(XLV.)
Der subtile Kirchenraub.

[160] Nachdem Prometheus das Feuer vom Himmel geraubt / ist nichts so heilig das nicht solte entheiliget werden. GOtt siehet vom Himmel auf der Menschen thun / und die Gottlosen bleiben nicht vor ihm. Wann der Haußvatter wüste / zu welcher Zeit der Dieb kommen würde / solte er nit wachen? GOtt aber weiß es / und sihet auf das nidrige. Wie solte er dann ungestrafft lassen / alle die seinen Tempel / als sein Hauß / das ihm zu ehren gebauet worden / berauben?[160]

2. Zu Paris haben vor wenig Jahren die Augustiner-Mönchen ein Jubelfest gehalten / bey welchem völligen Ablaß gegen der Gebühr / zu erwerben. Unter einer grossen Menge zusammen geloffnen Volcks / muß sich auch eine grosse Unordnung finden / welche den Beutelschneidern ein halb gewonnens Spiel an- oder in die Hand gibt; dann dieses Handwerck einen schlechten Verlag vonnöthen hat / und so bald die Arbeit geschehen / hat der Meister das baare Gelt in den Händen.

3. Bekant ist / daß das Almosen in eine Schüssel geworfen / und wann selbe voll / in einen großen Stock gestossen wird / darvon hernach die Nohtdurfft verschafft / und unter andre Arme außgetheilet zu werden pfleget. Auf diesen nun von zweyen Tagen deß Jubelfests her wol angefülltem Stock / machten fünff kühne Helden unter den Beutelschneidern / die nur auf grosse Streiche bedacht / diesen listigen Anschlag.

4. Auf den Abend gehen sie in die Kirchen / und einer unter ihnen fällt / zu Folge genommener Abrede / zu Boden / als ob er von der Pest / welche damals sehr regierte / plötzlich gestorben. Die andern werffen einen Mantel auf ihn / und sagen / daß er die Pest an dem Hals gehabt / aber doch vor seinem Tod den Ablaß seiner Sünden gewinnen wollen / daß sie ihn nicht zu Hauß behalten können.

5. Die Mönchen gehen beseits / als welche keinen Lust zu sterben hatten / wie auch andre / so in der Kirchen waren. In dem nahet die Nacht herbey / und der Prior bietet ihnen Gelt / wann sie diesen ihren Gesellen wegtragen würden / damit ihre Kirchen nicht verschreit / und sie deß Almosens beraubt / verarmen möchten. Sie begehrten eine Laiter / Stricke / und nehmen etliche Kronen zu Lohn: tragen aber keinen Verstorbenen / sondern den Geldstock / mit dem Mantel bedecket / aus der Kirchen / und hilfft der / so zuvor als todt nidergefallen / tragen / weil sich der fünffte darvon gemacht / daß nicht mehr als vier gesehen worden.

6. Als nun diese Raubvögel das Gelt vertheilt; den[161] Stock verbrent / in dem die Mönchen ihre Kirchen außräuchern / den bösen Lufft zu vertreiben / und als sie die Ablaßpfennig zehlen wollen / und nicht gefunden / haben sie ihre Pflegere in Verdacht gehabt / als ob sie solchen entwendet hätte: weil aber der Beweiß solcher Untreue schwer / hat keiner der Katzen die Schellen anhengen wollen; daß niemand wissen mögen / wo dieser Stock / mit so grosser Baarschafft hingekommen.

7. Es begab sich aber / aus sondrer Schickung deß gerechten GOttes / daß der jenige / welcher den Todten bey der Abnahm gespielet / mit der Pestilentz würcklich bestraffet wurde / und in der Beicht bekennet / daß er einer von den Kirchenraubern / der der Augustiner Almosen stehlen helffen / und ist also nach dieser Bekantniß / Gott weiß wie / dahin gestorben. Die andren aber sind wegen andrer Diebsliste in Verhafft / und an den Galgen kommen.

8. Was für ein Geist diese Belials-Kinder treibt / ist leichtlich zu erachten / für eine kurtze und hinfallende Freude / welche sie an dem ungerechten Mammon haben / müssen sie ewiges Hertzenleid erfahren. Wer das Heilige mit unheiligen Händen anrühret / wie Usa und Eli Kinder / werden deß Höchsten schwere Zornhand empfinden / und nit entfliehen / wann sie auch Flügel hätten der Morgenröte. Die Gerechten aber welche Tempel sind deß H. Geistes / werden grünen wie die Cedern auf dem Libano / wie die Palmen an den Bach gepflantzt / deren Blätter nicht verwelcken / und Frucht bringen zu rechter Zeit.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CLX160-CLXII162.
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