Scena IIII.

[22] Hans Pfriem. Sostrata.


HANS PFRIEM.

Betreugt mich nicht mein sinn, vorwar,

So feilt mirs doch nicht vmb ein har,

Was gilts, ich wils errathen han,

Warauff die Schecher hie vmbgahn,

Ich sehe, sie werden ruhen nicht,

Bis sie mir ein Bad han zugericht,

Ich rieche den Braten, Ob ich gleich,

Noch eben weit hernacher schleich,

Sie werden nicht Feierabend machen,

Bis sie sich han an mir gerochen,

Dieweil sie mirs doch nicht erlassn,

Als hab ich sie geheit dermassn,

Zu voraus der kalköpffte Greis,

Der stets sich vmb die thür herbeis,

Den keiner leicht vmbfüren sol,

Er mus beschlagen sein gar wol,

Noch dennoch hab ich jhn betrogen,

Vnd hab mich so herein gelogen,

Das thut jhm zorn, vnd beist jhn shr,

Ich aber mus mich desto mehr,

Mit vleis verwaren, das ich jo,

Nicht etwan blos mich geb aldo,

Ach lieber Gott, wenn ichs betracht,

Noch dennoch eben bang mirs macht,

Das ich nicht aus weis oder ein,

Oder wo mir möcht am besten gesein,

Ich bin alhie, vnd weis nicht wie,

Kein gut Gewissen hab ich je,

Drumb kan ich auch nicht frölich sein,

Wenn ich betracht im hertzen mein,

Das allzu schnell vnd küner rath,

Kein gut ende nie genommen hat,

Wie ich auff Erd hab offt gehört,

Weis, obs auch gilt an diesem ort,

Vors letzte, schwant mir mechtig sehr,

Wie ich mich aller gwalt erwehr,

Der Feinde sind doch jo zu viel,[23]

Die auff mich lauren ohne ziel,

Es fellt mir gar beschwerlich für,

Den' allen zuentwischen hier,

Denn wie man sagen thut ohn spot,

Viel Hunde sind der Hasen todt,

Soll ich mich aber nun von newen,

Mein vorige künheit lassen gerewen,

Vnd soll mich wider in geheim,

Absondern aus Seeligen gmein,

So trage ich aber sorge dabey,

Das mirs nicht viel gefehrlicher sey,

Mich abzuschleiffen in der still,

Denn rein zukomn ohn jhren will',

Drumb möcht es noch wol besser sein,

Das ich nie hett gerochen rein,

Vorwar bey Gott, weils so zugeht,

Wo find ich aber ein sicher stett?

Auch draussen, da mir wolgeling?

Die besserung wer gar gering,

Doch wer desto weniger gfahr dabey,

Ja wol, desto weniger, Allerley

Nur jamer, not vnd kümmernis

Bestünde mich wider da gewis,

Drumb komme ich nicht, Viel besser ist

Hierinnen sein zu stetter frist,

Wann ich nur bleiben könt, das mir

Doch allzubschwerlich fellet für,

Vnd macht mir leider viel zuschaffen,

Lest mich vor angst vnd sorge nicht schlaffen,

Steckt mich in zweiffel vnd in zagen,

Das ich auff hoffnung nichts darff wagen,

Ist alles verlorn, auch kein vertrag,

Den wir gemacht, Ich trawen mag,

Es ist doch alles so gekart,

So abgespielet, das es hart

Mein leib vnd leben kosten sol,

Mein Gut vnd habe, das spür ich wol,

Ich mach es gleichsam, wie ich wil,

Doch hilfft es nicht, das böse spiel,[24]

