Achtzehnte Szene

[695] AGNES erscheint, von Caspar Bernauer und Knippeldollinger begleitet.

ALBRECHT ausbrechend. Da ist sie!

NOTHHAFFT VON WERNBERG UND FRAUENHOVEN zugleich. Wunderschön, das ist wahr!

TÖRRING. Und der Engel von Augsburg, das ist auch wahr! Dort steht ja der Vater!

ALBRECHT. Kennst du sie?

TÖRRING. Man nennt sie hier allgemein den Engel von Augsburg. Sie ist die Tochter eines Baders, gnädiger Herr! Wir ließen uns vorhin die Bärte bei ihm stutzen. Er zeigt auf seinen Bart. Seht Ihr? Der Mann ist geschickt, nicht wahr? Es könnte dem Eurigen auch nicht schaden! Er tritt auf die Gruppe zu. Guten Abend, Meister, da sehen wir uns schon wieder!

CASPAR BERNAUER. Viel Ehre für mich!

ALBRECHT folgt, zu Agnes. Jungfrau, warum erteilt Ihr auf den Turnieren nicht den Dank? Was durch Eure Hände geht, ist edler, als Gold, und köstlicher, als Edelstein, wärs auch nur ein grüner Zweig, vom nächsten Busch gebrochen!

CASPAR BERNAUER. Meine Tochter ist an solche Reden nicht gewöhnt, gnädiger Herr; fragt sie aus den sieben Hauptstücken[695] unseres allerheiligsten Glaubens, und sie wird nicht verstummen!

AGNES. Nicht doch, Vater, der Herzog von Baiern will seine Braut so anreden und macht bei der Bürgerstochter von Augsburg nur die Probe!

CASPAR BERNAUER. Wohl gesprochen, Agnes, aber zum Antworten hast du keine Vollmacht, darum danke Seiner Fürstlichen Gnaden für die Herablassung und komm!

ALBRECHT. Warum, störriger Alter? Noch habe ich ja kaum den Ton ihrer Stimme gehört, noch kamen die vierundzwanzig Buchstaben nicht alle über ihre Lippen! Abgewandt. Ha, ich könnt sie bitten: sprich dies Wort aus, oder das, oder jenes, nicht des Sinns wegen, nur damit ich erfahre, mit wie viel Musik dein Mund es beschenkt! Zu Caspar Bernauer. Ihr geht doch? So müßt Ihr mir gestatten, Euch zu begleiten! Euer Schatten weicht eher von Euren Schritten, als ich!

CASPAR BERNAUER. Euresgleichen würde neidisch werden!

TÖRRING faßt Caspar Bernauer unter dem Arm. Baierns Herzog hat hier seinesgleichen nicht!


Er führt ihn ab, Nothhafft von Wernberg gesellt sich zu Knippeldollinger und folgt.


ALBRECHT zu Agnes, die ebenfalls folgt und sich ihrem Vater zu nähern sucht. Mädchen, ich täuschte mich nicht, du hast heut morgen nach mir gesehen. Galt der Blick mir oder meinem venezianischen Helmbusch?

AGNES. Ich zitterte für Euch, gnädiger Herr, Ihr schautet zu mir herüber und rittet gegen den Feind, ich dachte, Ihr müßtet Schaden nehmen!

ALBRECHT. Und das war dir nicht gleichgültig? Sie verlieren sich, nebst den andern, im Gewimmel.

BARBARA mit Martha und andern Mädchen hervortretend. Ha, ha, ha! Sagt ichs euch nicht, daß es besser sei, zu Hause zu bleiben? Nun freut euch, wenn ihr könnt!

MARTHA. Ei, dies ist ja gut! Wenn der Herzog sie mitnimmt, steht sie uns ebensowenig mehr im Wege, als wenn sie gen Himmel fährt!

BARBARA. Mitnimmt! Wo denkt ihr hin! Er wird sie schon hier lassen! Aber sie wird noch im Wert steigen, nun auch er genickt[696] hat! Seht euch nur um, wie alles guckt und flüstert! Gehen vorüber.

NOTHHAFFT VON WERNBERG kommt mit Knippeldollinger, ihm tritt entgegen.

BÜRGERMEISTER NÖRDLINGER mit einem Fräulein. Herr Ritter – meine Base, Juliana Peutinger – sie hat des Kaisers Majestät schon als vierjähriges Jungfräulein im Namen des Rats mit einer kleinen lateinischen Rede begrüßt! Ich mögte sie Seiner Gnaden gern aufführen!

