Sechste Szene

[153] Fanfaren, Brunhild, Frigga, Gunther, Hagen, Volker. Gefolge. Kriemhild und Ute aus der Burg ihnen entgegen.


GUNTHER.

Da ist die Burg,

Und meine Mutter naht mit meiner Schwester,

Dich zu begrüßen.

VOLKER zu Brunhild, während die Frauen sich entgegen schreiten.

Sind die kein Gewinn?

HAGEN.

Siegfried, ein Wort mit dir! Dein Rat war schlecht.

SIEGFRIED.

Mein Rat war schlecht? Ist sie nicht überwunden?

Steht sie nicht da?

HAGEN.

Was ist damit erreicht?

SIEGFRIED.

Ich denke, alles.

HAGEN.

Nichts! Wer ihr den Kuß

Nicht rauben kann, der wird sie nimmermehr

Bewältigen, und Gunther kann es nicht

SIEGFRIED.

Hat ers versucht?

HAGEN.

Würd ich denn sonst wohl reden?

Vorher! Im Angesicht der Burg. Sie sträubte

Sich anfangs, wie es einer Magd geziemt,

Und wie sich unsre Mütter sträuben mogten,

Doch, als sie merkte, daß ein Daumendruck

Genügte, um den Freier fort zu schnellen,

Da ward sie toll, und als er doch nicht wich,

Ergriff sie ihn und hielt ihn, uns und ihm

Zur ewgen Schmach, mit vorgestrecktem Arm

Weit in den Rhein hinaus.

SIEGFRIED.

Ein Teufelsweib!

HAGEN.

Was schiltst du? Hilf!

SIEGFRIED.

Ich denke, wenn der Priester

Sie erst verband –

HAGEN.

Wär nur die Alte nicht,

Die Magd, die sie begleitet. Diese späht

Und fragt den ganzen Tag und sitzt bei ihr,

Wie ihr Verstand von Siebzig oder Achtzig!

Die fürcht ich mehr, als sie!

UTE zu Kriemhild und Brunhild.

So liebt euch denn[153]

Und laßt den Ring, den eure Arme jetzt

Im ersten Herzensdrang geschlossen haben,

Allmählig sich zu einem Kreis erweitern,

In dem ihr euch mit gleichem Schritt und Tritt

Und gleicher Lust um einen Punkt bewegt.

Ihr werdets besser haben, als ich selbst,

Denn, was ich meinem Herrn nicht sagen durfte,

Das mußt ich ganz verschlucken, und so konnt ich

Zum wenigsten nicht klagen über ihn.

KRIEMHILD.

Wir wollen Schwestern werden.

BRUNHILD.

Euretwegen

Mag euer Sohn und Bruder noch vor Nacht

Das Zeichen, das zu seiner Magd mich stempelt,

Mir auf die Lippen drücken, denn ich bin

Noch ungebrannt, wie ein zu junger Baum,

Auch hielt ich mir, wenn ihr sie nicht versüßtet,

Die Schmach, die mich bedroht, wohl ewig fern.

UTE.

Du sprichst von Schmach?

BRUNHILD.

Vergebt mir dieses Wort,

Doch sprech ich, wie ich fühle. Ich bin fremd

In eurer Welt, und wie die meine euch

Erschrecken würde, wenn ihr sie beträtet,

So ängstigt mich die eurige. Mir deucht,

Ich hätt hier nicht geboren werden können

Und soll hier leben! – Ist der Himmel immer

So blau?

KRIEMHILD.

Nicht immer. Doch die meiste Zeit.

BRUNHILD.

Wir kennen gar kein Blau, als das des Auges,

Und das nur im Verein mit rotem Haar

Und einem Milchgesicht! Und ist es immer

So still hier in der Luft?

KRIEMHILD.

Zuweilen steigen

Auch Wetter auf, dann wirds bei Tage Nacht,

Und Blitz und Donner rasen.

BRUNHILD.

Käme das

Nur heute noch! Mir wärs, wie Heimatsgruß.

Ich kann mich nicht an so viel Licht gewöhnen,

Es tut mir weh, mir ists, als ging ich nackt,[154]

Als wäre kein Gewand hier dicht genug! –

Das sind wohl Blumen? Rot und gelb und grün!

KRIEMHILD.

Du sahst sie nie und kennst die Farben doch?

