Zweyter Auftritt.

[351] Ferdinandus. Rodrigo nebst zwey Trabanten /Dehren Einer ein Goldenes Trinck-Geschirr trägt.


RODRIGO.

Durchlauchter Printz ich klage /

Daß ich ein Bothe bin so herber Post und Plage!

Der König ist betrübt zugleich auch höchst-ergrimmt /

Daß Ferdinandens Hertz auff diesem Strudel schwimmt /

Wo nichts als Gifft außstreun die Christlichen Sirenen /

Die unsrer Götter Macht und Tempel stets verhönen.

Weil Er nun keinen Christ vor seinen Freund erkennt /

Auch selbst daß Recht von Jhm Kron / Thron und Leben trennt /

So wil Er daß der Printz stracks durch diß Gifft erblaße /

Es sey dann daß sein Sinn den tollen Wahn verlasse.

FERDINANDUS.

Nein Nein! Rodrigo! Nein! Jch schelte diesen Rath!

Jch sage Ewig Danck der Fürstin Liberat.

RODRIGO.

Die Jhn deß Throns beraubt und auff die Bahre stürtzet?

FERDINANDUS.

Die mir der Sorgen Qval auff dieser Welt verkürtzet?

RODRIGO.

Die seine Jahre kürtzt und Fürst und Reich betrübt?[351]

FERDINANDUS.

Die vor des Tagus Gold mir Sternen-Kronen giebt?

RODRIGO.

Wie hat doch seinen Sinn bezaubert die Sirene!

FERDINANDUS.

Hir ist kein Zauberwerck / nur Himmlisches Gethöne.

RODRIGO.

Der Printz erwählet Glaß vor rechte Edelstein.

FERDINANDUS.

Genug Rodrigo! gnug! Man rede mir nicht ein!


Er reichet nach dem Gifft-Geschirr und trincket auß selbtem das Gifft auff einmahl auß.


Wilkommen libster Tranck / du Nectar meiner Seele!

Komm führe meinen Geist auß seines Kerckers Höle!

Komm führe meinen Geist in das Elyser-Feld /

Wo Liberata sich in schönster Wonn auffhält!


Er setzet sich auff sein Ruhe-Bette.


So reis' ich nun getrost auß disem Kreiß der Erden!

Laß JESU mir diß Gold zu einem Glücks-Stern werden!

Und wann mich nun bestürmt des Todes rauhe Pein /

So laß mir dises Gifft ein Lebens-Wasser seyn!


Er leget sich auffs Bette.


Ade nun grimmer Fürst! Gedencke an mein Sterben /

Und daß du Ursach seyst an Ferdinands Verterben!

Das Gifft dringt mir zum Hertz! O Jammer-volles Weh!

Mein JESUS nihm mich auff! Jch zitter! Jch vergeh!


Er stirbt.


RODRIGO.

Es wil die Seele sich auß jhrem Wohnhauß schwingen /

Jch muß den Todes-Fall dem König hinterbringen.


Quelle:
Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin und New York 1975, S. 351-352.
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