NOTHHAFFT VON WERNBERG mit ihm weiter gehend. Nachher, Herr Bürgermeister, nachher! Leise. Der Herzog ist von den Bürgern so warm empfangen worden, sie haben sich die Kehle fast abgeschrien, Ihr seht, er bezeugt sich dankbar!


Gehen vorüber.


ALBRECHT kommt mit Agnes. Nun sprich auch du! Was sagst du dazu?

AGNES. Mir ist, als hört ich eine Geige mehr, süß klingts, auch träumt sichs schön dabei.

ALBRECHT. Ich frage dich, ob du mich lieben kannst!

AGNES. Das fragt eine Fürstentochter, doch nicht mich!

ALBRECHT. O sprich!

AGNES. Schont mich, oder fragt mich, wie man ein armes Menschenkind fragt, von dem man glaubt, daß ein ungeheures Unglück es treffen könne!

ALBRECHT. Dies Wort –

AGNES. Legts nicht aus, ich bitt Euch, zieht niemanden die Hand weg, wenn er sie über die Brust hält.

CASPAR BERNAUER der mit Törring gefolgt ist und sich Agnes zu nähern sucht. Morgen, Herr Graf, morgen!

KNIPPELDOLLINGER der mit Nothhafft von Wernberg neben den beiden geht, zu Törring. Einen, der das Blut besprach, habe ich selbst gekannt.

ALBRECHT. Agnes, du verkennst mich! Ich liebe dich!

CASPAR BERNAUER tritt zwischen beide. Komm, mein Kind! Auch du hast Ehre zu verlieren! Er will sie abführen.

ALBRECHT vertritt ihm den Weg. Ich liebe sie, aber ich würds ihr nimmer gesagt haben, wenn ich nicht hinzufügen wollte: ich werb um sie!

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Gnädiger Herr![697]

FRAUENHOVEN. Albrecht! Kennst du deinen Vater?

TÖRRING. Denkt an Kaiser und Reich! Ihr seid ein Wittelsbach! Es ist nur zur Erinnerung.

ALBRECHT. Nun, Alter, fürchtest du noch für ihre Ehre?

CASPAR BERNAUER. Nein, gnädiger Herr, aber – – Vor funfzig Jahren hätte sie bei einem Turnier nicht einmal erscheinen dürfen, ohne gestäupt zu werden, denn damals wurde die Tochter des Mannes, der dem Ritter die Knochen wieder einrenkt und die Wunden heilt, noch zu den Unehrlichen gezählt. Es ist nur zur Erinnerung!

ALBRECHT. Und nach funfzig Jahren soll jeder Engel, der ihr gleicht, auf Erden einen Thron finden, und hätte ihn einer ins Leben gerufen, der dir noch die Hand küssen muß. Dafür soll mein Beispiel sorgen!

FRAUENHOVEN. Er ist verrückt! Zu Albrecht. Nur hier nicht weiter, nur heute nicht! Alles wird aufmerksam und auf jeden Fall muß die Sache geheim bleiben!

ALBRECHT zu Caspar Bernauer. Darf ich morgen kommen?

CASPAR BERNAUER. Wenn ich auch nein sagte, was hülfe es mir?

ALBRECHT. Agnes?

AGNES. Wer rief mir doch heute morgen zu: geh ins Kloster? Mir deucht, ich sehe jetzt einen Finger, der mich hinein weist!

ALBRECHT. Dir schwindelt! Halt dich an mich! Und ob die Welt sich dreht, du wirst fest stehen!

CASPAR BERNAUER. Gnädiger Herr, wir beurlauben uns! Die fällt mir sonst um! Ab mit Agnes und Knippeldollinger.

ALBRECHT. Ich muß – Will folgen.

FRAUENHOVEN. Keinen Schritt! Ihretwegen, wenn nicht deinetwegen.

ALBRECHT. Du kannst recht haben!

FRAUENHOVEN. Sprich jetzt auch mit anderen! Sprich mit allen! Und lange, ich bitte dich, lange!

ALBRECHT. Ich hätte so gerne noch meinen Namen von ihren Lippen gehört! Doch – wer will denn auch Weihnacht, Ostern und Pfingsten auf einmal feiern! – – Er mischt sich unter die übrigen Gäste. Ihm tritt Bürgermeister Nördlinger mit dem Fräulein entgegen.[698]

Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 695-699.
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