Sechste Szene

[421] MNICZEK tritt wieder ein.

Ein altes Weib auf Krücken lärmt da draußen,

Sie will bestellt sein!

DEMETRIUS.

Ich erinnre mich.

Gut, daß sie kommt. Ich hätt es fast vergessen,

Daß ich ihr meine erste Gunst versprach,[421]

Und Sterne ausgestreut.

GREGORY.

Sie ist es wert!

DEMETRIUS.

So kennst du sie?

GREGORY.

Und hats um dich verdient!

DEMETRIUS.

Wie das?

GREGORY.

Du lebtest nicht, wenn sie nicht wäre.

DEMETRIUS.

So hat sie Euch ihr Kind verkauft?

GREGORY.

Sie hat

Den Tausch vollzogen.

DEMETRIUS.

Danken will ichs ihr,

Doch loben kann ichs nicht! – Nun aber sprich:

Was kann ich für dich selber tun?

GREGORY.

Für mich?

Gar nichts! Für meinen Orden viel.

DEMETRIUS.

Was? Was?

GREGORY.

Gestatte ihm den Eintritt in dein Reich

Und gib ihm, was er braucht!

DEMETRIUS.

Das ist die Sache

Des Patriarchen.

MNICZEK.

Ihr seid Jesuit.

GREGORY.

Ich bins.

MNICZEK.

Vielleicht gar General.

GREGORY.

Nur Mönch.

MNICZEK.

Dem Kleide nach.

GREGORY.

Mein Fürst, du kennst wohl nicht

Den Umfang deiner Rechte, wenn du glaubst,

Daß du den Patriarchen fragen mußt.

DEMETRIUS.

Wenns heut so ist, so wird es morgen anders,

Denn nimmer rühr ich an das Göttliche,

Und hab ich diese unheilvolle Macht,

So will ich auch sogleich auf sie verzichten,

Damit ich nicht, von Leidenschaft verblendet,

In irgend einer unglückselgen Stunde

Die Seele wage!

GREGORY.

Wag sie heute nicht

Wem Gott, der Herr, den Donnerkeil vertraut,

Der darf ihn nicht ins nächste Wasser werfen,

Weil er sich selbst vor Blitz und Flamme scheut,[422]

Und wen er zu der höchsten Tat berief,

Die alle andern dieser Zeit verdunkelt

Und jeden Lorbeer, der auf Erden grünt,

In aller Himmelskronen erste flicht,

Der trete nicht vor seinem Wink zurück.

DEMETRIUS.

Vor großen Taten fürchte ich mich nicht!

GREGORY.

Wohlan! So zeig ich dir die deinige! –

Du bist ersehn, den Kirchenspalt zu schließen,

Der Abendland und Morgenland zerreißt,

Und mit dem Untergang die Welt bedroht.

DEMETRIUS.

Das könnte ich?

GREGORY.

Das kannst du, wenn du willst.

Erstaune nicht! Die Krone ist dir neu,

Und wenn du auch das Schwert schon ruhmvoll schwangst,

Die Kraft des Zepters hast du nicht erprobt:

So höre denn von mir, was es vermag!

In Deutschland selbst, wo die verruchte Schlange,

Die Adam um das Paradies betrog,

Noch kriecht bis heute und ihr letztes Gift

Im ketzerischen Luther ausgeschäumt:

In Deutschland selbst bestimmt der Fürst den Glauben,

Und seine Völker müssen ihm zum Himmel

Und auch zur Hölle folgen, wenn er winkt:

Wie denn nicht hier, wo Mensch und Bär noch streiten,

Wer Herr ist und den andern tanzen läßt!

Der Zar von Moskau tut, was ihm gefällt,

Und Gott allein ist mächtiger, als er.

MNICZEK.

Ja wohl!

GREGORY.

Das ist die Tat, die wir als Dank

Von dir erwarten. Täuschen kannst du uns,

Denn, als wir dich der Mörder-Faust entzogen,

Schwurst du uns nichts. Wir sahen in dein Auge,

Weil deine Lippe noch versiegelt war,

Und schwankten nicht! Erwäg es wohl, ich frage

Erst nach der Krönung wieder an. Doch nehm ich

Die Antwort, glaub ich, jetzt schon mit. Es ist

Ja keine Last, die ich dir auferlege,

Es ist der höchste Lohn, den ich dir biete,[423]

Du wirst durchs Schuldenzahlen reich. Die Erde

Wird jubeln, wie bei der Geburt des Herrn,

Wenns endlich wieder eine Kirche gibt,

Wie eine Welt, und wenn zum Liebes-Mahl

Das ganze menschliche Geschlecht erscheint.

Und bis zum jüngsten Tage wird es heißen,

Wenn man des Zugs um den Altar gedenkt:

Zur Rechten schritt der Zar Demetrius,

Zur Linken aber schritt – ein neuer Papst.


Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 421-424.
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