BRUNHILD.

Wir haben Edelsteine aller Art,

Nur weiße nicht und schwarze, aber weiß

Ist meine eigne Hand und schwarz mein Haar.

KRIEMHILD.

So weißt du nichts vom Duft!


Sie pflückt ihr ein Veilchen.


BRUNHILD.

O der ist schön!

Und diese kleine Blume haucht ihn aus,

Die einzge, die mein Auge nicht bemerkte?

Der mögt ich einen süßen Namen geben,

Doch hat sie wohl schon einen.

KRIEMHILD.

Keine ist

Demütiger, als sie, und keine hätte

Dein Fuß so leicht zertreten, denn sie scheint

Sich fast zu schämen, mehr zu sein, als Gras,

So tief versteckt sie sich, und dennoch schmeichelt

Sie dir die ersten sanften Worte ab.

Sei sie dir denn ein Zeichen, daß sich manches

Vor deinem Blick hier noch verbergen mag,

Was dich beglücken wird.

BRUNHILD.

Ich hoffs und glaubs! –

Doch tuts auch not! Du weißt nicht, was es heißt,

Ein Weib zu sein und doch in jedem Kampf

Den Mann zu überwinden, und die Kraft,

Die ihn verläßt, aus dem verströmten Blut,

Das dir entgegen dampft, durchs bloße Atmen

In dich zu trinken! Immer stärker dich

Zu fühlen, immer mutiger, und endlich,

Wenn du des Siegs gewisser bist, als je –


In plötzlicher Wendung.


Frigga, ich frag dich noch einmal! Was wars,

Was sah und sprach ich vor dem letzten Kampf?

FRIGGA.

Du scheinst im Geist dies Land gesehn zu haben.

BRUNHILD.

Dies Land!

FRIGGA.

Und warst entzückt.

BRUNHILD.

Ich war entzückt! –[155]

Doch deine Augen flammten.

FRIGGA.

Weil ich dich

So glücklich sah.

BRUNHILD.

Und diese Recken schienen

Mir weiß, wie Schnee.

FRIGGA.

Sie warens schon vorher.

BRUNHILD.

Warum verhehltest dus mir denn so lange?

FRIGGA.

Es ward mir selbst erst diese Stunde klar,

Wo ich vergleichen kann.

BRUNHILD.

Wenn ich entzückt

Gewesen bin, als ich dies Land erblickte,

So muß ichs wieder werden.

FRIGGA.

Zweifle nicht.

BRUNHILD.

Es kommt mir doch so vor, als hätte ich

Von Sternen und Metallen –

FRIGGA.

Auch, ja wohl!

Du sprachst, die Sterne funkelten hier heller,

Doch Gold und Silber wären dafür blind.

BRUNHILD.

Ei so!

FRIGGA zu Hagen.

Nicht wahr?

HAGEN.

Ich hab nicht drauf gehört.

BRUNHILD.

Ich bitt euch alle, nehmt mich für ein Kind,

Ich werde schneller wachsen, wie ein andres,

Doch bin ich jetzt nicht mehr.


Zu Frigga.


Das also wars?

FRIGGA.

Das wars!

BRUNHILD.

So ists ja gut! So ists ja gut! –

UTE zu dem heran getretenen Gunther.

Mein Sohn, wenn sie zu herb ist gegen dich,

Laß ihr nur Zeit! Bei dem Geschrei der Krähen

Und Raben, das sie hörte, konnte sich

Ihr Herz nicht öffnen, doch es wird geschehn

Bei Lerchenruf und Nachtigallenschlag.

HAGEN.

So spricht der Spielmann, wenn ers Fieber hat

Und junge Hunde streichelt. Seis darum.

Der Jungfrau gönne Zeit, sich zu besinnen,

Die Fürstin aber halte gleich beim Wort.[156]

Sie ist die deine durch das Recht der Waffen,

So greife zu!


Ruft.


Kaplan!


Schreitet voran.


GUNTHER.

Ich folg dir gern!

SIEGFRIED.

Halt, Gunther, halt, was hast du mir gelobt?

GUNTHER.

Kriemhild, darf ich den Gatten für dich wählen?

KRIEMHILD.

Mein Herr und Bruder, füg es, wie du magst!

GUNTHER zu Ute.

Ich habe keinen Widerspruch zu fürchten?

