(CIX.)

Der eifrende Vater.

[382] So bald ein Alter wil an der Jungen Reyen dantzen /so wird er verlacht: oder wie das Sprichwort sagt: »Wann Gott einen Narren haben wil / giebt er ihm ein junges Weib«. Dieses ist auch noch vielmehr abzumercken bey denen bejahrten Greisen / die ausser dem Ehestand sich mit Schleppen behelffen / und ihre Tage durch Unzucht verkürtzen: massen die Artzney verständige einstimmig bejahen / daß die ehliche Beywohnung alte Leute zum Grab befördere / wegen Schwächung der natürlichen Hitze / und Zerrittung der krafftlosen Lebens Geisterlein.

2. Dieses hat nicht betrachtet ein Meiländischer Edelmann / welcher in dem sechtzigsten Jahr / sich in eine Bauren Tochter seine Unterthanin verliebt / und in seinem Wittibstand für eine Beyschläfferin / mit Bewilligung ihres Vaters / angenommen: wie dann die Unzucht in gantz Italien nicht allein ungestrafft / sondern auch offentlich / grössers übel zuvermeiden / zugelassen verstattet wird.

3. Dieser Edelmann hat zween Söhne / deren der ältste bereit das zwantzigste Jahr erreicht / und ob seines Vatern ärgerlichen Leben grosses Mißfallen hatte / weil ihm solches nicht unbekant seyn konte / und diese Dirne täglich für seinen Augen / auf dem Schloß Monze sehen / ja fast fürchten und ehren müsste. Seinen Vater abzumahnen wolte ihme / als einen Sohn /nicht gebühren / und besorgte / daß er nicht allein wenig außrichten / sondern auch deßwegen mit Schlägen belohnet werden möchte.

4. Die Dirne ware ihres alten Jaghunds[382] fast müd /und wündschte einen jungen Stauber / der stärcker lauffen könte: wurff also ihre Augen auf den ältsten Sohn einen schönen und starcken Jüngling / der deß Vaters Stelle vermöglicher betretten solte. Dieses ihr unziemlichen Absehen gabe sie ihm mit den Augen /nachmals mit Worten und auf gegebene Gelegenheit mit Wercken sattsam zu verstehen: wurde aber von ihme bedraulich abgewiesen. Weil sie nun ihn endlich zu überwinden vermeinte / stellte sie ihre Magd an /diesen Jüngling in ihr Bette zu bringen / welche gleichfals bey ihm nichts außgerichtet.

5. Als einsten der Vater nach Meiland / wegen seiner Geschäfte verraist / fande sich diese Wölfin in deß Jünglings Kammer / und vermeinte sich mit Menschenfleisch zu ersättigen. Der schamhaffte Jüngling aber entfliehet ihr / wie dorten Joseph deß Potiphars Weib / und verursacht dardurch / daß sie ihre Liebe in Haß verwandelt / aus Furcht er möchte solches Beginnen seinem Vater ansagen / und sie darob verstossen werden: Er sinnet deßwegen gleiche List / als vorbesagter Josephs Schandbalg / und klaget dem Alten /so bald er nach Hause gelanget / sein ältster Sohn hette sie / in seinem Abwesen noth gezwungen / und were von ihrer Magd in dem Werck ergriffen worden etc.

6. Diesen beeden falschen Zeugen glaubte der eifrende Vater / und überlauft seinen unschuldigen Sohn mit entblösten Gewehr auf dem Gang / daß er zu rucke weichend / ruckwerts die Stiegen hinunter stürtzt / die Hirnschaln einschlägt: und alsobalden seinen Geist aufgabe.

7. Es folgte dieser Unthat die hertzliche Reue / in dem er betrachtete / daß er seinem Anhang zu gefallen / sich seines eigenen Sohns beraubt / und von der Obrigkeit nicht würde unbestraffet bleiben. Wie nun in dergleichen Fällen der bose Feind ein gewonnenes Spiel hat / und diesem Kindermörder die Hand geführet / daß er verzweifflend / sich so balden auch selbsten erstochen.[383]

8. Nachgehends ist auch die Ursacherin durch eben diesen Lügen- und Mordgeist verleitet worden / daß sie aus Furcht deß Scharffrichters / sich in den nechsten tieffen Brunnen gestürtzet / und also ihre Seele dem übergeben / welchem sie selbe durch ihr böses Leben gelobt hatte.

9. Nach deme nun der Bannrichter zu Meiland /wegen dieses Verlauffs / gründlichen Bericht eingezogen / und die Magd / als Unterhändlerin dieses Unheils / in Verhafft gebracht / und an die peinliche Frage geworffen / ist sie zum Strang verurtheilet / die beeden Leichnam auch der Selb Mörder unter den Galgen geworffen / der keusche Jüngling aber ehrlich begraben worden. Hierüber hat ein Poet folgenden Inhalt in Italiänischen Versen verabfasst.

10. Der Eifer und die Lieb / das Laster und die Tugend

hat dieses Opferlamm unschuldig abgekeelt:

Sein Vater tödtet ihn in seiner zarten Jugend /

in dem er voller Grimm / deß Sohnes hat verfehlt.

Die Rache fehlte nicht / und hat auch den getroffen

der sich mit Fleisches Sünd und Unrecht hat befleckt.

Die Ursach ihres Tods ist bald darauf ersoffen /

und hat die Kuppel Dirn die böse That entdeckt.

Ach Gott / ach treuer Gott / wie können dir gefallen

die Bäume / welcher Stamm so böse Früchte trägt?

Ich fürchte daß sie all' hin zu der Hölle wallen.

Wol / wol dem / dessen Hertz noch Lust noch List bewegt.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 382-384.
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