Dritte Szene.

[14] Von dem Zuschlagen der Tür fährt die alte Raschke wieder im Bett auf. Sie richtet sich verstohlen auf und horcht lange. Dann klettert sie zögernd wieder aus[14] dem Bett, schleicht Schritt um Schritt zum Fenster, wischt das Gefrorene ab und äugt aufmerksam durch die Scheibe. Dann kommt sie in die Stube zurück.


DIE ALTE RASCHKE. Scher' dich in deine Bodenkammer, Prinzessin ... ich sag's dir nicht zum dritten Male ... in der Besenbinderstube hast du nachts nichts zu suchen ... Sie hat Rock und Jacke übergeworfen. Es klopft leicht ans Fenster. Gleich, gleich ... Sie geht sofort resolut zur Prinzessin Trull, ergreift sie am Arme und führt sie zur Tür. Immer rasch jetzt ... 'naus ... oben auf dem Boden steht dein Lumpenbette ... das Bild von deinem Königsvater kannst du ebenso gut in der Bodenkammer blankputzen, wenn du im Finstern auf der Bettkante sitzt ... immer scher' dich, Prinzessin ...


Sie gibt ihr einen gelinden Stoß und macht die Tür hinter ihr zu. Dann geht sie zum Ofen, holt den Kaffeetopf aus dem Röhr, stellt ihn und ein kleines Trinktöpfel daneben auf die Ofenbank.

Dann geht sie ans Fenster zurück, öffnet es und spricht hinaus.


Du kannst ruhig kommen, Vater!

DER ALTE RASCHKE ein alter, bocksbärtiger, weißhaariger, zäher Mann von zirka fünfundsiebenzig Jahren erscheint nach einer Weile noch etwas beschneit. Die Rapunzel ist 'naus?

DIE ALTE RASCHKE während sie ihm das Trinktöpfel vollgießt. Jaja ... Rapunzel ist 'naus ... nun und du? ...[15]

DER ALTE RASCHKE. Ich wär' glücklich drinne ...

DIE ALTE RASCHKE. Wo steckt denn aber um alles in der Welt der Hermann?

DER ALTE RASCHKE während er Kaffee trinkt. Der Sohn ... der Sohn ... hat einen großmächtigen Bogen gemacht ... weil hinter uns doch Leute kamen ... trotz der Schneehuschen hinter uns doch Leute kamen ... uns immer nach bis oben an den Waldsaum ... da hat er sich doch müssen in der Schneise weiter 'neindrücken ... mit seinem Blendlaternel müssen weiter in den Wald 'neindrücken ... ja ...

DIE JUNGE RASCHKE ein rücksichtsloses derbes Weib, hoch in den Dreißigen, im Aussehen verschlumpt, erscheint geschäftig in der Stube, läuft sofort ans Röhr und beginnt mit einer Pfanne im Röhr sich zu betätigen. Was? ... Leute kamen? ...

DIE ALTE RASCHKE. Himmlischer Vater ... Leute kamen? ...

DER ALTE RASCHKE noch immer trinkend. Ach ... ihr hört ja den tollen Tumult in den Lüften ... der Schneesturm schmeißt diese Nacht alle Fährten gleich wieder zu ...[16]

DIE JUNGE RASCHKE. Ich sag' dir ... mach' dich ans Besenbinden ... du kannst doch nicht wissen ... du alter Narr ... ob die Leute nicht schließlich auf eure Schliche geraten ...


Quelle:
Carl Hauptmann: Die armseligen Besenbinder. Leipzig 1913, S. 14-17.
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