[257] Kriemhild, Werbel, Swemmel.
KRIEMHILD.
So wagt ers ungeladen? Hagen Tronje,
Ich kannte dich!
WERBEL.
Er zieht voran und führt.
KRIEMHILD.
Greift gleich nach ihren Waffen, wenn sie kommen,
Ihr wißt, mit List.
WERBEL.
Es liegt uns selbst daran.[257]
KRIEMHILD.
Habt ihr denn auch noch Mut, nun ihr sie kennt?
WERBEL.
Dem Hornißschwarm erlag schon mancher Leu! –
Weiß Etzel etwas?
KRIEMHILD.
Nein! – Und doch wohl: Ja.
WERBEL.
Es ist nur –
KRIEMHILD.
Was?
WERBEL.
Auch in der Wüste ehren
Wir einen Gast.
KRIEMHILD.
Ist Gast, wen keiner lud?
WERBEL.
Bei uns sogar der Feind.
KRIEMHILD.
Vielleicht ist alles
Nicht nötig. Hier wird König Gunther frei,
Und wenn sich in Burgund der Henker findet,
So brauche ich die Heunschen Rächer nicht.
WERBEL.
Doch, Königin –
KRIEMHILD.
Euch halte ich auch dann,
Was ich euch schwur. Der Nibelungen Hort
Ist euer, wenn er liegt. Ich frage nicht,
Durch wen er fiel!
WERBEL.
Auch wenn wir nichts getan?
Trotz Etzels Zorn, dein bis zum Tod dafür!
KRIEMHILD.
Habt ihr die Königin Burgunds gesehn?
WERBEL.
Die sieht kein Mensch.
KRIEMHILD.
Auch nicht von ihr gehört?
WERBEL.
Die wunderlichsten Reden gehen um.
KRIEMHILD.
Was denn für Reden?
WERBEL.
Nun, es wird geflüstert,
Daß sie in einem Grabe haust.
KRIEMHILD.
Und doch
Nicht tot?
WERBEL.
Sie hat es gleich nach dir bezogen,
Fort in der Nacht, nach Wochen erst entdeckt,
Und nicht mehr weg zu bringen.
KRIEMHILD.
Sie – Brunhild –
In Siegfrieds heilger Ruhestatt?
WERBEL.
So ists.
KRIEMHILD.
Vampyr.
WERBEL.
Am Sarge kauernd.[258]
KRIEMHILD.
Teufels-Künste
Im Sinn.
WERBEL.
Kann sein. Allein im Auge Tränen,
Und mit den Nägeln bald ihr Angesicht
Zerkratzend, bald das Holz.
KRIEMHILD.
Da seht ihrs selbst!
WERBEL.
Der König gab Befehl, sie einzumauern,
Doch eilig setzte ihre graue Amme
Sich in die Tür.
KRIEMHILD.
Dich treib ich wieder aus! –
Nach langer Pause.
Und meine Mutter schickt mir diese Locke
Und fügte nicht ein einzges Wort hinzu?
WERBEL.
So ists.
KRIEMHILD.
Sie soll mich mahnen, denk ich mir,
Daß ich die Brüder nicht zu lange halte.
WERBEL.
Es mag wohl sein.
KRIEMHILD.
Sie ist so weiß, wie Schnee.
WERBEL.
Doch hätte sie gewiß nicht dran gedacht,
Wenn sie ihr Traum nicht so geängstigt hätte,
Denn sie betrieb die Reise selbst mit Fleiß.
KRIEMHILD.
Was für ein Traum?
WERBEL.
Sie sah die Nacht, bevor
Wir ziehen sollten, alle Vögel tot
Vom Himmel fallen.
KRIEMHILD.
Welch ein Zeichen!
WERBEL.
Nicht?
Die Kinder scharrten sie mit ihren Füßen
Zusammen, wie im Herbst die dürren Blätter –
KRIEMHILD.
Und ihre Träume gehen immer aus! –
Das ist ein Pfand!
WERBEL.
Du jubelst? Sie erschrak
Und schnitt, als wir zu Pferde steigen wollten,
Vom greisen Haupt die Locke sich herunter,
Und gab sie mir, wie einen Brief, für dich.
KRIEMHILD.
Nun richtet euch!
WERBEL.
Das Netz ist schon gestellt.
Werbel und Swemmel ab.[259]
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
|
Buchempfehlung
Ein alternder Fürst besucht einen befreundeten Grafen und stellt ihm seinen bis dahin verheimlichten 17-jährigen Sohn vor. Die Mutter ist Komtesse Mizzi, die Tochter des Grafen. Ironisch distanziert beschreibt Schnitzlers Komödie die Geheimnisse, die in dieser Oberschichtengesellschaft jeder vor jedem hat.
34 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro