Saal in Alys Schloß

[536] Ritter und Frauen sitzen festlich geschmückt an einer Speisetafel.

Aly. Don Enrique. Zuleima. Ein Abt. Musikanten.

Speisenauftragende Bediente.


EIN RITTER steht auf, mit einem gefüllten Becher in der Hand.

Ein schöner Name klingt in meiner Brust:

Es lebe Isabella von Kastilien! –


Er trinkt.


EIN TEIL DER GÄSTE.

Hoch lebe Isabella von Kastilien!


Bechergeklirr und Trompetentusch.


DER ABT.

Noch einen Namen nenn ich euch: Ximenes,

Erzbischof von Toledo, lebe hoch! –


Er trinkt.


EIN TEIL DER GÄSTE.

Hoch lebe der Erzbischof von Toledo!


Bechergeklirr und Trompetentusch.


EIN ANDERER RITTER.

Laßt uns die besten Namen nicht vergessen.

Stoßt an: Es lebe hoch das edle Brautpaar! –


Er trinkt.


ALLE.

Hoch lebe Doña Clara und Enrique!


Bechergeklirr und Trompetentusch. Zuleima und Enrique verneigen sich.


DON ENRIQUE.

Ich danke euch.[537]

ZWEITER RITTER.

Doch Eure Braut ist stumm.

DON ENRIQUE.

Die holde Clara spricht zwar wenig heut,

Doch heut bedarf's nur eines einz'gen Wortes,

Des Jaworts am Altar, und ich bin glücklich.

ZULEIMA.

Die Brust ist mir so sehr beklommen, Señor.

DRITTER RITTER.

Ein schlimmes Zeichen ist es, Don Enrique,

Daß Ihr das Salzfaß eben umgestoßen.

VIERTER RITTER.

Ein schlimmres Zeichen wär's, wenn Ihr den Becher

Mitsamt dem Weine umgestoßen hättet.

DRITTER RITTER.

Don Carlos ist ein Säufer.

VIERTER RITTER.

Ja! Gottlob,

Und kein trübselig Sonntagskind, wie Ihr,

Dem gleich das beste Mahl versalzen ist,

Wenn jemand unversehns das Salzfaß umwirft.

Ja, ja, der Wein, das ist mein Element!

In seinen goldig hellen Liebesfluten

Will ich gesund die kranke Seele baden;

Und lachen muß ich immer, wenn ich denke,

Wie Mekkas nüchterner Prophet –

Ja, Señor,

Der Wein, der Wein, ja, ja, ich wollte sagen,

Der Wein ist gut –

ALY.

Pedrillo! Hör, Pedrillo!

PEDRILLO.

Genäd'ger Herr?

ALY.

Laß alle Possenreißer

Und alle Gaukler kommen, alle Springer,[538]

Und auch den Harfenspieler, das Gesindel

Aus Barcelona.

PEDRILLO.

Versteh schon, gnäd'ger Herr! –


Geht ab.


FÜNFTER RITTER im Gespräch mit einer Dame.

Heuraten werd ich nimmermehr, Señora.

DIE DAME.

Ihr scherzt, Ihr seid bei Laune, Don Antonio;

Ihr seid ein Damenfreund, und Freund der Liebe.

FÜNFTER RITTER.

Ich liebe wohl die Myrte, ich ergötze

Mein Auge an dem frischen Grün der Blätter,

Erquicke mir das Herz an ihrem Duft;

Doch hüt ich mich, daß ich die Myrte koche,

Um als Gemüse sie zu speisen – bitter,

Señora, bitter schmeckt ein solch Gericht.

DER ABT im Gespräch mit seinem Nachbar.

Das war ein herrliches Autodafé;

So etwas labt das Herz des frommen Christen,

Und schreckt die starren Sünder auf den Bergen –


Zu Aly.


Wißt Ihr die Nachricht schon vom Sieg der Unsern

Und von der Heiden blut'ger Niederlage?

Sie haben sich zerstreut, unweit von hier

Durchstreifen sie die Gegend –

ALY nach der Türe sehend.

