Sechste Scene.

[62] BAUER geht unruhig hin und her und sieht an die Uhr, nach einer Weile. De Harfaleute war'n hie? Was?

JOSEPH arbeitend. Gewiß, Franzel war hier! – Meine Mutter war auch hier. –

BAUER stumm hin und her.

JOSEPH. Haben Sie etwa was dagegen? Es wär schon gut, wenn Sie mir beizeiten sagten! – denn –

BAUER wie für sich. 's mußte ju asu kumma! – Nee wuhr? – D'r Suhn hot's Vaterhaus verlussa! D'r Suhn hot's Vaterhaus verlussa! Vatersch Regiment paßt'n nimmeh' –

JOSEPH tastend. Was ist?

BAUER. Nee wuhr? wenn Euch de Eltern nee[62] alles uf'm Präsentiertaller hiehalta, dann heeßt's: glei' Heidi! heidi! mir ziehn ei de Welt! Mir kinn' ju fremda Leuta inse Ding ufspiel'n – vo Orte zu Orte. – De Welt hot keene Thiren! Immer giht! Immer giht!

JOSEPH. Warum, Herr? Warum sprechen Sie das?

BAUER leiser in sich hinein. Ich war'sch 'm a' streicha – dam Jingerla! Und wenn Hermann fufzah' Mol sa't, ich hätt'n nee derfa vur alla Leuta an Ohrfeige ga'n! Nee nee! Ich hätte lieber sulln hietrata vur'n: Nu, Sihnla, Du willst uf Reisa gihn? Da nihm D'r ock hie an Hand vull Geld, was Dei' Vater sich mihsam derschindt' hot, – und nu reis ei de Welt, und wenn D'rsch amol eifallen sollte, d'rheeme Deine Tummheeta furtzusetza, – Schama – schama muß ma' sich ei' senne Seele nei', wenn ma' an sulche Geschichte zu lasa kriegt. Er hat einen Brief aus der Tasche gezogen und wirft ihn auf den Tisch.

JOSEPH gleichgültig. Ich denke – vielleicht gar – der Brief ist –

BAUER aus den Brief gestikulierend. Vo' mir darf kenner erwarta, ich war vurn hietrata! Asu lange wie ich labe, sohl kee's vo' menn' Kindern gleeba, ich war kumma. Ich bihn d'r Vater! Was meine Kinder sein wulln, die ha'n zu mir zu kumma! Ich bihn d'r Vater – und wenn mir die Zahne ausfall'n, ich bihn d'r Vater – und war d'r Vater bleiba!

JOSEPH. Haben Sie Kummer, Herr? Um was?

BAUER nimmt den Brief und steckt ihn wieder in die Tasche. Was sa'st Du, Joseph?[63]

JOSEPH. Aber siehst Du, Herr! Du erzählst mir lange Geschichte – und alles ist mir dunkel. Du erzählt mir Zorn und Gram, und alles ist mir dunkel. Erzähle mir klar –!

BAUER. Was willst Du? Ich ha' Dir nischt zu d'rzahlen! Ich ha' niemanda was zu d'rzahlen!

JOSEPH. Du erzählst mir, Suhn ist aus Vaterhaus gegangen. Du erzählst mir, er hätte sullen kummen zu Dich und bitten. – Was bitten? Was sullt er bitten, Herr? – Es ist nicht jedermanns Sache zu kummen und bitten. Verstihn Sie mich. Es streckt nicht jedermann gern Hand aus um Dinge, die kummen oder nicht.

BAUER. Was sein das fir Reda? Du willst mir wull gude Lehren ga'n? was?

JOSEPH. Ich will gar nix »Lehren ga'n«! gar nix! Ich sage nur, wie mich dünkt! Aberr –

BAUER. Wie denn? Daß de Kinder immer meh' ufsätzig war'n, wenn iber die Ahlen die biesa Juhre harfalln! was?

JOSEPH. Aber gar nix, Herr! Was aufsätzig? Wer ist aussätzig? Ich? – Warum nur immer alles zwingen, was nicht will? – Aber Sie denken, man muß bluß blind zum Ziele kummen! Es giebt Ziele in der Welt so viele wie Wege. Und was einer nimmt mit alle Verstand, ist noch lange nicht immer das Beste genummen. Aber Sie denken, man muß auf Knie fallen und durchsetzen und bitten –

BAUER entgegenkommend. Ich war Dir was sa'n. Joseph –

JOSEPH leichthin. Meine Alte erzählt su feine[64] Geschichte. Es geht einer dahin, wu jedermann denkt, es ist nichts zu finden. Es faßt ihn, es treibt ihn. Er denkt, es treibt mich, so wird gut sein. – Su kummt er auf Brücke. – Auf Brücke wird vielleicht eine Schatz sein! – Gut! – Er wartet. Er sieht noch keine Schatz. – Er wartet. – Aber ein anderer kummt. Der Neie ist Kluger! Das ist immer, der alles glaubt zu sehen in vuraus und immer glaubt, nur das Gescheite zu wünschen in vuraus, – der Kluge denkt: Was giht jener hin und her – der Thor? »Was machst Du hier?« – »Ich?« sagt der Thor, »ich gehe hin und her und warte.« – »Auf was?« – »Vielleicht auf eine Schatz.« – »Auf eine Schatz?! Sull sich Schatz grade hier auf Brücke kummen in Deine Arm'?! Ich habe einmal getreimt, eine Schatz läge unter jenes Lindenbaum, aber ich bin kein Treimer. Was einem su leichthin durch Kupp zieht, das ist Schaum. Ich habe einfach iber sulche Idee gelacht.« – »Lach' iber was Du willst!« – Er läßt den Klugen laufen, gräbt unter das Lindenbaum und – findet eine Schatz. – Su giht's.

BAUER zutraulich. Joseph, ich ha' heute an Brief gekriegt. Ernst hot unterwegs a Handwerksporscha gespielt und de Leute a' gebattelt! Das hot de Pulzei gesahn. – Du sa'st 's aber niemanda! Schande genung, wenn ich's wiß. – Nu Jeses, – 's kimmt ju vir! 'r hot ebens nischte meh' geha't. – Du sa'st's aber niemanda. Se ha'n n' ju au wieder laufa gelo'n. Er verschließt den Brief ins Schränkchen.

JOSEPH mit einigem Erstaunen. Was ist mit Ernst? – Ach was! Wu werd ich reden von su was![65] Was ich habe iber Ernst gehört, ich habe nichts gehört, gar nichts gehört.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 62-66.
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