Erste Szene


[699] Herberge. Früher Morgen.


NOTHHAFFT VON WERNBERG. Die Sache wird ernst.

TÖRRING. Sehr ernst! Die Linie steht auf zwei Augen –

FRAUENHOVEN. Das doch nicht! Auch Herzog Wilhelm hat einen Sohn!

TÖRRING. Der schwach und siech ist und kaum vier Jahre alt. Habt Ihr das Jammerbild nie gesehen? Ich weiß, was ich sage. Die Münchner Linie steht so gut, wie auf zwei Augen, und wenn es uns nicht gelingt, Albrecht von seinem tollen Vorhaben abzubringen, so zeugt er Kinder, die nicht einmal den unsrigen ebenbürtig sind! Was wird dann? Schon jetzt ist Baiern in drei Teile zerrissen, wie ein Pfannkuchen, um den drei Hungrige sich schlugen, solls ganz zu Grunde gehen? Und das wird geschehen, wenn wir dies Unglück nicht verhindern können.

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Das ist wahr! Von allen Seiten würden sie heranrücken, vergilbte Pfandbriefe auf der Lanzenspitze und vermoderte Verträge auf der Fahnenstange, und wenn sie sich lange genug gezankt und gerauft hätten, würde nach seiner Weise der Kaiser zugreifen, denn während die Bären sich zerreißen, schnappt der Adler die Beute weg.

TÖRRING. Also laßt uns vorbeugen!

FRAUENHOVEN. Aber wie? Vergeßt nicht, daß er ebenso viel welsches Blut im Leibe hat, als deutsches, und vielleicht noch einige Tropfen mehr! Ich sage Euch, wenn Ihrs noch nicht wißt, die Mutter ist mächtig in ihm, und wenn Ihr ihm nicht neue Augen einsetzen könnt, daß ihm das Schöne häßlich vorkommt und das Häßliche schön, so richtet Ihr nichts bei ihm aus. Ihr hättet ihn diese Nacht auf dem Heimgang hören sollen! Und ist es denn nicht auch wahr? Wer kann sich rühmen, einen solchen Engel gesehen zu haben, eh er nach Augsburg kam?[699]

TÖRRING. Glaubt Ihr denn, ich bin der Narr, der das Feuer besprechen will? Das fällt mir nicht ein! Mags brennen, bis er Asche ist, was kümmerts mich. Aber ich denke, die Nahrung wird diesem Feuer etwas billiger zu kaufen sein, als mit Thronen und Kronen! Zum Teufel, ist denn Albrecht nicht auch so ein Weib wert? Laßt mich nur ma chen! Ich sage Euch, es sind wackre Menschen, vernünftige Leute! Stand der Alte nicht gestern abend da, als ob sich ihm der Erzengel Michael zum Eidam antrüge? Und das Mädchen – schaute sie nicht drein, als ob sie zum Fliegen aufgefordert würde, anstatt zum Tanzen? Gebt nur acht, ich bringe alles ins gleiche! Ab.

FRAUENHOVEN. Der irrt sich! In Vater und Tochter, wie im Herzog!

NOTHHAFFT VON WERNBERG. Aber ins Gewissen müssen wir ihn reden!

FRAUENHOVEN. Warum? Um es getan zu haben, nicht wahr, wenn wir dereinst zur Rechenschaft gezogen werden! Borg dir die Posaune des Jüngsten Gerichts und versuchs, ob du Gehör bei ihm findest. Ich bin zufrieden, wenns nur einstweilen geheim bleibt. Er ist beim faulen Wenzel in Prag auferzogen worden, und was der bei Geigen- und Flötenklang in ihn hineingesät hat, das bringt Gott selbst nicht wieder heraus!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 699-700.
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