Gott sei Dank!

Ich hab es schon gehört, ehrwürd'ger Herr –

Doch soll uns jetzt das Gaukelspiel ergötzen –


Possenreißer, Gaukler, Springer und ein Harfenspieler treten herein. Burleskes Ballett.


DER HARFENSPIELER singt.

In dem Hofe des Alhambras

Stehn zwölf Löwensaul' von Marmor;[539]

Auf den Löwen steht ein Becken

Von dem reinsten Alabaster.


In dem Becken schwimmen Rosen,

Rosen von der schönsten Farbe;

Das ist Blut der besten Ritter,

Die geleuchtet in Granada.

ALY.

Ein traurig Lied. Es ist zu melancholisch.

Gebt uns ein lustig Hochzeitlied, recht lustig!

DER HARFENSPIELER singt.

Es war einmal ein Ritter, trübselig und stumm,

Mit hohlen, schneeweißen Wangen;

Er schwankte und schlenderte schlotternd herum,

In dumpfen Träumen befangen.

Er war so hölzern, und täppisch, und links,

Die Blümlein und Mägdlein, die kicherten rings,

Wenn er stolpernd vorbeigegangen.


Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus;

Er hatt sich vor Menschen verkrochen.

Da streckte er sehnend die Arme aus,

Doch hat er kein Wörtlein gesprochen.

Kam aber die Mitternachtstunde heran,

Ein seltsames Singen und Klingen begann –

An die Türe da hört er es pochen.


Da kommt seine Liebste geschlichen herein

Im rauschenden Wellenschaumkleide.

Sie blüht und glüht, wie ein Röselein,

Ihr Schleier ist eitel Geschmeide.

Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt,

Die Äugelein grüßen mit süßer Gewalt –

In die Arme sinken sich beide.
[540]

Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht,

Der Hölzerne steht jetzt in Feuer;

Der Blasse errötet, der Träumer erwacht,

Der Blöde wird freier und freier.

Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt,

Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt

Mit dem weißen, demantenen Schleier.


In einen kristallenen Wasserpalast

Ist plötzlich gezaubert der Ritter.

Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast

Vor alle dem Glanz und Geflitter.

Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut,

Der Ritter ist Bräut'gam, die Nixe ist Braut,

Ihre Jungfraun spielen die Zither.


Sie spielen und singen; es tanzen herein

Viel winzige Mädchen und Bübchen.

Der Ritter, der will sich zu Tode freun,

Und fester umschlingt er sein Liebchen –


Pedrillo stürzt ängstlich herein.


PEDRILLO.

Oh, Allah hilf! Jesus Maria Joseph!

Wir sind verloren, denn sie kommen, kommen!

ALLE.

Wer kömmt?

PEDRILLO.

Die Unsern kommen!

ALLE.

Wie? die Unsern?

PEDRILLO.

Nein, nicht die Unsern. Die verfluchten Heiden,

Die schändlichen Rebellen von den Bergen,

Die sind herangeschlichen auf den Strümpfen –

Wir sind verloren, draußen sind sie, hört ihr?


[541] Man hört Waffengerassel. Verworrene Stimmen rufen: »Granada! Allah! Mahomet!«


EINIGE RITTER.

Wohlan, sie mögen kommen!

ANDRE RITTER.

Unsre Waffen!


Die Damen geben Zeichen des Schreckens. Zuleima sinkt ohnmächtig hin. Laute Bewegung im Saale.


O seid nur außer Sorge, schöne Damen.

Der Maure ist galant, und selbst im Zorne

Wird er den Damen ritterlich begegnen.

Wir Männer aber wollen tüchtig kämpfen –

ALLE RITTER ihre Schwerter ziehend.

Wir kämpfen für den Leib und für die Ehre!


Waffengeklirr. Verworrene Stimmen. Die Mauren brechen herein; an ihrer Spitze Hassan und Almansor. Letzterer bricht sich Bahn zur ohnmächtigen Zuleima. Gefecht.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 536-542.
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