Vierter Auftritt.

[190] Odoardo, ohne Hut und Degen aus dem Hause.


ODOARDO. Was giebt es schon wieder? Vor sich. he! was Teufel, gar ein Heyduck?

HANSWURST. Sind sie der Herr Odoardo von Einhorn?

ODOARDO. Ja, guter Freund! der bin ich.

HANSWURST. Kennen sie meinen Herrn Grafen?

ODOARDO. Was weiß ich, wer sein Graf ist, ich kenn ihn nicht.

HANSWURST. Aber ich kenn ihn gut, meinen Herrn

ODOARDO. Notwendiger Weise muß er seinen Herrn kennen, weil er sein Diener ist, was geht dieß aber mich an?

HANSWURST. Das geht sie stark an, denn er hat von ihrer Tochter gehöret, daß sie soll ein Gesicht haben, und deßwegen, weil er ohne dieß hier vorbey reist, wäre er begierig sie zu sehen.

ODOARDO. Mein lieber Freund! meine Tochter ist kein Schaugericht für die reisende Cavaliers, und sein Graf wird wohl mehr Frauenzimmer mit Gesichter gesehen haben?

HANSWURST. Er reist aber in der Welt herum, um sich eine Frau auszuschauen, und wo er vorbey reist, und hört, daß ein schönes Mädel seyn solte, so muß er es sehen, und die ihm recht nach seinem Kopf, und seiner würdig ist, die heurathet er vom Fleck weg.

ODOARDO. Ja, wenn der Vater sie ihm giebt, aber sonst nicht; was ist denn endlich sein Herr für ein grausames Wunder der Welt, daß er unter den Frauenzimmern so herum mustert?

HANSWURST. Es sind seine Excelenz der Herr Graf von Ganßbiegel!

ODOARDO. Ganßbiegel! Er lacht heftig. hab ich in meinem Leben einen närrischeren Namen gehört?

HANSWURST. He! moderir sich der Herr, der Herr lacht wie ein Stockfisch, wenn der Herr wissen thäte, was in dem Namen Ganßbiegel stecket, so wurde der Herr anderst Respect haben.

ODOARDO. Daß kann seyn, aber es ist der Namen Gannßbiegel schon närrisch, daß man unmöglich auf Respect denken kann.

HANSWURST. Sie müssen nicht glauben, daß mein Graf den Namen Ganßbiegel von einer Eipeltauer, oder sonst von einer Martiniganß herführt, sondern er führt seinen Adel und den Namen von den Gänsen her, die[191] das Capitolium zu Rom erhalten haben, weil sein erster Stammenvater Aesculapius damals Stadtcomendant in Rom gewesen ist.

ODOARDO. Ich habe in meinem Leben nicht gehört, daß damals, als die Römer Gänse das Capitolium erhalten haben, ein Aesculapius in Rom gewesen sey; allein ich untersuche dieses gar nicht, sondern sag er mir nur, wie sieht denn sein Herr aus? hat er brav Geld? beschreib er ihn mir ein wenig.

HANSWURST. Wenn ich ihnen alles beschreiben wollte, so hätte ich ein halbes Jahr zu erzehlen, aber ihnen kurz zu sagen, mein He Graf ist ein blutjunger Mensch, wohl gemacht, nicht mehr als 2. Augen im Kopf, weiß und roth wie ein Fleischbank, seine eigenen Haare; er kann alles, was ein Mensch auf der Welt nur wissen kann, er redet 289. Sprachen, und Geld hat er, das ist nicht auszusprechen; er hat alle Tag einmalhundert taufend Louis D'ors Einkommens, und wenn er heurathet, so verschreibt er seiner Frau, gleich dreymahl hundert tausend Millionen Souverains d'Or, und extra ein Wittibsitz von 200. Meil Wegs, und dem Schwiegervater giebt er gleich für die Tochter 10. Millionen Kaufschilling.

ODOARDO vor sich. Fickrement! das letzte war das beste. Zu Hanswurst. Aber sag er mir, guter Freund, wo residirt dann sein Herr, wo ist er denn zu Hauß?

HANSWURST verwirrt. Verstehen sie die Ortographie?

ODOARDO. Was ist das die Ortographie?

HANSWURST. Die Landkarten.

