[380] DER SEKRETÄR tritt bleich und wankend herein, er drückt ein Tuch gegen die Brust. Wo ist Klara? Er fällt auf einen Stuhl zurück. Jesus! Guten Abend! Gott sei Dank, daß ich noch her kam! Wo ist sie?
KARL. Sie ging zum – Wo bleibt sie? Ihre Reden – mir wird Angst! Ab.
SEKRETÄR. Sie ist gerächt – Der Bube liegt – Aber auch ich bin – Warum das, Gott? – Nun kann ich sie ja nicht –
MEISTER ANTON. Was hat Er? Was ist mit Ihm?
SEKRETÄR. Es ist gleich aus! Geb Er mir die Hand darauf, daß Er seine Tochter nicht verstoßen will – Hört Er, nicht verstoßen, wenn sie –
MEISTER ANTON. Das ist eine wunderliche Rede. Warum sollt ich sie denn – Ha, mir gehen die Augen auf! Hätt ich ihr nicht unrecht getan?
SEKRETÄR. Geb Er mir die Hand!
MEISTER ANTON. Nein! Steckt beide Hände in die Tasche. Aber ich werde ihr Platz machen, und sie weiß das, ich habs ihr gesagt![380]
SEKRETÄR entsetzt. Er hat ihr – Unglückliche, jetzt erst versteh ich dich ganz!
KARL stürzt herein. Vater, Vater, es liegt jemand im Brunnen! Wenns nur nicht –
MEISTER ANTON. Die große Leiter her! Haken! Stricke! Was säumst du? Schnell! Und obs der Gerichtsdiener wäre!
KARL. Alles ist schon da. Die Nachbarn kamen vor mir. Wenns nur nicht Klara ist!
MEISTER ANTON. Klara? Er hält sich an einem Tisch.
KARL. Sie ging, um Wasser zu schöpfen, und man fand ihr Tuch.
SEKRETÄR. Bube, nun weiß ich, warum deine Kugel traf. Sie ists.
MEISTER ANTON. Sieh doch zu! Setzt sich nieder. Ich kann nicht! Karl ab. Und doch! Steht wieder auf. Wenn ich Ihn Zum Sekretär. recht verstanden habe, so ist alles gut.
KARL kommt zurück. Klara! Tot! Der Kopf gräßlich am Brunnenrand zerschmettert, als sie, – Vater, sie ist nicht hinein gestürzt, sie ist hinein gesprungen, eine Magd hats gesehen!
MEISTER ANTON. Die soll sichs überlegen, eh sie spricht! Es ist nicht hell genug, daß sie das mit Bestimmtheit hat unterscheiden können!
SEKRETÄR. Zweifelt Er? Er mögte wohl, aber Er kann nicht! Denk Er nur an das, was Er ihr gesagt hat! Er hat sie auf den Weg des Todes hinausgewiesen, ich, ich bin schuld, daß sie nicht wieder umgekehrt ist. Er dachte, als er ihren Jammer ahnte, an die Zungen, die hinter ihm herzischeln würden, aber nicht an die Nichtswürdigkeit der Schlangen, denen sie angehören, da sprach Er ein Wort aus, das sie zur Verzweiflung trieb; ich, statt sie, als ihr Herz in namenloser Angst vor mir aufsprang, in meine Arme zu schließen, dachte an den Buben, der dazu ein Gesicht ziehen könnte, und – nun, ich bezahls mit dem Leben, daß ich mich von einem, der schlechter war, als ich, so abhängig machte, und auch Er, so eisern Er dasteht, auch Er wird noch einmal sprechen: Tochter, ich wollte doch, du hättest mir das Kopfschütteln und Achselzucken der Pharisäer um mich her nicht erspart, es beugt mich doch tiefer, daß du nun nicht an meinem Sterbebett sitzen und mir den Angstschweiß abtrocknen kannst!
MEISTER ANTON. Sie hat mir nichts erspart – man hats gesehen![381]
SEKRETÄR. Sie hat getan was sie konnte – Er wars nicht wert, daß ihre Tat gelang!
MEISTER ANTON. Oder sie nicht!
Tumult draußen.
KARL. Sie kommen mit ihr – Will ab.
MEISTER ANTON fest, wie bis zu Ende, ruft ihm nach. In die Hinterstube, wo die Mutter stand!
SEKRETÄR. Ihr entgegen! Will aufstehen, fällt aber zurück. O! Karl!
KARL hilft ihm auf und führt ihn ab.
MEISTER ANTON. Ich verstehe die Welt nicht mehr!
Er bleibt sinnend stehen.
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Maria Magdalene
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