UTE.

Du bist der König, ich bin Magd, wie sie!

GUNTHER.

So bitt ich dich inmitten meiner Sippen:

Lös einen Eid für mich und sie, und reiche

Dem edlen Siegfried deine Hand.

SIEGFRIED.

Ich kann

Nicht reden, wie ich mögte, wenn ich dir

Ins Antlitz sehe, und von meinem Stottern

Hast du vorhin wohl schon genug gehabt,

Drum frag ich dich, wie jeder Jäger fragt,

Nur, daß ich nicht dabei vom Hut die Federn

Herunter blase: Jungfrau, willst du mich?

Doch, daß dich nicht die Einfalt selbst besteche,

Und du nicht völlig unberaten seist,

So laß dir noch vor Ja und Nein vermelden,

Wie meine Mutter mich zu schelten pflegt.

Sie sagt, ich sei zwar stark genug, die Welt

Mir zu erobern, aber viel zu dumm,

Den kleinsten Maulwurfshügel zu behaupten,

Und wenn ich nicht die Augen selbst verlöre,

So lägs allein an der Unmöglichkeit.

Auch magst du ihr das eine willig glauben,

Das andre aber werd ich widerlegen,

Denn wenn ich dich nur erst erobert habe,

So soll man sehn, wie ich behaupten kann!

Nun denn, noch einmal: Kriemhild, willst du mich?

KRIEMHILD.

Du lächelst, Mutter! O, ich habe nicht

Vergessen, was ich träumte, und der Schauder[157]

Ist nicht entflohn, er warnt mich mehr, als je,

Doch eben darum sag ich mutig: Ja!

BRUNHILD tritt zwischen Kriemhild und Siegfried.

Kriemhild!

KRIEMHILD.

Was willst du?

BRUNHILD.

Mich als Schwester dir

Beweisen!

KRIEMHILD.

Jetzt? Worin?

BRUNHILD zu Siegfried.

Wie darfst dus wagen,

Die Hand nach ihr, nach einer Königstochter,

Nur auszustrecken, da du doch Vasall

Und Dienstmann bist!

SIEGFRIED.

Wie?

BRUNHILD.

Kamst du nicht als Führer

Und gingst als Bote?


Zu Gunther.


Und wie kannst dus dulden

Und unterstützen, daß ers tut?

GUNTHER.

Er ist

Der erste aller Recken!

BRUNHILD.

Dafür weis ihm

Den ersten Platz an deinem Throne an.

GUNTHER.

Er ist an Schätzen reicher, als ich selbst!

BRUNHILD.

Pfui! Gibt ihm das ein Recht auf deine Schwester?

GUNTHER.

Er hat mir tausend Feinde schon erschlagen.

BRUNHILD.

Der Held, der mich besiegte, dankt ihm das?

GUNTHER.

Er ist ein König, wie ich selbst.

BRUNHILD.

Und stellte

Doch zu den Knechten sich?

GUNTHER.

Dies Rätsel will ich

Dir lösen, wenn du mein geworden bist!

BRUNHILD.

Nie werd ichs, eh ich dein Geheimnis weiß.

UTE.

So willst du mich durchaus nicht Mutter nennen?

Verschieb es nicht zu lange, ich bin alt,

Auch trug ich manches Leid!

BRUNHILD.

Ich folge ihm

Zur Kirche, wie ich schwur, und werde dir[158]

Mit Freuden Tochter, aber ihm nicht Weib.

HAGEN zu Frigga.

Beschwichtge sie!

FRIGGA.

Was braucht es mein dazu?

Wenn er sie einmal überwunden hat,

So wirds ihm auch das zweite Mal gelingen,

Doch ists ein Recht der Magd, daß sie sich sträubt.

SIEGFRIED Kriemhild bei der Hand fassend.

Daß ich mich gleich als König hier erweise,

So schenk ich dir den Nibelungenhort.

Und nun zu meinem Recht und deiner Pflicht.


Er küßt sie.


HAGEN.

Zum Dom!

FRIGGA.

Hat er den Nibelungenhort?

HAGEN.

Du hörst. Trompeten!

FRIGGA.

Auch die Balmung-Klinge?

HAGEN.

Warum nicht? Holla, blast die Hochzeit ein!


Rauschende Musik. Alle ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 153-159.
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