Zwölfte Szene

[434] MARINA tritt rasch ein.

Wart, du Schelm.

MARFA.

Ich weiß es, was es heißt, sich übereilen:

In Uglitsch fielen zehn auf mein Gebot,

Als ich die blutge Leiche vor mir sah,

Und jetzt – Jetzt stehst du hier!

MARINA.

Hör doch auf mich!

Schick ihn zum Zobelfang nach Astrachan

Und schenk mir, was er fängt.

DEMETRIUS zu Mniczek.

Begreifst du das?

MNICZEK.

Es gilt dem Fürsten Schuiskoi, wie mir scheint.


Zieht eine Uhr.


So ists. Ja, ja! Er wird hinüber sein! –

Gott sei ihm gnädig!

DEMETRIUS.

Wie?!


Ruft gegen die Wache.


Kosak!

MNICZEK.

Du willst –

DEMETRIUS.

Nicht – töten.


Zum Kosaken.


Hier mein Siegel-Ring! Nun eile,

So schnell du kannst. Du bringst dem Fürsten Schuiskoi

Pardon. Er ist begnadigt.

MARINA.

Unbedingt?


Zu Marfa.


Du bist erhört. Ich nicht.

MARFA.

O, nur kein Blut! –

Wie hat mein Töchterchen geruht?

MARINA.

Vortrefflich,

Bis mich die Armesünder-Glocke weckte.

MARFA.

Nun, morgen gibts ein schöneres Geläut!

MNICZEK stampft mit dem Fuß.

Das ist – Ich sehe seinen Dank voraus.

DEMETRIUS.

Es war beschlossen, eh ich unterschrieb,

Doch hofft ichs zu vollbringen, wie ein Gott,

Nun tret ich bloß von einem Mord zurück.

MNICZEK.

Von einem Mord?[435]

DEMETRIUS.

Wo ist die Majestät,

Die er beleidigt, wo der Hochverrat,

Den er begangen hat? Ich seh es ein,

Daß ich die Zaren-Maske weiter tragen

Und Frieden und Gewissen opfern muß,

Wenn ich euch retten will, und bin bereit.

Ja, morgen werden Wir uns krönen lassen,

Marina soll als Zarin aller Reußen

Und nicht als Karten-Königin zurück.

Und heut – Laß die Bojaren nur herein!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 434-436.
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