(CL.)

Der vermeinte Märterer.

[528] Die Kirchenlehrer haben zu sagen pflegen / daß nicht die Pein und der Schmertz / sondern derselben Ursache einen Märterer mache / dann sonsten / die an dem Stein und Zipperlein darnieder liegen / oder sonsten mit grossen Schmertzen dahin sterben / Märterer seyn můssten / da sie doch solches nicht als Christen / sondern als Menschen leiden. Wie man sich nun nicht vorsetzlich in Krankheit und Todes-Gefahr stůrtzen sol: also sol auch keiner sich ohne Noth zu der Marter / wegen deß Worts Gottes / anbieten / weil[528] der Mensch so wol wegen seines Leibes / als seiner Seelen Gott Rechenschafft zu geben / und von beeden Pfanden grosse Verantwortung abzulegen hat.

2. Dieses hat nicht genugsam beobachtet ein Niederländer Jan Bergiban von Tornaj bürtig / welcher mit schönen Gaben gezieret / und in der Heil. Schrifft so viel erlernet / daß er vielmals gepredigt / die Krancken besucht / und die damals verfolgten und bedrängten Christen zu der Beharrligkeit und Standhafftigkeit ermahnet / und vielmals erwünschet / daß auch er / wegen deß Wort Gottes sein Leben lassen / und mit der Märterer Kron begnädiget werden möchte: massen der Christlichen Kirchen Kleid nicht nur weiß / die Reinigkeit und Unschuld bedeutend / sondern auch rot und mit dem Blut deß Lamms befärbet.

3. Nach deme nun die Verfolgung im Jahr 1525. zugenommen / hat man auch nach ihm gegriffen / weil er aber damals über Land verraiset / ist er nicht angetroffen worden / und ob er wol von seinem Weibe und Befreunden gewarnet worden / er solte von einer Statt in die andre fliehen / und sein Leben retten / ist er doch nicht allein wieder nach Hause kommen / sondern hat sich nach genommenen Abschied und Beschickung seines Hauses selbsten angegeben / und bey den deßwegen Abgeordneten angemeldet / daß er sich hier bey ihnen einstellen wolle / wegen der Evangelischen Warheit sein Leben zu lassen: Entschuldigte sich benebens / daß er so lange verzogen.

4. Die Ketzermeister nahmen diesen mit Verwunderung an / unn liessen ihn in eine leidliche Gefängnis setzen und durch ihre darzu gegebene Mönichen besprechen. Erstlich erwiese sich gar standhafft und war er entschlossen alles außzustehē / wegen deß Wort Gottes / als man ihn aber hernach in eine finstere Höle und tiefferen Kerker geworffen / mit bedrauen eines sehr grausamen Todes / und die Geistlichen / so ihn besuchten / seine Gnade zu erlangen versprechen /hat sich der elende Mensch dahin bereden lassen / daß er von der Evangelischen und einmal erkanten Warheit ab- und zu dero Päbstischen Religion getretten.[529]

5. Hierdurch aber hat er nichts anders erhalten / als daß er enthaubtet worden / da er sonsten gleich andern / lebendig hette brennen sollen / und man ihme als einem aus Zwang und Furcht der Marter Abgefallenen nicht trauen wollen / sondern befahret / daß wann er auf freyen Fuß gestellet / bald wieder zu seiner Religion brechen möchte. Vor seinem Tod / hat er bereuet / daß er aus Furcht deß bald außleschenden Feuers / in das ewige fallen müsse / da er verhoffet sein Leben zu retten / und ist also auch solcher gestalt an ihm wahr worden der Spruch unsers Heylandes: Wer sein Leben findet / (oder zu finden vermeinet) der wird es verlieren.

6. Dieses hat andre / welche damals auch an die Marter solten gefůhret werden nicht abgeschrecket /sondern haben Bergiban für einen Thoren gescholten /und gesagt / daß es allen denen die ihr Vertrauen von GOtt ab- und auf Menschen Hülfe oder eignes Wolvermögen setzen / ein solches Ende nehmen müssen /und daß er Gott versuchet / in dem er die Gefahr /welcher er wol entgehen können / entgegen geloffen. Wie es sonsten in der Niederländischen Verfolgung hergegangen / melden die Geschichtschreiber / und das Märterbuch oder Martyrologium, auß welchen wir dieses / als einen seltnen Fall gezogen.

7. Tausend Felsen schwere Schmertzen

bringen endlich einen Tod:

Aber jene Höllen Noth /

quälet der Verdammten Hertzen /

sonder End' in Ewigkeit /

sonder aller Zeiten Zeit.

Besser ist hie zeitlich leiden /

alle Marter / Angst und Plag' /

als an jenem grossen Tag'

ewig sich vom Höchsten scheiden /

Weil der Jahre längste Zeit

kurtz ist nechst der Ewigkeit.


Ende deß Sechsten Theils.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 528-530.
Lizenz:
Kategorien: