Fünfte Szene

[684] BARBARA tritt in die Tür. Darf ich sie wieder holen?

AGNES. Barbara!

BARBARA. Agnes?

AGNES. Du kamst lange nicht!

BARBARA nimmt die Schlüssel auf. Und jetzt hab ich hier etwas zu tun! Siehst du?

AGNES. Wir waren immer so gut miteinander: was hast du jetzt gegen mich?

BARBARA. O, das bin ich nicht allein!

AGNES. Heilige Mutter Gottes, was sagst du da?

BARBARA. Du siehst deine Gespielinnen wohl gar nicht mehr an, daß du nicht weißt, wie sie dich ansehen?

AGNES. Es ist wahr, ich erhalte meinen Gruß nicht immer so freundlich zurück, wie ich ihn biete!

BARBARA. Glaubs!

AGNES. Aber bei Gott, wenn mir das mit einer begegnete, so dacht ich: Sie hat schlecht geträumt oder sie ist von der Mutter gescholten oder sie hat ihren Ring verloren –

BARBARA. Dabei kamst du denn freilich gut weg.

AGNES. Was tu ich denn? Sags!

BARBARA. Tun! Was tun! Wenns schon so weit gekommen wäre, so würde man leicht mit dir fertig!

AGNES. Barbara![684]

BARBARA. Sag doch einmal, warum – – Sie zeigt auf Theobald. Nun, da steht ja gleich wieder einer und gafft! Zu Theobald. Nicht wahr, ich bin gar nicht da! Zu Agnes. Gehst du heute? Zum Turnier, mein ich! Ja? Nun, da will ichs allen ansagen, damit sie zu Hause bleiben, ich zuerst!

AGNES. Das ist zu arg, das muß mein Vater wissen.

BARBARA. Bewahre! Niemand redt dir was Übles nach!

AGNES. Und doch flieht man mich? Doch will man mich ausstoßen?

BARBARA. Agnes, sieh mich mal an!

AGNES. Nun?

BARBARA. Wie wär dir wohl zumute, wenn – laß uns hinauf gehen in deine Kammer!

THEOBALD. Ich will nicht im Wege sein, wenn gebeichtet werden soll! Ab.

BARBARA. Ja, wie wär dir zumute, wenn du, wie sag ich, nun, wenn du einen gern hättest, und der hätte nur Augen für mich?

AGNES. Wie soll ich das wissen!

BARBARA. So will ichs dir sagen! Du würdest – – Doch ich will mich nicht lächerlich machen, du weißt es selbst recht gut! Und meinst du, daß es anderen besser geht? Bemerkt den Strauß. Woher kommt der?

AGNES. Das weiß ich nicht!

BARBARA. Nicht? Kommen so viele? Wenn er von meinem Wolfram käme, ich – – Und es ist gern möglich, gerade die Blumen stehen in seinem Garten! Gestern den ganzen Tag sah ich nach seinem Vetter, zwang mich, dem gleichgültigen Menschen verliebte Blicke zuzuwerfen und dachte, er würde rasen. Abends, als wir zu Hause gingen, strich er den Burschen selbst gegen mich heraus, es war ihm recht gewesen, ich hatte ihm einen Gefallen damit getan!

AGNES. Arme!

BARBARA. Daran bist du schuld, niemand schuld, als du! Als er dich noch nicht kannte, hing er an mir, wie eine Klette. In den Bärenzwinger wär er für mich hinabgestiegen und hätte meinen Handschuh heraufgeholt. Und nun – pfui!

AGNES. Du schiltst mich, und ich weiß nicht einmal, wovon du sprichst![685]

BARBARA nimmt den Strauß. Ich will schon dahinter kommen, ich nehm ihn mit!

AGNES. Mir gleich!

BARBARA. Allen machst du abspenstig, was ihnen gehört! Ich würde mich schämen!

AGNES. Kannst du sagen, daß ich auch nur einen ansehe?

BARBARA. Das ists vielleicht eben! Nonne und doch keine! Heilige, aber noch nicht im Himmel! Die muß man Gott abjagen! Da muß man alles daran setzen! Ei, sei, wie wir, guck auf, sprich, und es wird sich geben!

AGNES. Tät ichs, so würdest du wieder schmälen!

BARBARA. So geh ins Kloster, wirf den Schleier über, den niemand heben darf! Ich dich um Vergebung bitten? In Ewigkeit nicht!

AGNES. Wer verlangts denn?

BARBARA. Mein Beichtvater! Glaubst du, ich kam von selbst? Aber nein, lieber auf Erbsen knieen! Hält den Strauß in die Höhe. Den werd ich ihm jetzt schenken! Kennt er ihn nicht, so schick ich dir einen doppelt so schönen! Ab.

AGNES. Sie tut mir leid! Aber kann ichs ändern?


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 684-686.
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