(CLXXIII.)
Der glückselige Irrthum.

[275] Weil in nachgehender Erzehlung eines Bettes gedacht wird / hab ich solches in dieser Rähtsel beschrieben. Der Leib die Federn sind von den Gänsen; Der Überzug oder die Haut ist von Faden: Darauf wird der Liebes-Krieg unnd Todensieg / als in einem Schauplatz verübet. Baccht Pilgerleute / die Vollsauffer / die zu der Flaschen walfarten / werden von dem Bette eingeladen zu schlaffen / und wieder außzunüchtern. Es ist keiner so arm / daß er sich nicht zwischen ein Bettlein / es seye so schlecht als es wolle / zu Nachts machen solte / und wie in dem Geistlichen Recht verbotten ist / noch den untern noch den obern Mühlstein / zu einem Pfand zu nehmen; als ist auch in dem Weltlichen Recht nicht zulässig / daß man den Armen das unter- oder Oberbett zu einem Pfandschilling nimmet.[275]

2. Nachgesetzte Geschichte haben wir den glückseligen Irrthum benamet: wiewol sonsten irren allezeit unglücklich / und herkommet von der Unwissenheit / die eine Ungestalte deß Gemütes ist. Wann man aber in seiner Einfalt irret / ohne bösen Vorsatz / so ist man schuldig den Irrenden zu recht zu weisen / welches hier das blinde Glück etlicher massen gethan / wie aus folgendem zu vernehmen seyn wird.

3. Torelli ein Mantuanischer Edelmann / mit dem Vornamen Hercules / hatte theils durch natürliche Stärcke / theils auch durch beharrliche Ubung in dem Fechten / eine Mannfeste Behändigkeit / und übertrefliche Tapfferkeit erlanget / daß alle andre so zu Mantua Feindschafft hatten (wie der Orten gebräuchlich) seiner Freundschafft begehrten.

4. Es fügte sich / daß dieser Hercules Torelli / bey Nachts etlichen mit seiner Gesellschafft begegnet / welche mit gewehrter Hand auf ihn loß eilten. Torelli erweiset sich als ein Hercules / ich wil sagen / wie ein Held / und stösset einen von den Vornemsten / der die andern angeführet / zu Boden / und weil er übermannet / muste er sich durch ein Hauß in die Flucht begeben / daß er aufzehen Jahre verbannet / und auß dem Mantuanischen entfernet leben solte.

5. Maltatesta von Rimini / welcher wider etliche Benachbarte auch Feindschafft übte / nahme diesen Landflüchtigen oder Banditen / wegen seiner berühmten Tapferkeit in Dienste / und liebte ihn wegen seiner Tugend / für allen andern seines gleichen / die ihn schützen solten / für Pero einen Ferrarischen Edelmann / der diesen Malatesta befedet. Nach deme nun Torelli sich in seines Herrn Genade besagter massen befindet / wird er von den andern seinen Spießgesellen geneidet / sonderlich aber von Mangnagna / der vor ihm der nächste bey dem Fürsten gewesen.

6. Dieser Magnagna beobachtete / daß Torelli vielmals allein in den Garten spatzieret / und in sich selbst redend / mit den Händen fantasierte. Dieser Begebenheit bediente sich der Schalck / und beredete seinen Herrn / daß Torelli mit[276] seiner Gemahlin in geheimen vernehmen / wie er ihm weisen wolte / und sahe ein Fenster vom Frauenzimmer in den Garten / da Torelli allein spatzierte.

7. Dieses glaubte Malatesta / weil er sahe / daß Corelli mit den Händen gegen das Fenster winckte / wie er von fernen abnahme: Hielte also seine Gemahlin für eine Ehebrecherin / und diesen für ihren Bulen. Die Rache war bald entschlossen / und solte solcher Schandflecken / mit Torelli Blut abgewaschen werden; doch mit begebender Gelegenheit / weil sich Malatesta für einem so tapfern Mann zu fürchten Ursach hätte. Liesse sich also Malatesta nichts vermercken / sondern war mit ihm vertreulich / wie zuvor nach der Italianer gemeinen Lehrsatz / der bey Cardano zu lesen: Es seye die gröste Thorheit von der Welt / sich einer Feindschafft vermercken lassen / wann man nicht Gelegenheit hat sich zu rächen.

8. Bey eingefallener Herbstzeite ziehet Malatesta auf seine Güter / und erkundschafftet / daß sein Feind ihn alldar zu überfallen gewillet / deßwegen er sich mit den seinen in Bereitschafft hält / und das Schloß bester massen verwahret. Als nun der Morgen anbrache / vermeinte er / die Gefahr were bereit vorüber / die Zeit aber sich an Torelli zu rächen herbey gekommen / daß er ihn in dem Schlaff leichtlich überfallen / und ewigen schlaffen machen könte.

9. Zuvor liesse er Torelli in seine Kammer zu Bette weisen / und seine Gemahlin / welche in einem andern Zimmer zu schlaffen begunte / hatte sich in ihres Herrn Bette / (darvon die Rähtsel gehandelt /) unberuffen geleget / welches Torelli gantz unwissend / als nun Torelli außgezogen / und fast schamhafftiger / als sonsten die Hofleute zu seyn pflegen / ein Weibsbild auf dem Lager findet / wil er wieder zurucke; Sie aber erfreuet sich ob dem glücklichen Irrthum / und hält den neuen Gast in der Herberge zu Ablegung der Gebühr an.

10. Torelli hatte Fleisch und Blut / liesse sich unterrichten / daß der Orten gebräuchlich / und bezahlte den Brückzoll mit der Einnehmerin grösten Vergnügen. In dem[277] nun Malatesta die Kammer eröffnen wil / kommet das Geschrey / Pero breche mit seinen Leuten durch den Garten / und wolle das Schloß besteigen. Malatesta eilet seinem Feinde zu begegnen / und über diesem Tumult springet auch Torelli aus dem Bette / seinem Herrn beyzustehen.

11. Als er nun fast unbekleidet / dem Streit zu eilet / findet er / daß Malatesta durchstochen / und vor seiner Ankunft erleget worden; vertheidiget deßwegen sich und die andren Diener so Männlich / daß der Feind / mit Hinderlassung etlicher Todten ablassen / und sich zurucke zu begeben genothsaget worden.

12. Die hinterlassne Wittib hatte so grosses Wolgefallen ob dem begebenen Irrthum / daß sie demselben noch glücklicher zu machen gedachte / und kürtzet ihre traurige Einsamkeit / mit bald wieder erfreulicher Verheuratung / wehlend unter allen ihren Aufwarteren offt ernamten Torelli / daß er also viel grossen Reichthum / den er die Zeit seines Lebens nicht hoffen können / durch solchen unbedachten Fehler erlanget.


Rähtsel.


Rahtet doch / es ist ein Acker mit fast unbekanten Namen /

Der spat / und nach achtzehen Jahren träget dopelt reichen Samen.

Wann der Ackermann verstirbt / ist so bald die Frucht verlohren.

Der die Rähtsel kan errahten ist zum Rähtsel Haubt erkohren.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 275-278.
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