(CLVII.)
Die betrogene Eifersucht.

[211] Erstgemeldte Rähtsel ist von der vierten Art / welcher wir zu Eingang dieses siebenden Theils gedacht / und beschreibet eine Spanische Chytarr / welche zu Freude und Leid / zu frölichen unnd traurigen Liedern gemachet ist / die Saiten / so auf der Cytarren Bauch gezogen werden / sind Kupfern und Eisern durch beede Planeten Venus und Mars (nach der Chymisten Art zu reden) bedeutet. Die stummen Wort sind der Klang / den niemand verstehet / wann nicht ein schwartzer Mohr darein singet / wie sie in Spanien zu thun pflegen. Daß nun hierdurch die Alten Hörner bekommen / wie Mars Vulcanum gekrönet / wird aus folgender Geschichte zu vernehmen seyn. Hierauß erfolgt nun / daß die Chytar gebe / was sie mit hat / nemlich die Hanreyschafft / und verursache die Eifersucht / so der Essig ist / in einer starcken aber verbitterten Liebe.

2. Zu Sevilla in Hispanien hielte sich wohnhafft ein junger Edelmann von Carrizales / welcher sich seines Vermögens / biß auf gar ein geringes durch die drey W. Weiber / Wein / und Würfel / verlustiget / unnd als ihm die annahende Armut von ferne unter die Augen trate / raffte er den Rest zusammen / kaufte allerhand Waaren / als Messer / Schellen / Spiegel / etc. darum / und gabe sich auf den Weg nach Indien / sein Glück in der andern Welt zu suchen. In dieser Hofnung hatte er sich nicht betrogen / und durch seinen Fleiß und Klugheit / grossen Reichthum zusammen gebracht / dessen Grund war die Sparsamkeit / und das Band gleichsam / welches den Geldbeutel verknüpffet.[211]

3. Carrizales hatte bereit das 50. Jahr überschritten / und Verlangen getragen / den Rest seines Lebens in seinem Vaterland zuzubringen / machte sich deßwegen auff und kam mit grossem Gut wieder nach Sevilla / da er seiner Befreunde Tod und reiche Verlassenschafften gefunden / daß ihme also nichts ermangelt / als eine Seiten Freundin / welche so Tag so Nachts seiner warten und pflegen / ihn auch mit ehlicher Holdseligkeit unterhalten / er sie aber seiner guldnen Glückseligkeit theilhafftig machen könte. Für einer solchen Gehülfin / welche ihm den Sorgen Last seines Reichthums ertragen helffen / hüttete er sich / weil der Schatz / dem viel Schlüssel sperren übel zu verwahren / und ihme auß eigner Erfahrung wol wissend / wie listig die Diebe solchem nachstellen. Wann ihme zu Sinne kam / ein Weib zu haben / willigte er darein aus vielen Ursachen: So bald er aber gedachte / daß solches Weib noch einen Helfers Mann / neben ihme annehmen möchte / hat er diese Gedancken so bald wider fahren und sincken lassen.

4. Es fügte sich aber / daß er eine sehr schöne Jungfrau / Leonora genant / an einen Fenster ersahe / welche ihm so brünstig beliebte / daß er ohne fernern Bedacht üm sie anwerben liesse / und von ihren Eltern das Ja Wort / also bald erhielte / und so wol seine Hochzeiterin / als ihre arme / aber doch adeliche Eltern / sehr reichlich beschenckte / massen er sich erwiesen / freygebiger / als sonsten andre alte und reiche Leute zu seyn pflegen. Er wolte sie kleiden lassen / traute aber keinen Schneider / daß er ihr einen Rock anmessen solte / sondern er sahe eine andre Dirnen in ihrer Grösse und Dicke / welche er dem Schneider ohne Eifersucht vertrauen könte. Er hatte auch ein absonderliches Hauß zurichten lassen / in einem abgelegnen Ort der Stadt / das liesse er verwahren mit einfallenden Liechtern / daß man nicht auf die Gassen sehen konte / zu dem Eingang liesse er eine kleine Wohnung bauen / dardurch man in die Behausung gehen muste / und darein setzte er einen verschnittnen Mohren / der solte der Thorhüter seyn seiner Liebsten / und den Haubtschlüssel zu allen Thüren truge er bey sich.[212]

5. Er kauffte auch vier weisse leibeigene Mägde und bestellte eine Hofmeisterin Marialonsa genannt / deren Treue vertraute er seine Leonoram / und liesse auch keinen Hund / Katzen oder Ratzen in dem Hause / der männliches Geschlechts war. Zu Abends kame er seiner Leonora Gesellschafft zu leisten; bey Tage aber wohnte er in einer andern Behausung / damit / wann jemand zu ihr käme / nit solte Ursach haben / nach seiner Liebsten zu fragen. Sein Weib kame also nicht aus ihrer Gefängniß / als an den hohen Festtägen / an welchen er mit ihr in die Kirchen gienge / aber so verkappt / (wie in Hispania der Gebrauch) daß der Lufft / so sonsten die Spanischen Mutterpferde schwängern soll / sie nit wol anhauchen könte.

6. Leonora war mit ihrem Alten wol zu frieden / und hatte bey ihren Eltern auch eines stillen und eingezognen Lebens gewont / daß ihre Erhaltniß und ehliches Nonnenleben sie nit befremdet / sondern vermeint / es müsse also seyn / daß also in dem Probjahr kein böser Gedanck in ihr Hertz kame. Es fügte sich aber / daß ein Jüngling von den reichsten in der Stadt verlangte / diese schöne Gefangene zu sehen / und in die Festung / welche die Eifersucht erbauet / und die Furcht bewachte / zu kommen bemühet war / bedachte deßwegen ein listiges Mittel / das unmögliche möglich zu machen.

7. Loasa / also nente sich dieser Buler / kleidete sich an / als ein Bettler / verbande den rechten Schenckel / unn verklebte das lincke Aug / spielte also Abends für deß Mohren Fenster auf der Chytarr (darvon die Räthsel besagt) und sange etliche Lieder in seiner Sprache / welche dem verschnittnen sehr beliebten. Hierdurch machte er mit diesem nachtfarben Gesellen kundschafft / daß er durch dz Fenster zu ihm hinein kommet / und ihn singen und spielen auf der Chytarren unterrichtete. Die Mägde der Leonora hörten diese spielen und singen / und kamen bald an das Fenster / dardurch der Haußvogt täglich dem Mohren und dann dem Frauenzimmer das Essen brachte / sagten es auch ihrer Frauen / welche die Zeit zu vertreiben erstlich zuhörte / nachmals auch Loasa sahe / nit zwar in seinen Bettlerskleidern hincken / sondern auf das adelichste gezieret / Sarabanda tantzen[213] und springen; brachte also endlich zu wegen / daß Leonora ihren Alten einen Schlaftrunck beybrachte / die Schlüssel unter dem Haubtküssen hinweg nahme / und den jungen Freyer hinein liesse.

8. Bevor er in diese Eiferburg kame / muste er an der Schwelle einen Eyd ablegen / daß er nichts anders thun wolle / als was sie ihn schaffen werden / damit er sich nit zu viel Freyheit anmaste / etc. Zu dem Eyd war er erbietig / die Hofmeisterin aber wuste nit / wie sie ihm solchen fürhalten solte / schwure derowegen bey dem Ein- und Außgang deß Berges Libani und bey der Vorrede in Käyser Karls Geschichten daß er ihren Befehlen gemäß leben wolte / und wann jetzt alsdann und dann als jetzt / er ihnen nit gehorsamen würde / dieser Eyd in seinen Unwürden verbleiben und gantz unbůndig seyn solllte. Hiermit wurde er eingelassen / daß man alle Wort und Sylben in seinem Gesange besser verstehen könte. Der Getranck hatte seine Würckung / wie gesagt / und schliefe der alte Carrizales mit den Verstorbenen gleichsam in die Wette / und dem Loaso also / in Gegenwart der Leonora und ihres Frauenzimmers / im Namen einer Mannsichtigen Jungfrauen zu singen begunte.


I.


Mütterlein was wolt ihr sagen /

mich trifft es am meisten an /

weiß ich nicht was ist ein Mann /

Dessen Herrschafft man muß tragen?

umbsonst ist deß Hüters Wacht /

nehm ich mich nicht selbst in acht.


II.


Sagt mir nicht von Ehverbinden

daß die Liebe doll und blind /

sie ist auch ein kluges Kind /

das kan manche Ränck erfinden.

Umsonst etc.


III.


Das / so man das Kind verbietet /

darnach lüstert es vielmehr:

es ist eine schlechte Lehr /

Die der Lehrer nicht verhütet.

umsonst etc.


[214] IV.


War ist es das ehlich Leben

blühet mit hertzsüsser Freud' /

und nach mancher Trauerzeit /

pflegets saure Frucht zu geben.

umsonst etc.


V.


