Vierte Szene

[575] Joab tritt ein.


HERODES.

Sind sie versammelt?

JOAB.

Längst! Aus dem Gefängnis

Muß ich dir melden, was mir wichtig scheint!

Man kann den Sameas nicht so weit bringen,

Daß er sich selbst entleibt!

HERODES.

Ich gab Befehl,

Daß man ihn martern soll, bis er es tut!


Zu Titus.


Der hat geschworen, hört ich, sich zu töten,

Wenn er mich nicht zu seinesgleichen machen,

Den Heidensinn in mir, wie er es nennt,

Nicht brechen könne. Da ihm das mißlang,

So zwinge ich ihn, seinen Schwur zu halten,

Er hat den Tod wohl tausendfach verdient!

TITUS.

Ich hätte selbst auf seinen Tod gedrungen,

Denn er hat mich beschimpft und Rom in mir,

Und das kann überall verziehen werden,

Nur hier nicht, wo das Volk so störrig ist!

HERODES zu Joab.

Nun denn!

JOAB.

Man tat getreu nach deinen Worten,

Allein es half zu nichts. Der Henker hat

Fast jede Qual ihm angetan, er hat

Ihm obendrein, ergrimmt ob seinem Trotz,

Den er für Hohn nahm, Wunden beigebracht,[575]

Doch ists, als hätt er einen Baum gegeißelt,

Als hätte er in Holz hineingeschnitten:

Der Alte steht so da, als fühlt er nichts,

Er singt, anstatt zu schrein und nach den Messer

Zu greifen, das ihm vorgehalten wird,

Er singt den Psalm, den die drei Männer einst

Im feurgen Ofen sangen, er erhebt

Bei jedem neuen Schmerz die Stimme lauter

Und, wenn er einhält, prophezeit er gar!

HERODES für sich.

So sind sie! Ja! – Und wird sie anders sein?

JOAB.

Dann ruft er aus, als hätt er für geheime

Und wunderbare Dinge so viel Augen

Bekommen, als er Wunden zählt, nun sei

Die Zeit erfüllt, und in die Krippe lege

Die Jungfrau-Mutter aus dem Stamme Davids

In diesem heilgen Augenblick ein Kind,

Das Throne stürzen, Tote wecken, Sterne

Vom Himmel reißen und von Ewigkeit

Zu Ewigkeit die Welt regieren werde.

Das Volk indes, zu Tausenden versammelt,

Harrt draußen vor den Toren, hört das alles

Und glaubt, daß sich Elias' Flammen-Wagen

Herniedersenken wird, um ihn, wie den,

Emporzutragen. Selbst ein Henkersknecht

Erschrak und hielt, anstatt ihm neue Wunden

Zu schlagen, ihm die alten zu!

HERODES.

Man soll

Ihn auf der Stelle töten, und dem Volk

Ihn zeigen, wenn er tot ist! – Laß dann auch

Die Richter kommen und –

JOAB.

Die Königin!


Ab.


HERODES.

Du, Titus, wirst an meiner Seite sitzen!

Auch ihre Mutter habe ich geladen,

Damit es ihr nicht an der Zeugin fehlt.[576]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 575-577.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Herodes und Mariamne
Herodes Und Mariamne
Herodes Und Mariamne
Herodes Und Mariamne (Dodo Press)
Herodes und Mariamne
Herodes Und Mariamne: Eine Tragödie in Fünf Akten (German Edition)

Buchempfehlung

Jean Paul

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon