ihnen quid pro quo anfänglich nehmen. 13) Wenn sie bey ihrem hergebrachten Jure sub-collectandi von ihren Lehen-Leuten mehr an Steuern fordern und nehmen / als sie hernach in die Landes-Cassa wieder lieffern / folglich den Uber-Rest in ihre Beutel stecken. 14) Wenn sie ihre Fröhner zu mehrern Diensten und Arbeiten durch allerhand Persuasiones bereden und gebrauchen / als sie hergebracht und berechtiget sind. 15) Wenn sie die Fastnachts-Hüner / Michaelis-Hanen und Oster-Eyer ihren Zinß-Leuten zu solcher Jahrs-Zeit, da sie am raresten und theuersten sind / anfordern und sich geben lassen.


Mittel: Durch gute Landes- und Policey-Ordnung sind solche Mißbräuche und Excesse am füglichsten abzuschaffen.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 129-131.
Lizenz:
Kategorien: