Regenten oder Landes-Herren.

[303] Regenten oder Landes-Herren betriegen 1) Wenn sie ihre Brüder / nahe Anverwandte / oder auch andere / weß Standes sie seyen / zu Beförderung ihres Interesse oder um anderer Ursachen willen / heimlich hinrichten lassen / und nach verrichteten Meuchel-Mord äusserlich thun / als ob sie davon nicht das geringste vorher gewust / und gar keine Schuld daran hätten / auch wol zum Schein nach den Missethätern inquiriren lassen / und sich als ob ihnen solcher Todt sehr nahe zu Hertzen gehe / anstellen. 2) Wenn sie durch allerhand unrechtmäßige Griffe die Regierung an sich zu bringen suchen / wie von Dario des Histaspis Sohn / welcher durch Hülffe seines Stallmeisters auf eine besondere List das Königreich Persien überkommen / beym Justino lib. I. cap. 10. gelesen wird. 3) Wenn sie sich zur Regierung zu gelangen für die rechtmäßige Erben und Nachfolger im Reich ausgeben / ohnerachtet solche im Krieg oder auf Reisen / oder auch in der Gefangenschafft schon vor langer Zeit umkommen seyn / wie dergleichen[303] Exempel der sel. Herr Juncker in einem besondern zu Eisenach edirten Programmate de Pseudo-Principibus angeführet hat. 4) Wenn sie / da menschlichen Gedancken nach / keine männliche Erben zu hoffen / andere gemeine Kinder supponiren / wie das Exempel unserer Zeit von Jacobi II. Königs in Groß-Brittannien angeblichen Sohne / dem Prætendenten oder Ritter von S. George bekannt ist. 5) Wenn sie in den Wahl-Königreichen / oder wo sonst durch die Wahl zu etwas zu gelangen / die Vota und Stimmen der meisten und vornehmsten Wahl-Herren mit grossen Geld-Summen / welche sie hernach von den Unterthanen schon wieder heraus zu pressen wissen / erkauffen. 6) Wenn sie denen Auflagen allerhand neue Titul und Nahmen geben / damit sie von ihren Unterthanen das Geld desto unvermerckter bekommen mögen. 7) Wenn sie /da sie in ihrem Lande gern eine fremde Religion einführen / oder sonst wider ihre Unterthanen etwas anfangen wollen / denenselben eine Zeitlang alle Freyheit lassen / und kein Laster / es mag auch noch so arg seyn / straffen / damit die falsche Religion nach und nach einreissen / oder da die Unterthanen des Unfugs gar zu viel machen und unter sich selbst uneinig werden / sie desto eher Gelegenheit an solche zu kommen erlangen mögen / wie dergleichen Vortheil Kayser Julianus Apostata sich insonderheit meisterlich zu bedienen gewust / wovon Seeligmann in Disp. de Fallaciis politicis §. 12. seqq. mit mehrern zu lesen. 8) Wenn sie denen Unterthanen vorbilden / wie nöthig es sey / zu Abwendung des Landes oder Reichs-Gefahr / sich in kostbare Kriegs-Verfassung[304] einzulassen / und Mannschafft anzuwerben / solche aber hernach andern Potenzien entweder käufflich oder sonst gegen Genuß Land und Leute / oder Ziehung gewisser Summen Geldes / zu ihren Diensten überlassen. 9) Wenn sie die Unterthanen oder Stände zu Willigung einiger Bau-Steuer / wegen Anrichtung ohnnöthiger Residenzen oder Lust-Häuser bereden / auch / daß die Unterthanen darzu mit Hand und Geschirr die Frohn-Dienste verrichten müssen / diesen weiß machen / da doch zu dergleichen Gebäuden / ja wol mehr zur Lust / als zur Nothdurfft unternommen werden / die armen Unterthanen weder Geld-Beytrag / noch Hand-Arbeit zu thun schuldig sind / auch GOTT der HErr selbst beym Propheten Jeremia XXII. v. 15. über solche ihre Lust-Schlösser mit Sünden bauende Herren das Wehe ausgesprochen hat. 10) Wenn sie denen Land-Ständen zu einer Reichs-Anlage / Steuern oder Contributiones anfordern und solche erheben / aber nur zum theil in die Reichs-Cassen lieffern und das übrige zu ihrem Nutzen verwenden. 11) Wenn sie von denen Delinquenten pro Abolitione Criminis heimlich Geld nehmen / und vorgeben / oder kund machen lassen / man hätte auf solche Personen / ohngeachtet gnugsamer Inquisition, nichts bringen können / da doch solche Missethäter ihre Delicta wol bereits gestanden / oder derer gar leicht überführet werden können. 