Zehnte Szene

[178] OTTILIE KOPRIVA kommt starren Blickes von rechts aus der Tiefe suchend. Sie geht auf den Weißbuchenplatz und setzt sich, offenbar ermattet. Der Schmetterlingstanz geht noch eine Weile auf dem Plane. Dann ruft Fräulein Kopriva sehnsüchtig. Mander ... Pan und Kinder fliehen davon. Lionel Mander ...


Mander steht plötzlich, fast gespensterhaft, neben ihr.
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FRÄULEIN KOPRIVA. Huuuh ... Mander ...

MANDER. Erhole dich erst ... die tiefe Nacht ist wunderbar schön ... so eine Nacht verzaubert die Hügel zu Bergen ... die Fischerhütte über dem See glänzt wie ein magisches Schloß ... was sind magische Schlösser ...

FRÄULEIN KOPRIVA. Oh ... ich weiß nicht ... soll ich dich lieben ... oder überfällt mich der Graus ... und die Scham ...

MANDER inbrünstig. Ottilie ... ich treibe im Wirbel so hin ... reiche dem Ertrinkenden beide Hände ... Er fällt ihr zu Füßen. ich liege büßend auf den steinernen Stufen vor deinem Altare ... ich weine aus der innersten Seele ... Reuetränen ...


Er verbirgt den Kopf in ihrem Schoße.


FRÄULEIN KOPRIVA irr lachend. Hahahaha ... dein Kopf ist wie ein schwerer Kürbis so groß ... hahahaha ... ich habe jetzt meinen Gesang ganz vergessen ... ich habe jetzt mich selber vergessen ... o du süßer Spieler ... du spielst ja, als wärst du der gute Odysseus, der endlich seine Penelope wiederfindet ...


Mander erhebt den Kopf und starrt sie an.


FRÄULEIN KOPRIVA erhebt sich hastig. Wirft zerdrückte Rosen aus ihrer Hand weg. Gott Gott Gott ... ich komme nicht zu mir ... ich habe bei diesem Nachtfest schon all meine mystischen Rosen in meinen Händen zerdrückt ...

MANDER erhebt sich hastig. Komme, mein Weib ...


Fräulein Kopriva, während sie ineinandergefaßt in die Tiefe verschwinden.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 178-179.
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