Scharff- oder Nach-Richter.

[329] Scharff- oder Nach-Richter betriegen 1) Wenn sie ihre Privilegien mißbrauchen / und zumahlen an Orten wo man sie nicht kennet / in ihrem Stande vielmehr sich heraus nehmen / als ihnen erlaubet. 2) Wenn sie die Hunde hinterlistiger Weise ergreiffen und umbringen / damit sie von solchen das Fett und den Balg zu ihren Nutzen gebrauchen können. 3) Wenn sie / nach geschehenen Selbst-Mord / bey Herausschleppung des Entleibten mehr prætendiren /als ihnen gehöret von denen Sachen / welche um den Selbst-Mörder herum liegen. 4) Wenn sie[329] Artzeneyen præpariren / und Menschen und Vieh zu curiren sich unterstehen / davon sie doch keine Wissenschafft haben / wie sie denn auch daher / weil sie sich öffters vor Apothecker gebrauchen lassen / in der Chur-Maynzischen und Franckfurtischen Apothecker-Ordnung / in Ansehung / daß einem Gefolterten die Glieder einlencken / zur medicinischen oder chirurgischen Praxi noch nicht zulänglich sey / billig verworffen worden. 5) Wenn sie die Einfältigen bereden, sie wolten ihnen vor ein geringes Geld etwas geben /daß keine Hexe weder an ihrem Viehe / noch an allen dem, was sie im Hause haben / Schaden thun oder etwas nehmen könne, oder solle. 6) Wenn sie / nicht so wol nach dem Befehl der Richter, als vielmehr nach ihren eigenen Affecten richten / und den armen Sünder entweder aus einem grausamen Haß zu viel leiden lassen, oder bey der Tortur / Staupenschlag und dergleichen mit den Maleficanten heucheln und um Geschencke oder Freundschafft wegen selbigen gar zu wenig thun. 7) Wenn sie / wie / nach Anzeige des Hn. Gerbers in s. Fortsetzung der Unerkannten Sünden der Welt p. 754. wol eher geschehen / die Weiden vergifften / daß das Viehe davon Hauffenweiß hinfalle / und sie desto mehr zu thun bekommen mögen. 8) Wenn sie um nichtiger Ursach willen ehrlichen Leuten zur Beschimpffung den Schinder-Karren vor die Thür führen / nur damit diese sich mit ihnen abfinden müssen. 9) Wenn sie die Leute bereden / machen zu können / daß ein Dieb das gestohlene Guth wieder bringen müsse. 10) Wenn sie die Schweine mit Luder füttern / und damit / wenn sie[330] geschlachtet sind / das Gesinde speisen. 11) Wenn sie / da ihnen ein mageres oder sonst verunglücktes Pferd zum Abdecken zugeschicket wird / solches wieder aufstopffen / oder ausheilen / und hernach etwan andere noch damit betriegen. 12) Wenn sie mit Pistolen und andern Geschoß oder Seiten-Gewehr handeln / und von solchen / daß es alle Festigkeit auflöse / von demjenigen aber / der dergleichen Gewehr bey sich führe / daß demselben niemand einen Schuß / Stich oder Hieb anbringen könne / die Leute bereden. 13) Wenn sie bey mißlungener Hinrichtung eines Maleficanten durchs Schwerdt vorgeben, es wäre ihnen gethan worden / sie hätten vor dem Diebe 3. Köpffe gesehen / und was dergleichen mehr ist / nur damit sie unter solchem Deckmantel ihre Ungeschicklichkeit verbergen mögen. 14) Wenn sie sich grosser Wissenschafft mit Haußmitteln / Specificis oder so genannten Arcanis rühmen / solche aber vorher entweder selbst nicht probiret haben / oder doch bey der Probe nicht zugegen gewesen / sondern nur von Hörensagen und aus alten Kräuter-Büchern haben / nichts destoweniger damit allerley Kranckheiten ohne Unterscheid curiren wollen. 15) Wenn sie beym Urin besehen denen Leuten allerhand Lügen / woher die Maladie dieses oder jenes Patienten herrühre / vorsagen / und bey Bauern oder Handwercks-Leuten / die Schuld etwa einem kalten Trunck, bey Beamten dem Zorn / bey Wittwen und verschuldeten Personen einem Gemüths-Kummer, u.s.f. zuschreiben, und da dieses nicht eintrifft, dem Wasser-Uberbringer fragen: Wie und wenn der Urin sey aufgefangen worden? da mag es nun geschehen seyn, wenn[331] und wie es will / so ist es denen Betrügern nicht recht / sie sprechen man solle den Urin anders auffangen / und wieder zu ihnen kommen / dann würden sie besser urtheilen können. Inzwischen geben sie für 16. gl. zu brauchen / da stirbt immittelst entweder der Patient / so bleiben sie künfftig mit dem unbekannten Urin verschonet / oder er lebet / so haben sie schon Gelegenheit / nemlich von der eigentlichen Beschaffenheit der Kranckheit nähere Nachricht einzuholen / und da thun sie alsdann / als wenn sie solche aus dem recht aufgefangenen Wasser gesehen hätten: Will die Betrügerey den Stich noch nicht halten, so sprechen sie, es sey Hexerey / der Patient wäre behext, die nächsten Nachbarn / die der Patient für seine beste Freunde hielte / hätten ihm solches verursachet /es sey gethan Ding / u.s.w. conf. Anonymi entdecker Betrug aller Menschen im Handel und Wandel / 3te Eröffnung Cap. 4. p. 121.


Mittel: 1) Daß man zu dergleichen Amte ehrliche und unerschrockene Leute / auch solche / die in ihrer Kunst wohl erfahren / und von jederman ein gutes Zeugniß der Auffrichtigkeit haben / nehme / wie Carpzovius in Prax. Crim. P. III. qu. 37. n. 52. erinnert. 2) Verbiete /daß sie die arme Sünder und Selbst-Mörder nicht berauben / und etwas von ihren Kleidern oder Gütern nehmen. 3) Daß sie keine Hunde abfangen / 4) sich aller innerlichen Curen / nicht weniger derer äusserlichen / ausser was Glieder-einrichten und dergleichen betrifft / 5) auch aller zauberischen / unnatürlichen Mittel und abergläubischen Stücke sich enthalten / 6) noch weniger denen Leuten / welche von ihnen die Personen / so sie bestohlen oder ihnen durch Hexerey Schaden gethan / wissen wollen / mit Rath und verbottenen Künsten an Hande gehen / vielmehr[332] solche gottloß-fragende der Obrigkeit zu billiger Abstraffung so fort anzeigen.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 329-333.
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