Julie
Julie

[562] JULIE.

Ob viele Fraun wohl brächten solche Botschaft?

Ach, armer Proteus! einen Fuchs hast du[562]

Zum Hirten deiner Lämmer angenommen.

Ach! arme Törin! Du bedauerst ihn,

Der so von ganzem Herzen dich verachtet!

Weil er sie liebt, so schätzt er mich gering;

Weil ich ihn liebe, muß ich ihn bedauern.

Bei unserm Abschied gab ich ihm den Ring,

Zu fesseln die Erinnrung meiner Liebe.

Nun werd ich – Unglücksbote! – hingesandt,

Das zu erflehn, was ich nicht wünschen kann;

Zu fordern, was ich gern verweigert sähe;

Die Treu' zu preisen, die ich tadeln muß!

Ich bin die treue Liebe meines Herrn,

Doch kann ich treu nicht dienen meinem Herrn,

Will ich mir selber kein Verräter sein.

Zwar will ich für ihn werben, doch so kalt,

Als, weiß es Gott, es hätte keine Eil'.


Die beiden Veroneser (Akt IV, Szene IV)

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 5, Berlin und Weimar 21972, S. 562-563.
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