Eh die Jahre sich verkehren /

eh der Winter ruckt heran /

eh die Lieb' erkalten kan /

sollen Menschen Menschen mehren /

umsonst etc.


VI.


Der die Liebe hat verglichen /

einem eingezwängten Band /

wuste daß durch Zwang und Band

sie noch niemals ist gewichen.

umsonst etc.


VII.


Mütterlein ich wolt euch rahten /

daß ihr mich berahten solt:

keinem Alten bin ich hold /

Darum last mir den Soldaten /

er ist meine sichere Wacht /

der mich nehmen wird in acht.


10. Nach diesem legte sich der Alte auf die andre Seiten und Guiamar / die Leibeigne / welche bey seinen Bette Schildwacht halten muste / lieffe eilig / sagend / daß der Herr erwachet / sie erschracken alle und suchten sich zu verbergen / sonderlich aber Loaso und Leonora / als welche sich am meinsten schuldig wusten. Die Hofmeisterin kame in die Kammer alles Unheil zu verhüten / fande aber ihren Herren noch schlaffen / deßwegen sie noch sicherer / sich gleichfals zu Ruhe begeben / und diese gute Zeitung ihrer Frauen angemeldet. Als nun alles in Ruhe / wird die falsche Zeitung war / und erwacht Carrizales / suchte aber in seinem Bette seine Leonora und seine Schlüssel vergebens / darüber er dann so sehr erschrocken / als ein Hanrey jemals erschrecken mögen / und stunde alsobald auf zu suchen / was er lieber nicht finden wolte sahe auch durch ein Schlüsselloch / wie Leonora sich einem jüngern sündlich untergeben.[215]

11. Er erstaunte über diesem Anblick / wolte auch alsobalden ein Gewehr holen / Rache zu üben an diesem Frevelpar: als er aber in seine Kammer kommet / sincket er in eine Ohnmacht auf das Bette / und bleibet in solchen Zustande / biß Leonora mit anbrechenden Morgen sich auß ihres Bulers Armen gerissen / und ihre Stelle in ihren Ehebette wieder genommen nit anderst wähnend / als daß ihr Alter noch starck schlaffe / und daß der Trunck (so bey den Italianern gar gemein ist) noch würcke. Nach deme er nun wieder zu sich selbsten gekommen / hat er begehrt / sie solte ihre Freunde alsobald entbieten / er wolle seinen letzten Willen / in ihrer Gegenwart zu Pappier bringen lassen. Leonora schickte den Mohren nach ihren nächsten Verwandten / und machte ihn glauben / der Haubtschlüssel were auf die Erden für das Bett gefallen / weil er die Nacht gar unruhig geschlaffen.

12. Als nun die Freunde erschienen / fienge Carizoles an zu erzehlen / daß er nunmehr mit Leonora 1. Jahr / 1. Monat / 5. Tage und 9. Stunde verehlicht / daß er sich bemühet ihr Hertz mit Geschencken zu gewinnen / welche sie zwar angenommen / sich versperren lassen / und mit den Worten sich ihm gehorsam / mit den Wercken aber als ein andre leichtsinnige Dirne verhalten; allermassen er mit seinen Augen gesehen / daß sie mit einen Jůngling vergangene Nacht Unzucht getrieben: Ob wol er nun Fug und Recht ihr das Leben zu nehmen / so wolle er doch solches nit thun / weil er den annahenden Tod spühre / und seine Sünde mit einer solchen Mordthat zu häuffen nit gedencke: verzeihe ihr also den begangnen Fehler / und beklagte vielmehr seine Thorheit / der alle solche Schuld beyzumessen / daß er in dem 75. Jahre eine Jungfrau von 15. Jahren geheuratet / wolle deßwegen sie solches nit entgelten lassen / und zu seiner Erbin eingesetzet haben / jedoch daß sie etliche tausend Kronen den armen Mönchen gebe / etc. Leonora erkannte ihre Missethat / und gienge mit allen ihren Vermögen / nach ihres Mannes Tod auch in das Kloster / Loaso aber schiffte in Indien.


Räthsel.


Achtet welches Wunder Thier /[216]

fält und steht mit gleicher Zier;

Sein Sohn nennt sich Würmerbrand

und sein Vatter Elephant.

Es hat dreymahl sieben Augen /

allezeit sechs Angesichter /

ist offt der Soldaten Richter /

kein Geld auß dem Beutel saugen

daß es auf vier Ohren steh /

wend es so viel in die Höh'.

es geht mit Verschnittnen um /

ist der Freyart Eigenthum?


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 211-217.
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