Kirchengänger.

[220] Kirchengänger betriegen 1) Wenn sie nur pro Forma zur Kirchen gehen, damit sie nicht für Unchristen mögen gehalten werden. 2) Wenn sie sich anstellen, als ob sie dem Prediger gar andächtig zuhöreten /dennoch aber nur mit dem äusserlichen Leibe zugegen seyn / mit dem Gemüthe aber unterdessen anderswo herumschweiffen. 3) Wenn sie, damit man nicht mercke, daß sie unter währender Predigt schlaffen / oder mit ihrem Nachbar einstweilen plaudern / die Gitter vor ihren Kirchständen zumachen. 4) Wenn sie beym Singen die Gesangbücher zwar aufschlagen, aber nicht das vorgeschriebene Lied mit singen / und doch / als ob sie mit singen / mit dem Munde nachbrummen. 5) Wenn sie unter währender Kirchen-Music und Predigten Profan-Bücher / ja gar die Zeitungen lesen / und gleichwol, als ob sie die Bibel oder ein Gebethbuch vor sich hätten, das Ansehen haben wollen. 6) Wenn sie beym Umgang des Klingel-Beutels zu dem Ende schlaffen / damit / wenn er an sie kommt / sie alsdann fein nichts einlegen dürffen.[220] 7) Wenn sie zwar in Klingel-Beutel etwas legen / aber nur böse Heller / Rechen-Pfennige / alte Schuh-Nägel / kleine Stückgen Blech und dergleichen / dazu nehmen. 8) Wenn sie auf die ihnen gehäßige Prediger lauren, und aus ihren Predigten gleich den Spinnen, Gifft saugen, solche auch hernach bey andern verdächtig machen. 9) Wenn sie ihren Predigern gefährliche Meinungen /welche sie in der Predigt behauptet hätten, andichten oder ihr in Thesi geführtes Straff-Amt in Hypothesi auf den und jenen deuten / da wol der Prediger sein Lebetage nicht daran gedacht hat. 10) Wenn sie solche Stände in der Kirche besitzen, dahin sie ohne von einigen oder vielen gesehen zu werden, kommen können, und daher zu spät oder etwa erst / da der Pfarrer schon auf der Cantzel steht / in die Kirche kommen /auch so gleich nach gehaltener Predigt zum Tempel wieder hinaus lauffen / solchergestalt aber singen und beten liederlich versäumen. 11) Wenn Weibs-Personen ihre kleine Kinder nur zu dem Ende mit zur Kirche nehmen / daß jene auf deren Schreyen worzu sie ihnen wol mit Fleiß Gelegenheit geben / desto eher wieder hinaus lauffen können. 12) Wenn sie nur sich und ihre prächtige Kleider oder Aufputz sehen zu lassen / oder solche Personen / in welche sie verliebet /in der Kirche zu sehen / auch wol en passant sprechen zu können / und also nicht Andachts- oder Hörens-wegen, sondern, nach dem bekannten Vers:


Spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsæ, sehens halber den Gottesdienst besuchen.


[221] Mittel: Daß jede Zuhörer anzuweisen / wo er dergleichen Kirchen-Nachbarn weiß / welche auf oberzehlte Arten nicht so wohl GOtt oder Menschen / sondern sich selbst durch Verachtung göttliches Wortes betrügen / daß er solches seinem Beicht-Vater oder der Obrigkeit zu geist- auch wohl weltlicher Bestraffung des Verächters /anzeige.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 220-222.
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