Muss ich in henden stets behalten,

Das wird der ritt vnd falbel walten,

Den Himmel muss ich reumen thun,

Werd ich mich nicht erwehren nun,

Zu viel des falsches vnd der list,

Der schelmerey vnd truges ist,

Wie bald sie etwas funden han,

Damit sie schreien ohn vnterlan,

Ich habe vergessen meiner pflicht,

Hab kein' vertrag gehalten nicht,

Da mus der arme Hans Pfriemer dann,

Eim jedem zu seinen Rechten stahn,

Muss sich verdammen lassen baldt,

Von vieln sein feinden vngezalt,

Die gros, gewaltig, mechtig sind,

Zornig, tyrannisch vnd geschwind,

Was wil er machen, der gute Man,

In einem hui, von stunden an,

Ists vrteil vber jhn gesprochen,

Das all sein vnthat werd gerochen,

Vnd werd dahin in ewig qual,

Verstossen aus des Himels sal,

Wie thue ich jm dann? wie mach ichs recht?

Das ich solch vbel alls verfecht,

Ich weis nicht besser, Ich wil gantz kün,

Wie böse verrüchte Buben thun,

Die schlegefaul gewehnen sich,

All püffe vnd streiche verechtiglich,

Zufangen auff jhre haut, so hart,

Als etwa ein holtz oder eisen wart,

So mus ich meine zung vnd mund,

Auch herten als ein staal jetzund,

Wiewols were besser, das ich schier

Könt augn vnd ohrn verstopffen mir,

Damit ich solch vnbillich ding,

Nicht zu gesicht noch gehör entpfing,

Anders zu rathen weis ich nicht,

Darumb so wil ich gleich gericht,

Dem nachgeleben heute zutage,[25]

Ob mir die Schantz gerathen mage,

Vnd wil mich in ein winckel icht

Verstecken, da mich niemand sicht,

Wann ich des Himmels vppigkeit

Ersehe, vnd zorn darüber leidt,

Hoscha Hoscha ho, höre Alte, höre,

Sihe zu, das niemand dich bethöre,

Weil ich nicht werde zuhause sein,

Lass niemand weder aus noch ein,

Vnd sag auch niemand nichts von mir,

Wil nicht, das jemands wisse alhier,

Wo ich heut sey. Wenn mirs gefelt,

So bald ich auch es dir vermeldt,

Ich gehe dahin, in Gottes nam',

Nun mus ich gleich auch wundersam,

Das köstliche leben, wonne vnd freude

Im Paradeis, ehe ich mich scheide,

Da Christ genedig vor woll' sein,

Besehn noch recht vnd nemen ein,

Denn wann ich sol die warheit sagen,

So ist alhier gar nichts zuklagen,

Vnd gfelt mir aus der massen wol,

Das alles hie ist freuden voll,

Wenn nur des Nerrischen dinges nicht

So viel vnd offt würde angericht,

Hoscha abermal, du alte Scharre,

Sihe zu im Hause, alls wol verware,

Vnd lass nicht schnappen, wo ich sey,

SOSTRATA.

Ich halte wol, es stehe mir frey,

Das ich nicht sage, was ich nicht weis,

HANS PFRIEM.

Halts maul, das dich der Donner schmeis,

Vnd wisse nichts in ewigkeit,

Ich gehe, sehe, was ich vor bescheit

Bekomm, ob mir kan hie gelingen,

Oder, soll ich jo ins feld naus spring,

Das ichs nicht vngerochen lass,

Vnd solt michs kosten dis vnd das,

Es muss gewaget sein wolan,

Mein aller letztes setz ich dran,[26]

Vnd wags auff Gotts berat hinein,

Es gilt hie nicht mehr blöde sein,

Kün, vnerschrocken, frech vnd wildt,

Sol mir die Schantz gewinnen mildt,

Denn wer jetzund wil kommen fort,

Die scham muss setzen auff ein ort.

Quelle:
Martin Hayneccius: Hans Pfriem oder Meister Kecks. Halle a.d.S. 1882, S. 22-27.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Hans Pfriem
Hans Pfriem: Oder, Meister Kecks (German Edition)

Buchempfehlung

Haller, Albrecht von

Versuch Schweizerischer Gedichte

Versuch Schweizerischer Gedichte

»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller

130 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon