Zweite Szene.

[102] Die schneidende Totentanzmelodie singt wie aus weiter Ferne.


PRINZESSIN TRULL lauschend und sogleich wie mit dem unsichtbaren Musikanten ihr Spiel treibend. Jja ... du Schelm ... einmal kam ein Admiral ... und einmal ein General ... und einmal ein Krösus ... und einmal ein Spielmann ... und ein Graf kam ... und ein Obsthändler kam ... und ein junger Kapitän kam ... Schelm du ... ich habe mir meinen Kleidsaum zerrissen ... warte noch einen Augenblick ... ich muß erst alles wieder festbinden ... aber du bist ein feiner Violinist ... und ich bin des Königs von Araukanien schöne Tochter ... Sie beginnt sich nach der Melodie zu drehen. Und die Luft ist von Goldstaub ... meine schönen Hände sind von Gold und Glanze ... in meiner Prinzessinnenkemenate muß doch alles von Gold und Glanze sein ... die Decke ist von Golde ... die Diele ist von Golde ... wer soll ich sein, du Schelm? ... ich fuhr einmal auf einem Prunkschiff durchs blaue Meer ... war es blau oder grün ... oder purpurn wie Blut? ... durch Wasserberge ... heidi ... Sie ist vom Tanzen ganz atemlos geworden und bleibt stehen. Kein Ding kann bleiben ... alles läuft viel schneller wie auf Kinderfüßchen ... viel schneller ... jetzt muß ich mich hier auf den goldenen Prunkwagen setzen ... ich habe keinen Atem ... eine sehr feine Dame braucht[103] keinen Atem zu haben ... Sie hat sich einen Augenblick auf die Kiste niedergelassen. Hihihihihihihi ... oh Sie Schelm ... Ihre Melodie klingt süß ... Schelmchen ... Schelmchen ... Sie hängt sich wie um den Hals des unsichtbaren Musikanten, als wenn sie ihn küßte und ihn an den Tisch zöge. Ich habe mich im Freien ergangen ... Sie zeigt auf die Rüben und Kartoffeln auf dem Tisch. Ich habe eben in den königlichen Gärten Früchte gebrochen ... ich muß dir ein Geheimnis anvertrauen ... ich trage nämlich die ganze Herrlichkeit auf meinem Buckel ... wie die Schnecke ihr Haus ... Schelmchen ... in mein Königreich kann niemand Bresche legen ... hihihihihihihi ... Sturmstöße draußen beim Dunkelwerden.

EINE STIMME ruft in der Ferne. Johannes Habundus ist da ...

PRINZESSIN TRULL. Wer? ... Sie geht ans Fenster und öffnet es. Da ... läuft ein Trödler unten ... der goldene Äpfel oder Pfirsichen im Korbe hat ... die Leute, die hier leben ... die hier etwas erwarten ... scher' dich fort ... er hat unten auf der Straße zwischen der Schenke und der Kirche schon ein paarmal gerufen ... Sie guckt gespannt hinaus. Bleib draußen, Verführer ...

DIE STIMME ruft schwächer. Johannes Habundus ist da ...[104]

PRINZESSIN TRULL. Ach ... pfui ... gehe du nur weiter ... jetzt ist er um das Schulhaus schon ganz verschwunden ... der Tor ruft und ruft ... und keine Antwort kommt ...


Quelle:
Carl Hauptmann: Die armseligen Besenbinder. Leipzig 1913, S. 102-105.
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