ODOARDO. Nein, die versteh ich nicht.

HANSWURST vor sich. Das ist desto besser für mich. Zu Odoardo. Nun, ich will ihnen eine kleine Beschreibung von meines Herrn seinen Landgütern machen, er residirt zu Maltha.

ODOARDO. Wo liegt das Maltha?

HANSWURST. Maltha? das liegt noch in Ober- Österreich.

ODOARDO. Und das wär nicht weit, und wie siehts dort aus?

HANSWURST vor sich. Mir wird schon angst, ich kann nicht mehr fort Zu Odoardo. ich kann ihnen unmöglich alles sagen, bis wir bessre Zeit zu reden haben, mein Graf wartet schon auf die Antwort, denn er hat mich hergeschickt, ihnen zu sagen, daß er ihre Tochter gerne sehen möchte.

ODOARDO vor sich. Je! was Teufel, das ist ja verdammt, daß mein[192] Mädel nunmehr entführt ist, was wär das für ein Glück für sie? Fickrement! 10. Millionen Kaufschilling, das wär ein Fressen!

HANSWURST. Nun! wo haben sie ihre Tochter? geben sie sie her, daß ichs meinen Grafen kann sehen lassen.

ODOARDO. Ja! das ist nicht gleich so geschwind geschehen, ich muß erst – Vor sich. ich weiß nicht, was ich sagen soll Zu Hanswurst. sag er seinen Herrn Grafen –

HANSWURST. Was er – er! ich bin kein er, ich bin ein Herr, ich heiß nicht er! ich heiß Monsieur Heyduck.

ODOARDO lacht. Nun also, Monsieur Heyduck, sag der Herr seinen Herren Grafen, daß er entweder mir die Gnade erweisen sollte, morgen in mein Schloß zu kommen, oder mir erlauben sollte, daß ich ihm mit meiner Tochter, an dem Ort, wo er sich aufhaltet, aufwarten dörfte, alsdenn würden wir schon das weitere sprechen; Vor sich. wenn es nur bis morgen Zeit hätte, wann wir einmahl das Zauberschloß bestürmt haben, so werd ich meine Tochter schon nach Hauß kriegen.

HANSWURST. Ich wills zwar meinem Herrn Grafen sagen, aber ich weiß nicht, ob er sich die Mühe geben wird, wegen ihrer elenden Tochter sich bis Morgen aufzuhalten.

ODOARDO. Was heißt der Herr meine Tochter elend, der Herr hat sie ja nicht gesehen?

HANSWURST. Wann sie ihre Tochter ist, so kann sie nicht viel besser seyn.

ODOARDO. No no! ich will lieber gehn, der Herr ist ein Spaßmacher, und ich hab den Herrn schon meine Meinung gesagt, leb der Herr wohl! Will abgehen.

HANSWURST zieht ihn zurück. Wann sie gehn wollen so bezahlen sie mich ehender.

ODOARDO lacht. Was wär dann ich ihm schuldig, guter Freund, für was soll ich ihn zahlen?

HANSWURST. Für meinen Gang, den ich hierher gemacht habe.

ODOARDO. Das wär was neues, hab denn ich ihm das Hergehen geschaft?

HANSWURST. Das just nicht, ich bin aber wegen ihrer Tochter hergegangen, und ein Heyduck ist ein schwerer Mensch, der kann keinen Gang umsonst machen, geben sie also nichts?

ODOARDO. Was soll ich geben? natürlich geb ich nichts.

HANSWURST. So werd ich ihnen was geben Er nimmt den Beutel heraus.[193] Da haben sie 2. Siebzehner, trinken sie meine heyduckische Gesundheit. Und auf die Seite ab.

ODOARDO allein, lacht. Das ist ein wunderlicher Mensch, er wird glauben, wie er mich ausgezahlt hat, ich lache aber dazu, ich wollte wünschen, daß ich von jedem Heyducken in der Welt 2. Siebzehner bekäme; in die Haußwirthschaft ist jeder Kreutzer gut. – Aber die Nacht rückt immer näher heran, es ist Zeit, daß ich zu unserer Geisterbannerey Anstalt mache. In das Hauß ab.


Quelle:
Die Maschinenkomödie. Herausgegeben von Dr. Otto Rommel, Leipzig 1935, S. 190-194.
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