Vierte Szene


[276] Richter Kilian, Doktor Pfeffer, Block und Jacob treten ein.


DOKTOR PFEFFER. Aber, Herr Richter, könnt Ihr auch Blut sehen?

KILIAN. Wenns nur nicht mein eigenes ist: ja!

DOKTOR PFEFFER für sich. Er darf nicht hier bleiben, ich muß freie Hand haben. Zu Kilian. Traut Ihr Euch auch so viel zu?

KILIAN. Es wird sich finden. Ich kann ja immer noch hinausgehen.

DOKTOR PFEFFER. Ich wünsche nur, daß jeder Störung der Operation[276] möglichst vorgebeugt werde, darum mögte ich am liebsten mit meinem Bedienten allein sein.

BLOCK. Euer Bedienter?

DOKTOR PFEFFER. O Esel! Was du nicht bist, kannst du werden! Wirst du nicht gern bei mir in Dienst gehen, wenn ich Millionär bin? Zu Kilian. Dem Menschen mit dem Milchgesichte siehts niemand an, was er vertragen kann. Der wäre in Hospitälern und auf Schlachtfeldern unbezahlbar. Seinen eignen Vater hat er sezieren sehen und dabei gefrühstückt. Und doch hatte der Alte sich nur aus Ärger über den Sohn ertränkt.

BLOCK. Nicht mehr, oder ich breche los!

JACOB. Ich muß mich doch über die Herren wundern!

DOKTOR PFEFFER. Warum?

JACOB. Ich habe gute Augen, Nase und Ohren, aber den Juden kann ich hier so wenig sehen, als hören oder riechen.

DOKTOR PFEFFER. Was ist das?

KILIAN. O, es gibt hier noch ein heimlich Kämmerlein. In das wird ihn der Wärter hineingesteckt und ihn aus Langeweile gezwungen haben, schwarzen Peter mit ihm zu spielen. Hundertmal hab ichs verboten, weil die Menschen nicht zu Gedanken kommen, solange sie die verfluchten Karten in der Hand halten, aber immer wirds aufs neue wieder versucht. Er ruft. Schlüter! Keine Antwort? Unbesorgt, Herr Doktor. Ich weiß, was das bedeutet. Drei Aß und einen König! Ich will den Trumpf dazu geben! Schlüter! Er will in den Hintergrund. Ich bin verloren. Hier steht die Tür auf.

JACOB. Fort, nicht wahr? Weg, wie der Sperling, wenn der Bube gerade die Mütze abzieht, um sie nach ihm zu werfen. O, ich Dummkopf, ich Dummkopf! Was gingen mich anderer Leute Schafe an!

BLOCK. Schafe?

JACOB. Ich wanderte, wie ein Nachtwächter, mit meinem Knittel ums Gefängnis herum, und ließ keine Tür aus den Augen, da trieb ein kleiner Knabe Schafe vorbei. Die Schafe liefen links und rechts, hier in einen Kohlgarten hinein, dort in den Weizen, der Knabe weinte und schrie, er wußte sich nicht zu helfen, da dachte ich: als du klein warst, ist es dir mit Schafen oft auch so ergangen! und ohne mich viel zu besinnen, sprang[277] ich herzu. Verfluchter Greiner! Der Beistand, den ich dir leistete, kostet mir eine halbe Million!

BLOCK auf Kilian deutend. Der alte Mann fällt um!

JACOB. Das würde sich besser für mich schicken, als für ihn! O, hätt ich mir nur im voraus etwas darauf geben lassen! Was meint Ihr, wenn ich den Richter um zehn Taler angesprochen hätte, würde er ja gesagt haben?

BLOCK. Gewiß!

JACOB. Nun, dann wollt ich, hier wär einer, der mich auspeitschte. Diese zehn Taler ärgern mich mehr, als all das übrige Geld.

DOKTOR PFEFFER der inzwischen mit einer Kerze in alle Ecken geleuchtet hat. Einen Schnaps!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 276-278.
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