Dritte Szene

[29] DIENER FRANZ erscheint wie aufgescheucht aus der Tapetentür. Oh ... man schläft richtig ein, wenn Stunde um Stunde so totenstill hingeht –

MUTTER BUNTSCHUH. Wie lange geht's denn schon wieder ...

DIENER FRANZ. Seit drei Uhr nachts ... wo der gnädige Herr aus seinem Schlafzimmer in seine Arbeitsräume hinüber schlürfte ...

MUTTER BUNTSCHUH. Ja, ja ... schlürfte ... im Nachthemde womöglich ... halb nackt und bloß ... hatte er wenigstens den Schlafrock um ... und die Pantoffel an den Füßen ... Sie geht zur Gartentür. macht nur die Tür auf, damit die schöne Luft reinkommt ... Bei diesen Worten hat sie selber die Tür aufgeriegelt und weit geöffnet. es geht ja schon auf zwölf ...

DIENER FRANZ. Ja ... es geht schon auf zwölf, wie ich eben sehe ... und wer weiß noch, wie lange es weiter geht ...

MUTTER BUNTSCHUH. Du kommst jetzt, Vater ...

DIENER FRANZ. Gehen Sie nur ja, Herr Buntschuh ...

VATER BUNTSCHUH mit abwehrendem, verächtlichem Blick gegen den Diener, zu Mutter Buntschuh gehend und ihre Hand fassend. Ach ... Herr Buntschuh ... Blödsinn ... wenn auch mein Sohn mein Sohn ist ... ganz gleichgültig ... nennen Sie mich gefälligst Siebenhaar ... wie mein alter Onkel Siebenhaar hieß ... der sein ganzes Leben lang nur immer mühsam auf dem Schusterschemel hockte ... ja ... Mutter Buntschuh[30] führt ihn und zieht ihn behutsam durch die rechte, vordere Tür fort, während er noch zurückspricht. und überhaupt nicht eine Minute übrig hatte in seinem Leben, sich seine sieben Haare wieder zum Beispiel rot zu färben ... nicht ... Mutterle ... Beide ab.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die goldnen Straßen. Leipzig 1918, S. 29-31.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die goldnen Straßen
Die goldnen Straßen