(CLXI.)

Die verachte Verachtung.

[574] Die Spiegel werden nicht nur gebrauchet darinnen zu beschauen / was schön und wolständig ist / sondern auch was mangelschafft und übelgestattet ist: Daher Socrates gesagt / daß alle Jünglinge in die Spiegel sehen sollen / die schönen / damit sie ihre Gestalt mit keinem Laster vernachtheilen: die heßlichen / damit sie ihr Angesicht mit vielen Tugenden beschönen mögen. Also weisen wir in diesen Geschichtspielen das Gute / demselben zu folgen / und das Böse / selbes zu vermeiden.

2. In Ronsards Vaterland Vandomois genannt / hat sich nachfolgendes Freuden-Trauerspiel begeben. Abach ein Edelmann von den ältsten Häusern deß Landes / welcher jährlich zehen tausend Franken[574] Einkommen hatte / suchte eine anständige Heurat seine Lebenszeit in vollem Vergnügen hinzubringen. Richtete also dieses Vorhabens seine Augen auf eine sehr schöne Jungfrau Sarbella genamt / welcher Vater Merulan / ein schlechter Edelmann in der Nachbarschafft / noch in dem Leben war.

3. Jederman verwunderte sich ob dieser Wahl /weil eine grosse Ungleichheit unter den künfftigen Ehegatten / und sahe man wol / daß die blinde oder geblendte Liebe Abach / welcher neulich seine vogtbare Jahre angetretten / zu dieser Jungfer geleitet und verleitet. Merulan hielte diese Anwerbung für eine solche hohe Ehre / daß das Begehren und Versprechen ein Gespräch war / und wuste Sarbella nicht /mit was unterthäniger Ehrerbietung sie ihrem künfftigen Hochzeiter begegnen solte. Also hangt der Himmel voller Geigen / die den Verehlichten hernach auf die Haubter fallen.

4. Abach war einem von den vornemsten Fürsten deß Königreichs verbunden / welcher damals eben sich dem König wiedersetzet / und eine Unruhe in Gujenne angefangen: daß er also seine Verheuratung anstehen lassen / und seinem Herrn beystehen müssen. Er nimmt die Post und begrüsset Sarbella nicht einmahl / als durch einen Brief / in welchem er die Beharrlichkeit seiner Liebe gerůhmet / und seine Abwesenheit bester massen entschüldiget. Sarbella antwortet und zwar zum offtermals daß Abach / welchem mit vielen Schreiben nicht bedient gewesen / und Kriegshändel in dem Kopf hatte / die Briefe sonder Antwort liegen lassen.

5. Inzwischen nun Abach abwesend / verliebte sich Daze ein reicher Kauffmanns Sohn / in Sarbellam /und ob wol sein Adelsbrief nicht älter als vierzehen Tage war / hatte er doch adeliche Gůter von einem seiner Vettern ererbet / daß er solcher Glücks-Gabe /die er gleichsam schlaffend empfangen / wachend gebrauchen / und ihme gute Tage schaffen wolte. Dieser Daze führte Sarbeliam / mit ihrem Vater / auf sein Schloß / und zeigte ihr den Reichthum der Welt /[575] und seine Schätze / bestehend in vielen Kleinodien / Silbergeschirr / statlichen Haußgeräte / und ein grosse Anzahl gewapneter (ich wil sagen Ducaten / oder Hertzogspfenninge) welche er in eine eiserne Thruen gefangen legte.

6. Dieser wuste wol daß Sarbella mit Abach versprochen war / doch unterhielte er seine Liebe mit verwirrter Hoffnung / und sprengte aus daß Abach verwundet / daß er gefangen / und endlich daß er tod were. Im Ende brachte er durch sein Goldpulver zu wegen / daß Merulan ihm seine Tochter versprache /und Abach einer Vergessenheit / Untreue und Undanks beschuldigte / weil er so lange zeit zu schreiben unterlassen. Zu diesem bediente sich Daze einer Verleumdung / sagend / daß Abachs grosses Gut mit fürstlichen Schulden verhafftet / und daß sein Reichthum in falschen Schein / wie hingegen sein Geld in freyer Würkligkeit bestůnde.

