(LXXXIX.)

Die bestraffte Eifersucht.

[297] Die Jugend ist niemals unverständiger und fast thörigter / als wann sie ihren Verstand schärffen und in der Weißheit studiren sollen: sonderlich aber wollen die aller Gesetze befreyet seyn / welche die Göttliche und Weltlichen Gesetze verstehen / und aus denselben richten und urtheilen lernen sollen; daß man die meisten Studenten entweder für Dolkühne und zanksüchtige Soldaten / oder für verliebte und bulerische Hofleute ansihet. Wie hiervon ein besonders Buch geschrieben der wolberedte Mayfard. Dieses ist nicht nur in Teutschland / sondern auch in Frankreich fast aller Orten in üblen Gebrauch kommen / daß der Scholaren Fröligkeit in üppigen Frevel und Hochmut bestehen / und zu andrer grosser Ergernis ausschlagen muß.

2. Auf einer hohen Schul / hat sich zu meiner Zeit begeben / daß ein alter ehrlicher Burgersmann ein junges Weib gefreyet / und dardurch die Mucken üm sein Honig fliegen / ich wil sagen / die Studenten üm sein Hauß / spatzieren machen. Pelagia sein junges Weib hatte schlechte Freude bey ihrem traurigen Altmann und suchte die Zeit mit besserer Gesellschafft zu vertreiben / jedoch ohne bösen und sündigen Willen / und truge allein belieben / daß sie von andern mit Verwunderung angeschauet / mit Lob verehret /und mit Ehrerbietung bedienet würde. Also wolte sie mehr geschmincket unn geschmücket seyn / als von nöthen war / einem alten Greisen zu gefallen. Sie fande sich bey dantzen und spielen / welches die Studenten höher achteten / als lesen und schreiben.

3. Dieses alles waren Vorbotten einer bösen Nachrede / und ihres endlichen Verderbens. Unter andern so diesem Wildpret nach gestellt / waren Marcion ein Edelmann aus Champaigne / der nechste /[298] und fande auch gegen seiner Person solche Neigungen bey Pelagia / daß er vermeinte das Gefäng sol ihme nicht entkommen. Weiber Sinn hat mehr Flecken als ein Thieger-Haut / bald wollen sie was sie nicht sollen / bald sollen sie was sie nicht wollen / bald verlangen sie was sie hassen / und schweben also mit ihren Gedancken in gantz flüchtiger Hoffnung. Sie wiederstehen der Anfechtung mit schwachen Kräfften / und siegen zu zeiten / werden auch zuzeiten überwunden.

4. Also hat Pelagia zu bösen Argwahn Ursach gegeben / aber nichts vollbracht / sondern allein dieses Studenten Gespräch ihr mehr gefallen lassen als der Alte leiden können / weil er aller Orten seine Verrähter aufgestellet / und mit grossen Unkosten gesucht /was er nicht gerne finden wollen. So viel bracht er in Erfahrung / daß sie Handschuhe / Pulver / Brieflein /Gedichte und dergleichen von ihme empfangen; daß sie aber heimlich zusammen kommen / oder sonsten unziemliche Sachen treiben solten / möchte er nicht erfahren.

5. Es fügte sich / daß Marcion / wegen seines Vatern tödlicher Schwachheit nach Hause raisen musste / und weil er nicht zeit mündlich Abschied zu nehmen / thut er es schrifftlich / seine Hauß geschäffte kamen ihme / nach seines Vatern Tod / auf den Halß / daß er Pelagiam nicht mehr sehe konte / suchte sie aber mit Briefen heim / welcher etliche dem alten Alcuin in die Hand gekommen / der sehr betraurt daß er sich an dem vermeinten abwesenden Ehebrecher nicht rächen mögen / allen Zorn aber über sein Weib außgeschüttet.

6. Für das sicherste Mittel sie zu straffen / hielte er den Gifft / und heischte solchen inständig von einem Apotheker der ihn vertrauet / Namens Curdo. Als er ihm aber den Schwarm ausreden / und Pelagiam entschuldigen wollen hat er mit einem Dolchen genöhtiget / daß er solchen Gifft zu geben versprechen / und die Sache verschwiegen zu halten versprochen. Was thut aber der Apotheker? Er bringt ihm einen[299] starken Schlafftrunck / und saget solches der Pelagia Freunden an / daß sie der Sache ferners Raht schaffen solten.

7. Alcuin weiset seinem Weibe alle Briefe und was er sonsten von Marcions Geschenken / unter welchen auch sein Bildnis gewesen / finden können / und wil keine Entschuldigung hören / sondern nöhtiget sie den Giffttranck zu nehmen / mit Bedrauung / sie auf Verweigerung zu erstechen etc. Pelagia wehlte den Trank / weil ihr der mörderische Tod zu wieder / und eines theils die Würkung deß Giffts ungewiß / anders theils auch die Reue ihres Manns und Artzneyen wider den Gifft zu verhoffen. Sie begehrte zu vor zu beichten /kan aber diese Gnade von ihrem eifersüchtigen Alcuin nicht erhalten / sondern muß den Schlafftrunk / für Gifft heraus schlurffen.

8. Der Mann eilet sie zu Grabe zu bringen und begleiten die Freunde den Leichnam / den Alten aber die Schergen in das Gefängnis. Nach dreissig Stunden kommet Pelagia wieder zu ihr selbsten / und vermeinet / daß sie in einer andern Welt / erinnert sich endlich wieder was mit ihr und Alcuin vorgegangen / und erkennet / daß der Gifft ein Schlafftrunk gewesen /welcher sie mit deß Todes Bruder / und nicht mit dem grossen Ehebrecher den Tod selbsten in Kundschafft gebracht.

9. Die Richter und Schöpfen verhören Alcuin /welcher nicht ablaugnet / daß er seiner Frauen vergeben wollen / vermeinet aber / daß er solches zu thun Fug und Ursach gehabt / weil sie eine Ehebrecherin. Hierüber verhöret man nun unterschiedliche Zeichen /und findet sich kein vollständiger Beweiß / daß sie also loß gesprochen / wie wol ihme unwissend / weil er vermeint / daß sie todt; deßwegen auch ihme ein falscher Gifft oder Schlaftrunk vorgesetzet wird / von deme er aber nicht mehr aufgewachet / weil er vielleicht zu alt / und solcher andre Würkung gethan als bey seinem Weibe. Und also ist Pelagia von ihrem Alten errettet worden / hat aber / allen Argwahn zu vermeiden / Marcien nicht freyen wollen.[300] Der Apotheker verdienete wegen seines guten Betrugs / viel Lob.


10. Die Sorgenseuche.

Der der Frauen übel traut /

pflegt sein Kreutz allein zu tragen /

und nicht viel darvon zu sagen /

biß er auf deß Haubtes Haut

fühlt der Hörner schwere Last /

die offt nur der Wahn gefasst.

Wie die Kinder in dem Mund

wann die ersten Zähn' einschiessen

heisse Threnen lassen fliessen

ob so mancher Schmertzen stund.

Bald sie selber nur gewahnen

klagen sie nicht mehr das zahnen:

Also jammert manchen Greiß,

biß er Hörner hat erlanget /

nachmals mit denselben pranget:

Schweigt er still / so ist er weiß.

Sol deß Mannes Ehren Zweck

hangen an deß Weibes Fleck?

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 297-301.
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