Zweite Szene

[154] CASPAR tritt im Reiseanzug auf.

Einen Gruß

Von Frau Margretha!

KATHARINA.

Ihr seid schnell zurück!

Habt Ihr sie ganz nach Straßburg – –

CASPAR.

Nein. Verzeiht!

Doch bis zur Rheinbrück hab ich sie gebracht.

KATHARINA.

Warum nicht weiter?

CASPAR.

Weil ein Reisiger

Mich dort durch eine Nachricht schlimmer Art

Zur Umkehr zwang. Blickt nicht so bös auf mich.

Nicht eben gern hab ich das alte Weib

Geleitet, denn, vergebt, sie taugt nicht viel,

Doch, weil sie einmal Eure Schwester ist,

So übernahm ich das verhaßte Amt,

Und seid gewiß, daß ich nicht eher sie

Verließ, als bis sie völlig sicher war.

Allein in Straßburg selbst konnt ich sie nicht

Hineinbegleiten, nein, ich war zu feig,

Den kranken Herrn, wie mir die Pflicht gebot,

Zu töten durch die Zung in meinem Mund.

GOLO.

Was heißt das?

CASPAR.

Nun, das heißt, ich wollte nicht

Der sein, der ihm den Todesstreich versetzt,

Obgleich ich weiß, daß er ihm nicht entgeht.

Ritt ich in Straßburg ein, so mußt ichs tun,

Ich bin sein Knecht, mußt ich nicht zu ihm gehn?

Und wenn er frug: Wie stehts mit meinem Weib?

So konnt ich doch nicht sagen: Es steht gut!

GOLO.

Ist denn der Graf in Straßburg?

KATHARINA.

Ist ers? Sprich!

CASPAR.

Ja, freilich. Würd ichs sagen, wär ers nicht?

Der Krieg ist aus, der Heide ist verjagt

Und hat, wie's heißt, auf hundert Jahr genug.

Nun flog denn jeder, der was Liebes hat,

Zu Haus und allen unser Herr voran.

Die Wunde hatte ihn nicht aus der Schlacht[154]

Entfernt gehalten, noch viel weniger

Hielt sie, obgleich noch immer ungeheilt,

Beim alten Juden-Doktor ihn zurück.

Das lief schlecht ab; zwar hielt er lange sich

Im Bügel fest und achtete das Blut,

Das ihm entging, nicht mehr, als wär es Schweiß,

Doch fühlt er sich am Ende todesmatt,

Und sank in Straßburg, einem Leichnam gleich,

Vom Roß, der Landsknecht, der mir das erzählt,

Hatt ihn in seiner Herberg selbst gesehn.

KATHARINA ängstlich.

Hat Margaretha all dies auch gehört?

CASPAR.

Was fragt Ihr doch? Versteht sichs nicht von selbst?

Es war am Mittag, von dem scharfen Ritt

War Eure Schwester müde, durstig ich,

Und ob wir gleich schon klar den Münster sahn,

So hatten wir es doch noch weit zur Stadt.

Da trafen wir ein kleines Haus, worin

Die Gastfreundschaft auf eine neue Art

Geübt wird, Trank und Speise reicht man dort,

Und andres, was der Wandrer braucht, für Geld.

KATHARINA.

Für Geld!

CASPAR.

Es wohnt kein Edelmann im Haus,

Auch kein gesunder Mensch, ein Krüppel nur,

Der von den Reichen sich bezahlen läßt,

Daß er umsonst den Armen geben kann.

Wir kehrten ein, der Landsknecht saß am Tisch,

Fest eingeschlafen, auf den leeren Krug,

Der vor ihm stand, sein schweres Haupt geneigt.

Wir setzten uns, der Krüppel hinkt herbei

Und bracht uns Wein. Da fuhr der Schläfer auf,

Ich grüßte ihn und reicht ihm einen Trunk,

Er gab zum Dank mir von dem Krieg Bericht.

KATHARINA lauernd.

Margretha ist, was Wunden anbetrifft,

Geschickt, wie keine; brach sie nicht sogleich,

Als sie erfuhr, wie's um den Grafen steht,

Mit Eifer auf, um ihm zu Dienst zu sein?

CASPAR.

Sie tats.[155]

KATHARINA zu Golo, heimlich.

Nun bin ich ruhig. Sie ist klug

Und haßt die Gräfin, wie die Nacht den Tag.

Gewiß, sie baut uns vor. Sie tats schon hier.

Hats doch kein Mensch im Schloß, kaum nur ich selbst,

Erfahren, wann die Schwangre niederkam.


Zu Caspar.


Und trug sie Euch nichts auf?

CASPAR.

Ich hätt es bald

Vergessen. Ja, als ich von dannen ritt,

Rief sie mir nach: Schickt mir Herrn Golo zu,

Er darf nicht länger krank sein!

KATHARINA.

Sie hat recht!

CASPAR.

Wenn mein Wort gilt, so senden wir ihm nicht

Den Raben übern Rhein. Wir schlagens Schloß

Mit schwarzem Tuch aus, stellen ins Gemach,

Das sie bewohnte, einen leeren Sarg,

Der schweigend mahnt, daß er zu füllen ist,

Und kleiden sie in Grabgewande ein.

Dies wird er gleich verstehn, ich bürge Euch,

Ein altes Märchen schließt so, das er kennt.

GOLO.

Mein Pferd!

CASPAR.

Ihr wollt –

GOLO.

Sogleich! Hans reitet mit!

CASPAR ab.

GOLO.

Ich wälze meine Tat, wie einen Stein,

Bergan, und mir ists recht, wenn sie zuletzt,

Herunter rollend, mich zermalmt!

KATHARINA.

Getrost!

Wenn dus nur klug machst, geht noch alles gut!

GOLO.

Was kann noch gut gehn, Weib? Ich wolle sie

Erniedrigen. Das war der einzge Weg,

Der mir noch blieb, mich wieder zu erhöhn.

Sie aber hat, wie jener edle Stein,

Für jeden Schlag durch einen Funken sich

Gerächt, der sie verklärt. So hab ich nichts

Durch all mein Tun erreicht, als daß ich selbst

Vor Gott mich ihrer unwert nennen muß,[156]

Daß ich bekennen muß: du bist ein Schuft,

Und nur, daß du erführest, welch ein Schuft,

Ward dir dies Weib versagt und doch gezeigt!

Nun sollt ich gehn und ihr die Kerkertür

Aufriegeln und mit einem Stierkopf mich

Einmauern lassen in den Hungerturm.

Mich aber lockts, mit einem blanken Schwert

Vor sie zu treten und in bittrem Hohn

Zu sprechen: Edle Frau, dies schickt der Mann,

Den Ihr in Eure Seele schauen ließt,

Er zeigt Euch jetzt, wie fest er Euch vertraut!


Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 154-157.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Genoveva
Samtliche Werke (1, No. 10); Abt. 1.Bd. Dramen I (1841-1847). Judith. Genoveva. Der Diamant
Samtliche Werke (1, No. 9); Abt. 1.Bd. Dramen I (1841-1847). Judith. Genoveva. Der Diamant
Friedrich Hebbel's Sämmtliche Werke: Bd. Genoveva ; Agnes Bernauer (German Edition)
Genoveva: Eine Tragödie in Fünf Acten (German Edition)

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon