Neunter Auftritt

[133] Henriette, Lisette und der Hausmeister.


LISETTE. Dem Himmel sey Dank, daß wir endlich allein sind; Zum Hausmeister. was steht denn ihr noch hier? ihr könnt itzt schon eurer Wege gehn.

HAUSMEISTER. Wie? was hat die Jungfer gesagt?

LISETTE. Ihr sollt von hier gehen, sag ich.

HAUSMEISTER. Ich muß ja auf die Trud warten.

HENRIETTE zum Hausmeister. Geht nur! itzt seydt ihr hier nicht nothwendig.

HAUSMEISTER. Meinerwegen! wenn aber die Trud über sie kömmt, und erwürgt sie, so will ich nachdem nichts wissen Geht ab.

HENRIETTE. Nun, meine liebe Lisette! kann ich meinen Thränen ungehemmten Lauf gestatten; doch was soll ich zuerst beweinen? die Untreue des Valers, oder die bevorstehende Vermählung mit dem verabscheuungswürdigen Phantasten? das erste bringt mich zwar um das, was ich auf der Welt am meisten geliebt habe, belehrt mich aber zugleich, daß ich diese meine zärtliche Liebe an dem treulosesten[133] Menschen verschwendet habe; das zweyte hingegen stellt mir das unvermeidliche Unglueck einer mir höchst verhaßten Verheyrathung vor Augen, bey der mich nichts, als ein geschwinder Todt glücklich machen kann. / So sehr ich den Zwang beweinen muß, mit dem mich mein Vater bey dieser Verbindung beleget, so fliessen dennoch diese Thränen, diese so bittere Thränen, treuloser Valere! mehr deiner, als meines eignen Unglückes wegen.

LISETTE. Denken sie nicht mehr an das Ungeheuer. Es ist ihrer schönen Erinnerung gänzlich unwürdig. Hier lesen sie den Brief, sie werden noch ganz andere Proben seiner Niederträchtigkeit darinnen finden, als ich ihnen nur in höchster Eil habe melden können. Will ihr den Brief geben. Lesen sie dieses höllische Blat, lesen sie es, und verabscheuen sie alsdenn mit mir Lebenslang das falsche, das betrügerische männliche Geschlecht.

HENRIETTE. Ich will es nicht lesen, mein Schmerz würde bey Erblickung jener Handschrift, die für mich sonst tausend zärtliche Worte, und nichts als Versicherungen ewiger Treu in sich hielt, mich ausser mich setzen; ist es möglich, daß Valere, jener Valere, den ich über alles liebte, und der mir immer die stärkisten Proben wahrer Treue gab, mich so jäh, so leichtsinnig hat hintergehen können? / was für ein Zauberherz muß ihn mir entzogen haben? / morgen wird er zum Regimente reisen, und mich verlassen, / mich treuloß verlassen!

LISETTE. Ist es möglich, daß die hanswurstische Bestie mich armes Mädel, die ich ihn fast rasend geliebt, und mich seinerwegen bey der Stadt in den Ruf gegeben habe, so schändlich betrugen könne? / o! du falsches Mannsthier! ich fühle eine so ausserordentliche Rache wider das ganze männliche Geschlecht, daß ich vor Zorn alle Mannsbilder zugleich zerbeissen und fressen möchte.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 133-134.
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