12) Wenn sie durch subornirte Zeugen und falsche Anklägere /wie König Achab dem Naboth gethan / diesen oder jenen Unterthan um seine Güter / Dienste oder Geld bringen. 13) Wenn sie von denen Reisenden[305] Weg-und Brücken-Zölle / Geleit und dergleichen zu Besser- und Erhaltung derer Land-Strassen / Brücken und Wege nehmen / solche Gelder aber nicht zu dem Nutzen und Strassen-Bau / worzu sie gehören / sondern davon einen Theil zu Mehrung ihrer Intraden anwenden. 14) Wenn sie die Unterthanen zu neuerlichen Frohn-Diensten und Arbeiten in Lust-Gärten / Schantzen / Wachten und dergleichen / unter dem Vorgeben / sie wären als Unterthanen dergleichen zu leisten schuldig / anhalten. 15) Wenn sie geringhaltige Land-Müntzen zu vorgeschütztem Behuf derer Unterthanen häuffig ausmüntzen / und / da solche eine Zeitlang unter denen Leuten herum gelauffen / selbige unter dem Vorwand / bessere Müntze daraus zu prägen /wieder einschmeltzen / und die Unterthanen anhalten /vor die alte Müntze mit Einbuß die neugemüntzte Sorten anzunehmem. 16) Wenn sie das Geldmüntzen verpachten / und denen Müntzern verstatten / zu Herausbringung deren hohen Pacht-Geldes und darüber schlagenden vielen Gewinstes / solche Müntzen /welche mehr Kupfer- als Silberhaltig sind / auszuprägen / und gleichwol auf die äusserliche Umschrifft Moneta argentea setzen lassen. 17) Wenn sie ihrer Unterthanen Privilegia, Freyheiten und Immunitäten /welche die Landes-Vorfahren ihnen oneroso Titulo, oder aus ein und anderer guten Absicht ertheilet /unter dem Vorgeben / daß die Vorfahren im Regiment dergleichen nicht zum Præjudiz derer Nachfolgere verleihen können / beschneiden / auch wol gar annulliren / oder wenigstens disputirlich machen / alles zu dem Ende / damit die Besitzere[306] sothaner Privilegien sich erklären mögen / solche gegen Erlegung eines Stück Geldes bey Ihnen confirmiren und renoviren zu lassen. 18) Wenn sie in ihre Verschreibungen / Verträge und solcherley Documenta zweydeutige Worte /dunckele Redens-Arten und dergleichen setzen lassen / und solche hernach / wie sie wollen / zu ihrem Vortheil / und hingegen zu des andern Schaden auslegen. 19) Wenn sie / denen Städten und brauenden Bürgerschafften zu Abbruch / aller Orten Brau- und Schenck-Stätte / unter Vorbildung / es geschehe dem Land-Mann und Reisenden zum besten / anrichten / und in solchen alle Uppigkeiten / Völlerey / Sonntags-Täntze und andern Unfug verstatten / damit desto mehr Getränck consumiret / und ihnen an Tranck-Steuer und Accis fein vieles zuwachsen möge. 20) Wenn sie von Mördern / Ehebrechern / und dergleichen andern Missethätern ein Stück Geld nehmen / und sie heimlich aus der Custodia entwischen und fortlauffen / hernach aber vorgeben lassen / sie wären ohngefehr oder durch ihre eigene List aus der Gefängniß entrunnen und entwischt. 21) Wenn sie sich von Predigern ihre offenbahre Sünden und Laster nicht auf der Cantzel straffen lassen wollen / vorwendende / daß dadurch ihre Unterthanen wider sie verhetzet / und sie bey ihnen in Despect gerathen / folglich um ihre Obrigkeitliche Auctorität gebracht würden.


Mittel: Daß geist- und weltliche Dienere / welche bey Herrschafften ein Wort zu sprechen haben / diese vor solchen göttlichen Zorn und allen Unseegen nach sich ziehenden Sünden besonders / oder collegialiter verwarnen[307] und abrathen / unter Vorstellung / wie daß dergleichen ungerecht Gut / wo es zu dem rechtmäßigen geleget werde / solches gewiß verschlinge / und gleich sey einem Wolfe unter denen Schafen / oder Hecht in einem Teich mit Brut. Unterthanen aber haben GOTT anzuruffen /daß er sie vor solcher Obrigkeit behüten / oder dieser Hertzen zur Erkenntniß und Abstellung solches betrieglichen Wesens lencken wolle.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 303-308.
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