7. Was sich nun dieses Orts begeben / das wird Abach durch einen seiner Freunde berichtet. Solche Zeitung bande ihme Flügel an / daß er auf der Post nach Hause laufft / und fande was er nicht finden wolte / nemlich Daze in seiner Liebsten Gunsten vertiefet / daß er nicht mehr einkommen mögen. Seine Liebe war in Zorn verwandelt und konte er Sarbellam mit Fug der Unbestendigkeit beschüldigen / welche sie ihm für zu rucken sich nicht entblödet hatte.

8. Wie die Liebe durch Gegenliebe erworben wird: also verursacht Feindschafft Gegenfeindschafft. Die Schmach / welche Daze dem Abach vermeintlich angethan / konte nicht anderst als mit Blut abgewaschen werden / zu sehen ob dieser Reichard die Pistole so wol führte / als er mit Pistoleten ümzugehen wüste; Diesem nach lässet er ihn fůr die Klinge fordern / mit bedrauen / daß er ihn / wann er ihm nicht kommen wolte / das Wambs mit Prügeln wolte verbremen lassen.

9. Daze muste wieder seinen Willen ein Rittersmann geben / und erfahren daß die Feder vielleichter[576] zu führen / als der Degen / und weniger Gefahr darbey. Abach der von Jugend auff die Waffen gebrauchen lernen / war diesem Schrifftling weit überlegen und hat ihn mit dreyen Stössen durchrennet / daß er nicht nur sein Geld seine reiche Erbschafft / seine Hochzeiterin / sondern auch sein Leben verlieren müssen. Nach diesem nimmet Abach die Post wieder /und findet sich bey seinem Herrn ein / der ihm Schutz gehalten / und nach erfolgter Vereinigung / auch Landshuldigung / bey dem König zu wegen gebracht worden.

10. Nach verloffner Zeit kehrt er wieder nach Hause / verachtet aber Sarbella Verachtung und Heurat eine andre welche ihm anständiger / und besser an die Hand gienge. Sarbella sasse also zwischen zweyen Stühlen / wie wir zu reden pflegen / nieder / und hatte aus Geitz verabsaumt eine von den vornemsten Frauen in dem gantzen Lande zu werden. Weil sie auch mit Daze noch nicht getrauet / und alle seine Güter /wegen seines Verbrechens / dem Könige heimgefallen / muste sie mit leerer Hand abziehen / und die leere Hoffnung sinken lassen.

11. Unter denen welchen es sol wol ergehen / sagt David / daß diese zu seyn pflegen / die nicht trügen mit ihrem Munde / nicht falsch reden mit ihren Lipgen / die reines Hertzen sind: Hingegen müssen zu Schanden werden die losen Verächter / welche vermeinen Gott sehe nicht / was sie arges in ihrem Hertzen haben / und finden sich endlich in solchem Wahn gefähret und betrogen.

11. Hiervon machte einer ein solches Lehrgedicht. Die Wölfin sahe ein Pferd auf der Weid gespannet /daß es nicht entlauffen konte / von ferne aber ersahe sie einen Esel mit Gold beladen über einen Steg gehen; als sie nun von dem Pferd abgelassen und dem Esel nachgeeilet / ist er in das Wasser darüber er gehen wollen gefallen / und das Pferd inzwischen aufgelöset worden / daß also die Wölffin noch eines noch deß andern theilhafftig werden mögen.[577]


Der zu viel begehrt /

wird sich selbst betrügen /

und mit seinem Lügen /

hat er sich gefährt.

Wer mit Lügen krieget /

in dem Siegen lieget.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 574-578.
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